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Twachtmann-Schlichter, Anke [Hrsg.]
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 14,1): Stadt Hildesheim: mit den Stadtteilen Achtum, Bavenstedt, Drispenstedt, Einum, Himmelsthür, Itzum, Marienburg, Marienrode, Neuhof, Ochtersum, Sorsum, Steuerwald und Uppen — Hameln, 2007

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https://doi.org/10.11588/diglit.44417#0134
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Hildesheim, Kath. Kirche zum Heiligen Kreuz, Kapelle des hl. Vinzent im Kreuzgang, nördliches Seitenschiff

Im Innern stehen sich spannungsreich ver-
schiedene Baustile und Epochen gegenüber.
Beim Eintritt in das nördliche Seitenschiff prä-
sentiert sich das deutlich verbreiterte und er-
höhte Schiff noch mit seiner barocken Stuck-
dekoration. Die Verbreiterung, die sich auch im
äußeren widerspiegelt, ist eine Folge der bau-
lichen Veränderungen der Barockzeit Anfang
des 18. Jh. Ein Gurtbogen schließt das tonnen-
gewölbte Seitenschiff ab und stellt den Über-
gang zum ebenfalls barockisierten nördlichen
Querschiff mit großem Fenster und seinem in
der Ostapsis befindlichen Barockaltar her. Im
anschließenden Langhaus mit einer Flachdecke
verbergen sich in den vier östlichen Jochen
wohl Teile der ehemaligen vorromanischen
Torhalle. Beachtenswert sind die ehemaligen
Emporenöffnungen der nördlichen und südli-
chen Seitenschiffwände, von denen nur die
südliche Empore erhalten ist. Gegliedert wird
die Emporenzone durch den Wechsel von zwei
schmalen Dreierarkaden und einer mittig ange-
ordneten, breiteren Arkade. Die Nordseite wur-
de beim Wiederaufbau rekonstruiert, die Arka-

den aber aufgrund der Seitenschiffhöhe im
Norden zugesetzt. Verbunden waren die Em-
poren durch begehbare Schwibbögen wie der
noch verändert erhaltene Bogen in Form und
Funktion eines Triumphbogens vor der aus-
geschiedenen Vierung beispielhaft verdeutlicht.
Auf den ehemaligen Kernbau gehen auch das
anschließende südliche, tonnengewölbte Sei-
tenschiff und der Treppenturm im Westen mit
einer dahinterliegenden, ebenfalls tonnenge-
wölbten Halle zurück. Vom südlichen Seiten-
schiff öffnen sich die längsoblong nach Süden
ausgerichteten Kapellen vom Ende des 13. Jh./
Anfang des 14. Jh. mit Kreuzrippengewölbe
und Maßwerkfenstern. Der Westriegel wurde in
gotischer und barocker Zeit umgestaltet.
Den immensen Kriegszerstörungen des 20. Jh.
sind vom südlich anschließenden Klausurtrakt
lediglich die so genannte Choralei mit Bruch-
steineinfriedung, Brühl 1, der Kreuzgang mit der
Kapelle des hl. Vinzent, Brühl la und die ehe-
malige Stiftspropstei, Brühl la, entgangen.

Auf die Chorälen, also die Chorschüler des
Kreuzstiftes, externe Schüler, die in diesem Ge-
bäude wohnten, verweist der Name Choralei.
Das mächtige, dreigeschossige Bruchstein-
gebäude schließt mit seinem steil aufsteigen-
dem Satteldach südlich an das Hauptportal der
Kreuzkirche an. Keiner strengen Gliederung un-
terworfen ist die westliche Traufseite, nur die
Horizontalen werden durch Fensterachsen be-
tont, ansonsten sind die im unteren Bereich re-
lativ schmalen Rundbogenfenster, im Oberge-
schoss die Rechteckfenster in keinem festen
Schema angeordnet. Trotz des Wiederaufbaus
nach 1945, vor allem wurde das Innere voll-
ständig verändert, weisen die Umfassungs-
mauern noch Reste des 12. Jh. auf, wie bei-
spielsweise ein Rundbogenfenster (das Dritte
von Norden) im unteren Geschoss. Damit wäre
die Choralei Hildesheims ältestes Profange-
bäude. Ein umgreifender Umbau fand Ende des
14. Jh. statt. Wahrscheinlich ist der das Ge-
samtbild beherrschende nördliche Giebel erst
ins 16. Jh. zu datieren.
Entlang der Choralei und der Kreuzkirche zieht
sich von Süden nach Osten eine Bruchstein-
einfriedung, die das doch erheblich nach Osten
steigende Geländeniveau ausgleicht.
Choralei sowie ehemalige Stiftspropstei werden
wieder von der Marienschule, die mit Unter-
brechungen seit 1853 vom Konvent der
Ursulinen aus Duderstadt bis 1996 geleitet
wurde, genutzt. Mit dem Ende des 15. Jh. von
Propst Tilo Brandis durchgeführten Neubau der
Propstei grenzt ein weiteres imposantes
Gebäude südlich an die Choralei. Hiervon kün-
det das Familienwappen über der Nordwest-
ecke der Propstei und die Jahreszahl „1491“
über der gotischen Eingangspforte. Nach
einem Brand im 16. Jh. begann 1590 der
Wiederaufbau unter Propst Anton von Schaum-
burg, Bischof von Minden. Im rückwärtig zum
Hof noch erhaltenen Barockportal erinnert unter
anderem die Jahreszahl „1596“ und das
Wappen an diese Bauphase. Der Kartusche am
Barockportal ist ein weiterer Hinweis auf eine
Überformung im Jahre 1731 zu entnehmen. An
der westlich zum Brühl hin vorspringenden
Traufseite des Propsteigebäudes ist nördlich ein
Steinerker des 17. Jh. angebracht.
Der an das südliche Seitenschiff der Kreuz-
kirche anschließende doppelgeschossige
Kreuzgang öffnet sich in Arkaden zum recht-
winkligen Innenhof. Die Kreuzgangflügel dif-
ferieren sowohl in der Länge wie in der Breite.
Hinweis auf die unterschiedlichen Bauphasen
der dreiflügligen Anlage vermögen aber vor
allem ihre Gewölbe zu geben. Ältester Teil
dürfte der Ende des 12. Jh. entstandene kreuz-
gratgewölbte Ostflügel sein. Ende des 15. Jh.
erfolgt eine Verbreiterung des Südflügels und
eine Einwölbung mit Kreuzrippen, mit so
genannten Birnstabprofilen aus gebrannten
Formsteinen. Der aus dieser Bauperiode stam-
mende Treppenturm liegt in der Südwestecke
und bildet den Übergang zum westlichen
Flügel. Dieser erhielt nach dem Brand der
Choralei (nach 1525) sein heutiges Sternge-
wölbe. Die von hier in den Kreuzganghof ein-
springende Vincentius- oder Vinzenzkapelle ist
wohl in die Mitte des 14. Jh. zu datieren.

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