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Kimpflinger, Wolfgang [Editor]
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 1, Teil 1): Stadt Braunschweig — Braunschweig, 1993

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https://doi.org/10.11588/diglit.44168#0096
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KOHLMARKT

In der Entwicklungsgeschichte der Stadt
kommt dem Kohlmarkt eine herausragende
Bedeutung zu. Seinen Namen hat er von den
noch im 16. Jh. dort vorhandenen Lagerstät-
ten für die wertvollen Steinkohlen. Wenn auch
heute die Gestaltung des Platzes selbst und
die ihn umstehende Bebauung überwiegend
ausjüngererZeit stammt, so istdoch der Platz
an sich als historisches Areal ein Kristallisa-
tionspunkt der werdenden Stadt gewesen.
Der Kohlmarkt gilt als Mittelpunkt der bis zum
Eiermarkt reichenden Kaufmannssiedlung
um das Jahr 1000. Hier vereinigte sich die
vom Okerübergang im Osten heraufführende
Straße mit den beiden von Westen (dem
späteren Altstadtmarkt) und Südwesten (Zie-
genmarkt und Michaelistor) zusammenlau-
fenden Straßen. Grabungen, die seit 1979 auf
dem Kohlmarktstattfanden, konnten mehrere
Siedlungshorizonte nachweisen, von denen
der älteste bis in das 9. Jh. zurückreicht.
Schon für das 10. Jh. ist auf der heutigen
Platzfläche als dem Zentrum dieser „Kohl-
marktsiedlung“ ein Kirchenbau nachzuwei-

sen, der, zu Beginn des 11. Jh. um ein Quer-
haus erweitert, gegen 1036 als Ulricikirche
von Bischof Godehard aus Hildesheim ge-
weiht wurde. Die Kirche erfuhr in der Folge-
zeit noch weitere Umbauten und stand im
Zentrum des heutigen Platzes bis 1544. Da-
mals war sie baufällig geworden und wurde
abgerissen. Der Grundriß dieser einstigen
Marktkirche Braunschweigs ist in der ab 1980
erfolgten Neupflasterung des Platzes durch
ein abgetrepptes Rechteck im Pflaster mar-
kiert. Durch zwei dort errichtete Vitrinen-
schächte sind Teile der ergrabenen Kirchen-
fundamente sichtbargemacht. Der Ulrichskir-
che war im Südwesten ein Begräbnisplatz
vorgelagert und ihrer nordwestlichen Ecke
seit 1398 ein Waage- und Provianthaus. An
der Nordseite des seit 1681 zweimal im Jahr
für Warenmessen genutzten Platzes stand,
leicht versetzt zum heutigen Standort, schon
seit mittelalterlicher Zeit ein Brunnen, der die
Wasserversorgung dieses Altstadtbereiches
sicherstellte. Als im 19. Jh. der Brunnen für
die Trinkwasserversorgung nicht mehr benö-
tigt wurde, ist von Oskar Sommer 1868/69 in
Neorenaissanceformen ein neuer Zierbrun-

nen mit hohem, achteckigem Hauptbecken
und niedrigem, umlaufendem Schöpfbecken
errichtet worden. Aus einer bekrönenden
Vase wird das Wasser über zwei Schalen an
das Hauptbecken abgegeben. Die auf den
Pfeilern des Hauptbeckens knieenden, mu-
schelblasenden Bronzetritonen spieen ur-
sprünglich einen Teil des Wassers zurück in
das Becken.
Die Funktion des Kohlmarktes als zentraler
Umschlagplatz für den Nah- und Fernhandel
schon seit den Anfängen der Stadt, übte so-
wohl auf die Gestalt der Platzfläche als auch
auf die Randbebauung einen permanenten
Veränderungsdruck aus. 1879 wurden am
südlichen Rand des Platzes drei Häuser ab-
gerissen, um Platz für den Ausbau des nord-
westlichen Zweiges der Friedrich-Wilhelm-
Straße zu schaffen, die ab 1880 angelegt
wurde. Der damit erfolgte Anschluß des Kohl-
marktesan das Bahnhofsviertel, überden nun
die direkte Verbindung vom Bahnhof in das
Stadtzentrum lief, gab in den achtziger und
neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts
erneut einen kräftigen Impuls zur Neugestal-

Kohlmarkt, Luftaufnahme


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