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erstmals so genannte kleine, dreieckige Platz,
geht im Nordosten in den Kohlmarkt über und
läuft nach Süden, zur Straße verengt, auf den
Bankplatz zu. In dieser kurzen Straße ist der
Anteil der von Kriegszerstörung verschont
gebliebenen Altbausubstanz vergleichs-
weise groß. Der heute neben seinem nur ein-
geschossigen Nachbarn fast isoliert ste-
hende Fachwerkbau Ziegenmarkt 7 über-
nimmt als Eckbau zur Jakobstraße und Blick-
punkt vom Kohlmarkt aus eine stadträumlich
wichtige Funktion. Dasan der Jakobstraße mit
späteren Anbauten erweiterte dreigeschos-
sige Haus ist 1985 letztmalig umgebaut und
vor allem im Erdgeschoß schon 1888imZuge
von Ladeneinbauten stark verändert worden.
Aus dieser Zeit stammt das konstruktiv be-
deutungslose Konsolgesims zwischen Erd-
geschoß und erstem Stock. Den massiven
Erdgeschoßwänden ist heute ein Pseudo-
fachwerk vorgeblendet. Die historische Sub-
stanz beschränkt sich auf die Oberge-
schosse, von denen das zweite, gestützt auf
taubandverzierte Knaggen, vorkragt. Die dar-
überliegende Stockwerkschwelle zeigt wie-
der den um die Mitte des 16. Jh. häufigen sti-
lisierten Laubstab, diesmal am unteren Bal-
kenrand begleitet von einem Strang aus Tau-
band und Perlen. Dieser noch aus der 2.
Hälfte des 16. Jh. stammenden Bausubstanz
wurde während des dreißigjährigen Krieges
der erste, 1623 datierte Erweiterungsbau an
der Jakobstraße und möglicherweise auch
das dreiachsige Zwerchhaus an der Fassade
zum Ziegenmarkt angefügt. Bei dem schlich-
ten Anbau beschränkt sich der Fassaden-
schmuck in der Hauptsache auf die Saum-
schwelle des zweiten Obergeschosses, wo
neben der Datierung und einer lateinischen
Friedensbitte der zum sog. Diamantband ge-
wordene Laubstab erscheint, beidseitig be-
gleitet von gegenläufig gedrehten Taustük-
ken und Gruppen von Perlen. Ein einzelner
verzierter Ständer am ersten Oberstock
scheint aus einem anderen baulichen Zusam-
menhang entfernt und hier eingebaut worden
zu sein. Eine zweite Erweiterung nach We-
sten erfuhr der Bau wohl um die Mitte des 17.
Jh. Dieser jüngste Hausteil, in schmucklosem
Fachwerk errichtet, ist heute im Erdgeschoß
massiv unterfangen.
Ziegenmarkt 5, das mit elf Fensterachsen
größte Haus am Ziegenmarkt, vermittelt mit
seinem Südgiebel, der stumpfwinklig an die
Hauptfassade anschließt, an die Straßen-
fluchtlinie des Bankplatzes. Fassade und
Südgiebel des 1812 errichteten dreigeschos-
sigen Hauses sind massiv aufgeführt, ebenso
wie die vordere Hälfte des Nordgiebels, die
als Brandmauer zum zerstörten Nachbarhaus
fungierte. Die rückwärtigen Teile des Hauses
wurden in Fachwerk konstruiert. Die massive,
verputzte Front zeigt eine klassizistisch nüch-
terne, in den Proportionen aber fein abge-
stimmte Fassadengestaltung mit werkstein-
gerahmten, hochrechteckigen Fenstern im
ersten und fast quadratischen im zweiten
Obergeschoß. Ein mittiges Zwerchhaus
schneidet in das für Bauten des Klassizismus
ungewöhnliche Mansarddach ein. Nachträg-
lich verändert wurde das Erdgeschoß, das
durch vergrößerte Schaufenstereinbauten
sein ursprüngliches Aussehen verloren hat.
Den Übergang vom Ziegenmarkt in den Kohl-

markt bildet eine Gruppe von vier Fachwerk-
bauten (Kohlmarkt 10, Ziegenmarkt 1, Zie-
genmarkt 2, Ziegenmarkt 3), die in einzelnen
Bereichen stark verändert bzw. restauriert
oder rekonstruiert sind. In ihren ältesten Tei-
len gehen alle vier Bauten aber in das 18. Jh.
zurück und zeigen in der architektonischen
Ausformung die um 1700 einsetzende Ab-
kehr vom traditionellen bürgerlichen Wohn-
Speicherhaus in Braunschweig. Seitdie Stadt
1671 Residenz geworden war, begann sich
durch den Zuzug von Höflingen, Beamten
und Offizieren allmählich auch der Architek-
turgeschmackzu ändern. DerSteinbau setzte
sich durch und sein Stil war der Barock. Wer
sich keinen modernen Massivbau leisten
konnte, imitierte ihn möglichst perfekt in
Fachwerk: Die überstrichen zu denkenden
Holzteile sind seither unverziert, es gibt keine
Vorkragungen mehr, die größer gewordenen
Fenster rastern die Fassade symmetrisch,
und die Mittelachse wird in der Regel durch
ein bekrönendes Zwerchhaus betont.
Das stark überformte und umgebaute Haus
Kohlmarkt 10 (erbaut um 1760) vermag mit
immerhin fünf Fensterachsen und dreiachsi-
gem Zwerchhaus ein- bescheidenes Maß an
repräsentativer Großzügigkeit zu vermitteln,
während dies bei dem südlich anschließen-
den, nur drei Fensterachsen breiten, in der 1.

Hälfte des 18. Jh. entstandenen Haus Zie-
genmarkt 1 kaum gelingt.
Der Wunsch nach mehr Eleganz, Großzügig-
keit und Gestaltungsspielraum ließ den ent-
werfenden Architekten von Ziegenmarkt 2,
Georg Christoph Sturm, ein zusätzliches
Stockwerk einführen. Nach einem ersten,
niedrigeren Entwurf, wird der dreigeschos-
sige 1757 von der herzoglichen Bauaufsicht
genehmigt und als Wohnhaus für die Bürger-
meisterin Lammann ausgeführt. Das mit ab-
gestuften Gesimsbändern, Sohlbänken und
profilierten Fensterrahmungen einen reich in-
strumentierten Steinbau imitierende Fach-
werkhaus wurde 1978 vollständig restauriert
und für die Einrichtung eines Museums für
mechanische Musikinstrumente umgebaut.
Dabei ist die Fassade nach dem Originalriß
Georg Christoph Sturms rekonstruiert wor-
den.
Weitgehend im Zustand der Umbauzeit 1871,
als das Erdgeschoß massiv ersetzt und mit
zwei Schaufenstern rechts und links der Tor-
einfahrt versehen wurde, ist das Haus Zie-
genmarkt 3 erhalten. In seinen verputzten
Fachwerkobergeschossen vermittelt es noch
am deutlichsten die Tendenz des 18. Jh.,
auch bescheidenen Bauten durch klare Fas-
sadengestaltung ein würdevolles Aussehen
zu geben.

Ziegenmarkt 5, erb. 1812


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