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Baugeschichtlicher Überblick
Eine zusammenfassende Darstellung dergeschichtlichen Entwicklung einzelner Baugat-
tungen für den Innenstadtbereich Braunschweigs ist nach den schweren Verlusten an
historischer Bausubstanz während des Zweiten Weltkrieges nur noch sehr bedingt mög-
lich, zumal in der Denkmaltopographie der aus der Geschichte überlieferte Baubestand
in seinem gegenwärtigen Zustand thematisiert wird und abgegangene Bauten nur im
Ausnahmefall Erwähnung finden. Dies trifft auch für das ältere bürgerliche Wohnhaus zu,
das, verglichen mit dem Vorkriegsbestand, heute nur noch in punktuellen Resten exi-
stiert, die eine am Beispiel ablesbare, kontinuierlich darstellende Entwicklungsge-
schichte nicht mehr zulassen. Unter Einbeziehung dieser großen Zahl von verlorenen
Bauten hat dies Rudolf Fricke in seiner umfassenden Arbeit über das Bürgerhaus in
Braunschweig dargestellt.
Im heutigen, über weite Strecken von Neubauten bestimmten Stadtbild, sind es vor allem
folgende Baugattungen, die als historische Architektur noch in der Stadt präsent sind:
Mittelalterliche Kirchenbauten
Fürstliche und patrizische Repräsentations- und Verwaltungsbauten
Bürgerliche Wohnbauten
Öffentliche Bauten und Verwaltungsbauten des 19. und 20. Jh.

Mittelalterliche Kirchenbauten
Erste Kirchenbauten des 11. Jh. und der Dombau Heinrichs des Löwen
Die Anfänge des Kirchenbaues in Braunschweig sind mitdem Grafengeschlechtder Bru-
nonen eng verbunden. Um 1020/30 gründeten sie auf der Burginsel das Domstift und
errichteten die erste Stiftskirche St. Petri et Pauli. Um 1031 wurde auf dem östlichen Oker-
ufer als Pfarrkirche des Dorfes „ brunesguik“, der späteren Altewiek, eine erste Magnikir-
che geweiht. Zu Beginn des 12. Jh. folgte als dritte Stiftung der Brunonen die Gründung
des Benediktinerklosters St. Aegidien, und schon um 1036 soll als erste Pfarrkirche einer
bürgerlichen Siedlung auf der westlichen Seite der Oker St. Ulrici geweiht worden sein.
Neuere Grabungsergebnisse im Bereich der späteren Altstadt scheinen die bereits für
das 9. Jh. überlieferte legendäre Gründung von St. Jakob zu bestätigen. Nur weniges ist
von diesen frühen Bauten heute noch sichtbar. Nach Fundamentuntersuchungen hatte
die erste Magnikirche einen schlichten rechteckigen Saal, die erste Aegidienkirche be-
reits drei Schiffe und Apsiden in den Abmessungen des heutigen Lang- und Querhauses
und für die erste Ulricikirche auf dem Kohlmarkt wurde ein Steinbau des 10. Jh. nachge-
wiesen, der aus einem kleinen Saalbau mit eingezogenem Chorquadrat bestand.
Eine bedeutendere Bautätigkeit entstand in Braunschweig erst wieder nach der Mitte des
12. Jh., als Heinrich der Löwe mit dem Ausbau der Burg Dankwarderode begann. In die-
ser Zeit wurde noch immer an der Fertigstellung der Stiftskirche in Königslutter gearbei-
tet, in der Kaiser Lothar von Süpplingenburg und Heinrich der Stolze, Großvater und Vater
Heinrichs des Löwen, bestattet waren. Die kargen Formen des dortigen Langhauses mit
seinen gleichmäßig gereihten Pfeilern haben wohl auf die Planung der Braunschweiger
Neubauten eingewirkt. Auch die Form des blockhaftgeschlossenen Westriegels, dersich
durch Reduktion der karolingischen bzw. frühottonischen Westwerke von Corvey, Gern-
rode und Gandersheim in Sachsen ausgebildet hatte, wurde wohl von Königslutter über-
nommen.
Mit dem Neubau des Domes wurde 1173 begonnen. Der in Sachsen vielfach vorgebildete
kreuzförmige Grundriß einer dreischiffigen Basilika mit Chorjoch, Apsiden und Westrie-
gel ist durch eine klare Zuordnung der einzelnen Bauteile und durch die Verknüpfung der
über quadratischem Grundriß errichteten Raumkompartimente nach dem gebundenen
System von großer räumlicher Geschlossenheit gewesen. Da der Westbau nach außen
ohne Öffnung blieb, erhielt der Bau neben zwei Querarmportalen noch je einen Zugang
in die westlichen Seitenschiffjoche, wiederum vergleichbar mit Königslutter und anderen
ottonischen Vorbildern.
Vor den Hauptpfeilern des Langhauses sind schmale Vorlagen hochgeführt, über denen
statt der Gurtbögen zurTrennung der Joche ineinander übergehende Kreuzgratgewölbe
direkt aufliegen. Es entsteht damit die Wirkung einer durchlaufenden Tonne mit Stichkap-
pen, wie sie bei spätrömischen Wölbungen auftreten. Das Streben nach großflächigen
Formen und einheitlicher Durchbildung wird hier besonders deutlich. Die Frage nach dem
Vorbild für diese gurtlose Wölbform ist bis heute nicht eindeutig zu beantworten, eine
mögliche Erklärung mag in der Erwägung liegen, daß das Wölbschema bereits existieren-
der kleinerer Kirchenbauten hier in monumentale Ausmaße übertragen wurde.

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