Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Der romanische Bau war fast gänzlich ohne Bauornamentik, was den heute noch erhalte-
nen Bauteilen des 12. Jh. im Osten sowie dem Mittelschiff und dem ersten südlichen
Seitenschiff seine scharfkantige Monumentalität verleiht. Auch die noch aus romanischer
Zeit stammenden Teile des Außenbaues - Querhaus- und Chorbereich sowie die Ober-
gadenzone des Mittelschiffes und der Westbau - zeigen diese kubische Klarheit und die
Reduktion auf wenige Grundformen.

Die Stadtpfarrkirchen
Noch im ausgehenden 12. Jh. waren mit der Förderung durch Heinrich den Löwen die
Ansiedlungen rings um die Burg so weit gewachsen, daß ihre Einwohner mit großen Kir-
chenbauten begannen. Jedes der Weichbilde, mit Ausnahme des Sack, unterstrichseine
weitgehende Eigenständigkeit innerhalb der Gesamtstadt durch den Bau einer eigenen
Pfarrkirche. Gegen 1190/95 begann man in der Altstadt mit dem Bau der Haupt- und
Pfarrkirche von St. Martini. Um 1200/1205 folgten die Hagenbürger mit dem Bau von St.
Katharinen. Gegen 1225/30 begannen die Bürger der Neustadt, einen kleinen Vorgän-
gerbau durch den Neubau von St. Andreas zu ersetzen. Für alle drei Bauten wurde das
Planschema des Domes mit nur wenigen Maßänderungen übernommen, ebenso die
Gliederung des Aufbaues und die gurtlose Kreuzgratwölbung des Langhauses. Auch die
Anlage von je zwei seitlichen Zugängen findet sich wieder. Diese fast wörtliche Über-
nahme des Plans bei drei unmittelbar benachbarten bürgerlichen Kirchen belegt die
Überlegenheit des Entwurfs, läßt aber auch erkennen, daß den Bürgern eigenständige
Baumeister nicht gleich zur Verfügung standen. Um die Mitte des 13. Jh. begannen an
den Stadtpfarrkirchen umfangreiche Bauarbeiten, die das Ziel hatten, die basilikalen
Langhäuser in Hallenkirchen umzuwandeln. Komplizierte Bauvorgänge und Zwischen-
zustände wurden in Kauf genommen, zum einen, um mehr Fläche und hellere Räume für
die Gemeinden zu erhalten, zum anderen aber wohl auch um zu einer mehr eigenständi-
gen, vom Dom und der Kunst des Hofes unabhängigen Gestalt zu finden. Die Selbstän-
digkeit der Querarme wurde nun ebenso wie die basilikale Erscheinung nach außen ganz
aufgegeben. Es wurden zunächst die Chorräume verlängert, denen bald danach, mit Aus-
nahme von St. Petri, ebenfalls Hallenjoche angebaut wurden. Zwischen den Mittelschif-
fen und den neu entstandenen hohen Seitenschiffen wurden die trennenden Mauern her-
ausgenommen und die hierdurch verletzten Wandstrukturen mit den überflüssig gewor-
denen Gliederungsdelementen der alten romanischen Seitenschiffe geschlossen. Hier-
durch entstand an den Langhauspfeilern die ungewöhnliche zweigeschossige Anord-
nung der Kantensäulchen, die in allen drei Kirchen zu finden ist. Auch die kleineren Kir-
chen der Stadt wurden entsprechend verändert. In St. Michaelis als auch in St. Petri wurde
umgebaut, bis die Form der Halle erreicht war. Der Neubau des Langhauses von St. Magni
wurde von vorneherein als Halle angelegt.

Die großen Klosterkirchen
Als 1278, nach einem Stadtbrand, die Benediktiner von St. Aegidien mit dem Neubau
ihrer Kirche begannen, übernahmen sie für die Ostanlage die Form des gotischen Kathe-
dralchores. Im unteren Bereich der tief herabgezogenen Chorfenstertrat zum erstenmal
in Braunschweig die Form eines Triforiums mit Laufgang auf. Chorumgang und Kapellen
wurden durch breite Arkaden so weit zum Chorraum geöffnet, daß ihr räumlicher Eigen-
wert nahezu aufgehoben und die Tendenz zum einheitlichen Großraum, die schon den
Umbau der Pfarrkirchen zu Hallenkirchen ausgelöst hatte, auch hier erkennbar ist. Sie
führte auch hier nach einem Planwechsel dazu, das Langhaus als hohe Halle anzulegen.
Am Äußeren des großen Baukörpers, das von Strebepfeilern, großen Maßwerkfenstern
und einem riesigen Dach bestimmt wird, wurde schon bald eine Schauseite zur Altewiek
ausgebildet. An Giebeln und Blendmaßwerken des Außenbaues zeigt sich deutlich eine
Auseinandersetzung mit den Bauformen der Stadtpfarrkirchen.
Neben den Benediktinern hatten sich auch die beiden Bettelorden der Dominikaner und
Franziskaner in Braunschweig niedergelassen. Während die Kirche der Dominikaner (ge-
nannt Paulinerkirche) zu Beginn unseres Jahrhunderts abgebrochen wurde und nur noch
in ihrem translozierten Chor weiterbesteht (s. S. 131), ist die Brüdernkirche, der Bau der
Franziskaner, auch heute noch eine das Stadtbild mitbestimmende Großarchitektur. Der
erst im 14. Jh. begonnene Bau zeigt den füreine Ordenskirche typischen Langchor, dem
im Westen eine dreischiffige Halle für den Predigtgottesdienst vorgelegt ist. Im Gegen-
satz zu den anderen Braunschweiger Kirchen wird das Äußere dieses hochgotischen
Baues nur von schlanken Strebepfeilern und den hohen Fenstern gegliedert. Die sonst
übliche Reihung der mit bauplastischem Schmuck bearbeiteten Seitenschiffgiebel unter-
blieb hier.

26
 
Annotationen