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tung der Kohlmarktrandbebauung. Im Sinne
der Errichtung eines modernen Verkehrs-
und Geschäftszentrums wurden wertvolle hi-
storische Bauten abgebrochen und durch
neue historistische Wohn-Geschäftshäuser
ersetzt. Der Kohlmarkt erlitt während des
Zweiten Weltkrieges nur an seiner West- und
Nordseite größere Schäden. Entstellende
Veränderungen der historischen Fassaden
stammen daher überwiegend aus der Nach-
kriegszeit, den fünfziger und sechziger Jah-
ren. In jüngster Zeit ist man an einigen Stellen
bestrebt, die durch weitaufgerissene Laden-
einbauten zerstörten Erdgeschoßzonen wie-
der auf eine der jeweiligen Fassade entspre-
chende Maßstäblichkeit zurückzubauen.
Die Geschichte des Kohlmarktes ist immer
von den Bedingungen des Handels und des
Verkehrs diktiert worden und in Abhängigkeit
davon auch seine sich ständig erneuernden
baulichen Ausformungen. Der Kohlmarkt als
Denkmalgruppe definiert sich daher heute
durch eine Reihe architekturhistorisch und
städtebaulich wichtige Objekte der Randbe-
bauung, vor allem aber durch die Platzfläche
selbst, unter deren modernem Belag in meh-
reren Schichten die Fundamente der mittelal-
terlichen Marktsiedlung liegen.
Die gegenwärtig denkmalwerte Randbebau-
ung des Kohlmarktes umfaßt Architekturen
vom ausgehenden 16. bis zum beginnenden
20. Jh.
Die Geschichte des heutigen Wohn- Ge-
schäftshauses „Hauszur Rose“, Koö/mar/rf 7,
reicht bis in das 13. Jh. zurück. Das in der
Folgezeit erweiterte und 1590 durch den vor-
geblendeten massiven Schaugiebel optisch
aufgewertete Haus hat seine mittelalterli-
chen, auf dem Grundstück zurückliegenden
Bauteile durch Umbaumaßnahmen im 19.
und 20. Jh. verloren. Das Anwesen bestand
ursprünglich aus einer in der Tiefe des Grund-
stückes liegenden Kemenate, der auf der
schmalen Parzelle ein Fachwerk-Vorderhaus
vorgelagert war, das durch die Beschaffenheit
des Grundstückes nicht, wie sonst in Braun-
schweig üblich, mit der Traufseite, sondern
mit dem Giebel zum Platz ausgerichtet war.
Die Zufahrt zum Hof und zum Haupteingang
des Gebäudes erfolgte über eine Lücke in der
Bebauung am Beginn der Schuhstraße. Die
beiden großen rundbogigen Toröffnungen im
Erdgeschoß des Fassadengiebels stammen
von 1864/65, als das Erdgeschoß umgebaut
wurde. Die Ausformung der Obergeschosse
mit der namengebenden Rose in der Fassa-
denmitte wird wegen ihrer formalen Ver-
wandtschaft mit dem Gewandhauswestgiebel
(s. Altstadtmarkt 1) dem Hildesheimer Bau-
meister Wolter zugeschrieben: Hier wie dort
ist das Giebeldreieck durch Gesimsbänder in
drei Geschosse unterteilt und an den Kontu-
ren mit Schweifwerk besetzt; auch die stich-
bogengewölbten Fensterrahmungen mitgoti-
sierendem Stabwerk sind nahezu identisch.
Auf der Giebelspitze trägt das in Sichtbezie-
hung zum Gewandhaus stehende „Haus zur
Rose“ eine Statue der Fortuna.
Zu den Bauten, die zumindest noch in ihrem
Kern dem 18. Jh. entstammen, gehören am

Kohlmarkt das bereits unter Hutfiltern 2 ge-
führte „Haus Leuenthurm“, das ihm gegen-
überliegende mehrfach umgebaute Wohn-
Geschäftshaus Kohlmarkt3-ein Eckhaus mit
Mansarddach und doppeltem Zwerchhausan
der Fassade zum Kohlmarkt - sowie Kohl-
markt 5 und 6, wobei die Fachwerksubstanz
bei Haus/Vr. 5durch eine um 1975vorgeblen-
dete Eternitfassade unkenntlich gemacht
wurde (z.Zt. Freilegung) und Haus Nr. 6
heute durch die historistische Neugestaltung
der Fassade von 1892 sowie durch moderne
Ladeneinbauten im Erdgeschoß geprägt wird.
Ebenfalls in die Gruppe der Bauten des 18.
Jh. gehören Kohlmarkt 18 und 19, zwei zwi-
schen 1791 und 1793 von Christian Gottlob
Langwagen errichtete Wohnhäuser.
An der Stelle, an der heute das 1777 fertigge-
stellte Haus Hutfiltern 2 steht, war im Mittelal-
ter die Grenze der Altstadt, markiertdurch das
1292 erwähnte Ulrichstor, das die Altstadt ge-
gen den Hutfiltern und die Okerniederung ab-
schloß. Als um 1400 der Rat der Stadt be-
schloß, als lebendes Wappentier in diesem
Turm einen Löwen zu halten, wurde er fortan

„Leuenthurm“ genannt und behielt diesen
Namen bis zu seinem Abbruch 1639 bei. Auf
diesen Punkt der Stadtgeschichte verweist
das Emblem mit Inschrift an dem heute an der
Stelle des ehemaligen Turmes stehenden
Wohn-/Geschäftshauses. Wohl ursprünglich
als reines Wohnhaus errichtet, wurde das ver-
putzte, dreigeschossige Fachwerkhaus
schon seit dem 19. Jh. im Erdgeschoß häufig
umgebaut. Als Cafe „Leuenthurm“ wird es
um 1880 erwähnt-spätere, immerwieder er-
neuerte Ladeneinbauten lösten die Architek-
tur des Erdgeschosses, das heute von Wer-
beträgern dominiert ist, vollständig auf. Erhal-
ten geblieben ist die Substanz der Oberge-
schosse mit zart profilierten Gesimsbrettern
und einem breitlagernden Zwerchhaus, das
zeitweilig von einer barocken Vase bekrönt
war.
Die beiden Langwagen-Bauten, Kohlmarkt
18 und 19 am Nordrand des Platzes, haben
1920 bzw. 1885 Fassadenumgestaltungen
erfahren. Ein gestalterisches Leitmotiv der
Langwagenschen Ausformung der beiden
Häuserfronten war die harmonische Überlei-


Kohlmarkt, Brunnen, 1868/69 von O. Sommer

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