Die im letzten Jahrzehnt des 19.Jh. bzw. zu
Beginn des 2O.Jh. im Stil der Neurenaissance
errichteten Putzbauten bzw. die durch den
Wechsel von rotem Backstein und hellen
Putzgliederungen charakterisierten Bauten im
Stil der niederländischen Renaissance wurden
vorzugsweise an den großen Geschäftsstraßen
errichtet (Am Sande 19, 1894; Grapengie-
ßerstraße 26, 1894, Nr. 42/43, 1905; Große
Bäckerstraße 22, 1896).
Der Anteil des historistisch orientierten Wohn-
baus in Lüneburg stellt nicht nur quantitativ und
qualitativ eine beachtliche Größe im Stadtbild
dar, sondern eröffnet in seinen differenzierten
stilistischen Spielarten einen Einblick in die
Rezeption und Wirkkraft der Hannoverschen
Schule. Alleine neun von dreizehn 1910 in
Lüneburg angesiedelten Architekten hatten ihre
Ausbildung in Hannover absolviert; sechs
davon waren außerdem Mitglied in der 1880
von C. W. Hase gegründeten Bauhütte „Zum
weißen Blatt“ (vgl. Rümelin, 2001, S. 46). Trotz
der Abbrüche mehrerer historistischer Groß-
bauten (Post- und Telegrafenamt, 1891-1972;
Synagoge 1892/94-1938; Strafgerichtsge-
bäude, 1882/83-1960; Bürgerschule, 1891—
1962) ist damit ein die Stadtbaugeschichte des
19.Jh. in einer bemerkenswerten Dichte kom-
plementierender Bautenkomplex neben der
spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Bau-
substanz überliefert. Mit dem Wasserturm, der
gleichsam als Kulminationspunkt dieser Bau-
phase seinen Platz in der Stadtsilhouette
behauptet, ist außerdem einer der wichtigsten
Architekten dieser Epoche, der Hase-Schüler
Franz Krüger, vertreten. In seinem Werk reflek-
tiert sich der Wandel von der historistischen
Architektur des 19.Jh. hin zur Reformar-
chitektur im 20.Jh. (z.B. Hindenburgstraße 22,
1907/08; Salzstraße am Wasser 1, 1911).
Vor dem Ersten Weltkrieg entstanden in Lüne-
burg noch einige Bauten jener architektoni-
schen Richtung der Reformbewegung, die sich
in ihrer künstlerischen Haltung bevorzugt der
Baukunst des ausgehenden 18.Jh., des Spät-
barock und des Frühklassizismus, verpflichtet
fühlten. Charakteristisch hierfür sind u.a. die
geschweiften Giebel, der z.B. das städtische
Eichamt Bei der St. Johanniskirche 11 charak-
terisiert. Weiterhin gehören in diesen stilisti-
schen Zusammenhang der Klinkerbau Bei der
Abtspferdetränke 1 (1913), der dreigeschossige
Ziegelbau Am Sande 32 (1909) und das Wohn/
Geschäftshaus Grapengießerstraße 9 (1914).
Einen bereits großstädtischen Anspruch trägt
das von dem Kieler Architekten E. Stoffers ent-
worfene Kaufhaus Grapengießerstraße 19
(1913/14) vor. Einen der qualitätvollsten Bauten
dieser Phase schuf der hannoversche Architekt
Karl Siebrecht mit dem 1912 erbauten Spar-
kassengebäude Auf dem Meere 1/2, das am
Marienplatz eine städtebauliche Dominante bil-
det.
Auch die in den 1920er Jahren entstandenen
Bauten orientieren sich überwiegend am Back-
steinrohbau, treten jedoch zahlenmäßig deut-
lich in den Hintergrund. Einen expressionisti-
schen und zugleich Motive lokaler historischer
Architektur interpretierenden Habitus nimmt
das Wohn-/Geschäftshaus Grapengießerstraße
50 (1928) ein. Nennenswert sind darüber hi-
naus die ebenfalls expressionistisch aufgefass-
ten Wohn-/Geschäftshäuser Am Berge 33a
(1926/27) und Grapengießerstraße 50 (1928)
sowie insbesondere, auch aufgrund seiner her-
vorragenden städtebaulichen Präsenz am Rei-
chenbachplatz, das Formen des traditionellen
lokalen Backsteinbaus einbeziehende Fern-
meldeamt von 1927/28 (Bardowicker Straße
23).
Größere bauliche Einschnitte in den Gesamt-
komplex der Altstadt fanden erst wieder nach
dem Zweiten Weltkrieg statt. Dabei drangen vor
allem an den großen Geschäftsstraßen ab der
2. Hälfte der 1960er Jahre Großbauten in den
Stadtkern ein. Errichtet wurden Kaufhäuser an
der Grapengießerstraße und am „Berge,“ Spar-
kassenbauten an der „Münze“ und am Markt,
ein Parkhaus am „Berge“ und die Nordlandhalle
am Südostrand der Altstadt. Für eines der
größten Kaufhausgebäude, das sich block-
übergreifend und mehrere Grundstücke umfas-
send unter Einbeziehung historischer Substanz
zwischen Heiligengeist- und Grapengießer-
straße erstreckt, wurde 1985 die Bauge-
nehmigung erteilt. Auf entsprechend stark in die
historische Parzellen- und Baustruktur eingrei-
fende Projekte wurde in der Folge verzichtet.
Zusammenfassung
Im Gegensatz zu anderen hansischen Städten
des Wendischen Quartiers wie Rostock,
Lübeck und Greifswald, wo vergleichsweise
große Verluste in der Architektur der altstädti-
schen Kerne durch Zerstörungen des Zweiten
Weltkrieges zu verzeichnen sind, konnte
Lüneburg weitgehend unbeschadet seine spät-
mittelalterliche bzw. frühneuzeitliche Bausubs-
tanz tradieren. Sowohl der Stadtgrundriss in
den Grenzen der ehemaligen Befestigung mit
dem spezifischen Straßennetz, dem Parzellie-
rungssystem der Baublöcke als auch die stadt-
bildprägenden Plätze, das Hafenbecken und
die großen Solitärbauten der Kirchen und des
Rathauses vermitteln bis in die Gegenwart hi-
nein wesentliche Elemente des historischen
Stadtgefüges. Trotz der insbesondere mit den
Senkungserscheinungen in Zusammenhang
stehenden Abbrüche ist neben den baulichen
Zeugnissen jüngerer Epochen ein reicher
Bestand spätmittelalterlicher und frühneuzeit-
licher Bürgerhäuser überliefert, deren Substanz
mit ihren nachfolgenden Veränderungen und
Bereicherungen nicht nur ein hoher bauge-
schichtlicher Dokumentationswert innewohnt.
In ihnen spiegelt sich Lüneburgs vor allen
Dingen auf dem Salzhandel begründete wirt-
schaftliche Potenz wie auch der damit verbun-
dene politische Status wider, dem Lüneburg
seine besondere Stellung im Wendischen
Quartier der Hanse verdankte. Durch die vielfäl-
tigen, sich nicht nur auf den Ost- und Nord-
seeraum beschränkenden Handelsbeziehun-
gen war Lüneburg in einen sich über Europa
ausdehnenden Kontext eingebunden. Der sich
in diesem Rahmen vollziehende Austausch kul-
tureller Leistungen, geistesgeschichtlicher An-
schauungen und technischer Kenntnisse fand
seinen Niederschlag in bestimmten Bauformen,
Ausstattungsdetails, Bildprogrammen usw.
Belege von hoher Aussagekraft, u.a. zu den
weitreichenden Lüneburger Handelsbeziehun-
gen, aber vor allem auch zu alltäglichen
Lebensbedingungen der Einwohner enthalten
die zahlreichen Funde der rund 60 untersuch-
ten Kloaken des 15. bis 18.Jh. Einbezogen in
das städtische Grundrisssystem ist somit auch
der städtische Untergrund, der darüber hinaus
als Bodendenkmal wesentliche kulturhistori-
sche Bedeutung beansprucht. Von künftigen
archäologischen Grabungen sind angesichts
bisher ausstehender wegweisender Erkennt-
nisse zur Siedlungsgenese weitere wertvolle
Aufschlüsse zur mittelalterlichen und jüngeren
Stadt- und Kulturgeschichte zu erwarten.
In Lüneburg entfaltet sich auf dem durch die
Befestigungsgrenzen festgelegten Grundriss
eine außergewöhnliche Dichte und Qualität der
bis ins Spätmittelalter zurückreichenden Bau-
substanz, die ihre Höhepunkte in den Kirchen
von St. Johannis, St. Michael, St. Nikolai und
dem Rathauskomplex findet. Im Bereich der
Profanarchitektur, der nicht allein durch das
Baumaterial „Ziegel“, sondern auch durch zahl-
reiche Fachwerkkonstruktionen geprägt ist, hat
sich im Verlauf der Jahrhunderte ein lokalspezi-
fischer Kanon unterschiedlicher Gebäudetypen,
architektonischer Einzelformen und vielfältigen
Dekors entwickelt, dem die heutige Stadt ihre
individuelle Physiognomie verdankt. Die im
Straßenbild sichtbaren baulichen und künstleri-
schen Vorstellungen der Renaissance, des Ba-
rock, des Klassizismus und Historismus sowie
jüngster Architekturströmungen bilden in ihrer
Zusammenschau, weit über städtebauliche und
bauhistorische Entwicklungen hinausgehend,
einen Reflex des städtischen Organismus mit
seinen unterschiedlichen wirtschaftlichen In-
teressen, rechtlichen Festlegungen und sozia-
len Stufungen. Ebenso wie das Nebeneinander
der verschiedenen Epochen vermögen die viel-
schichtigen historischen Überlagerungen, die
sich im einzelnen Gebäude aufgrund gewandel-
ter Nutzungen, Wohnbedürfnisse usw. verei-
nen, die Einzigartigkeit eines jeden Baudenk-
mals als nicht reproduzierbares Geschichtsdo-
kument ins Bewusstsein zu rufen. Die hier lie-
gende Fülle an Informationen zur künstlerischen
und architektonischen Gestaltung, zur Ausprä-
gung der Wohnkultur, zur Ausübung von
Handel und Gewerbe, zur handwerklichen
Technik und Tradition vergangener Epochen
bietet einen wichtigen Quellenfundus, den es zu
bewahren gilt. Lüneburgs Altstadt stellt daher in
ihrer durch Grund-, Aufriss- und Bebauungs-
struktur bestimmten Gesamtheit, die zusätzlich
durch große Solitärbauten sowie Platzräume
am Sand und am Markt bzw. die Situation am
Binnenhafen charakterisiert wird, ein kulturge-
schichtlich bedeutendes Stadtdenkmal dar.
142
Beginn des 2O.Jh. im Stil der Neurenaissance
errichteten Putzbauten bzw. die durch den
Wechsel von rotem Backstein und hellen
Putzgliederungen charakterisierten Bauten im
Stil der niederländischen Renaissance wurden
vorzugsweise an den großen Geschäftsstraßen
errichtet (Am Sande 19, 1894; Grapengie-
ßerstraße 26, 1894, Nr. 42/43, 1905; Große
Bäckerstraße 22, 1896).
Der Anteil des historistisch orientierten Wohn-
baus in Lüneburg stellt nicht nur quantitativ und
qualitativ eine beachtliche Größe im Stadtbild
dar, sondern eröffnet in seinen differenzierten
stilistischen Spielarten einen Einblick in die
Rezeption und Wirkkraft der Hannoverschen
Schule. Alleine neun von dreizehn 1910 in
Lüneburg angesiedelten Architekten hatten ihre
Ausbildung in Hannover absolviert; sechs
davon waren außerdem Mitglied in der 1880
von C. W. Hase gegründeten Bauhütte „Zum
weißen Blatt“ (vgl. Rümelin, 2001, S. 46). Trotz
der Abbrüche mehrerer historistischer Groß-
bauten (Post- und Telegrafenamt, 1891-1972;
Synagoge 1892/94-1938; Strafgerichtsge-
bäude, 1882/83-1960; Bürgerschule, 1891—
1962) ist damit ein die Stadtbaugeschichte des
19.Jh. in einer bemerkenswerten Dichte kom-
plementierender Bautenkomplex neben der
spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Bau-
substanz überliefert. Mit dem Wasserturm, der
gleichsam als Kulminationspunkt dieser Bau-
phase seinen Platz in der Stadtsilhouette
behauptet, ist außerdem einer der wichtigsten
Architekten dieser Epoche, der Hase-Schüler
Franz Krüger, vertreten. In seinem Werk reflek-
tiert sich der Wandel von der historistischen
Architektur des 19.Jh. hin zur Reformar-
chitektur im 20.Jh. (z.B. Hindenburgstraße 22,
1907/08; Salzstraße am Wasser 1, 1911).
Vor dem Ersten Weltkrieg entstanden in Lüne-
burg noch einige Bauten jener architektoni-
schen Richtung der Reformbewegung, die sich
in ihrer künstlerischen Haltung bevorzugt der
Baukunst des ausgehenden 18.Jh., des Spät-
barock und des Frühklassizismus, verpflichtet
fühlten. Charakteristisch hierfür sind u.a. die
geschweiften Giebel, der z.B. das städtische
Eichamt Bei der St. Johanniskirche 11 charak-
terisiert. Weiterhin gehören in diesen stilisti-
schen Zusammenhang der Klinkerbau Bei der
Abtspferdetränke 1 (1913), der dreigeschossige
Ziegelbau Am Sande 32 (1909) und das Wohn/
Geschäftshaus Grapengießerstraße 9 (1914).
Einen bereits großstädtischen Anspruch trägt
das von dem Kieler Architekten E. Stoffers ent-
worfene Kaufhaus Grapengießerstraße 19
(1913/14) vor. Einen der qualitätvollsten Bauten
dieser Phase schuf der hannoversche Architekt
Karl Siebrecht mit dem 1912 erbauten Spar-
kassengebäude Auf dem Meere 1/2, das am
Marienplatz eine städtebauliche Dominante bil-
det.
Auch die in den 1920er Jahren entstandenen
Bauten orientieren sich überwiegend am Back-
steinrohbau, treten jedoch zahlenmäßig deut-
lich in den Hintergrund. Einen expressionisti-
schen und zugleich Motive lokaler historischer
Architektur interpretierenden Habitus nimmt
das Wohn-/Geschäftshaus Grapengießerstraße
50 (1928) ein. Nennenswert sind darüber hi-
naus die ebenfalls expressionistisch aufgefass-
ten Wohn-/Geschäftshäuser Am Berge 33a
(1926/27) und Grapengießerstraße 50 (1928)
sowie insbesondere, auch aufgrund seiner her-
vorragenden städtebaulichen Präsenz am Rei-
chenbachplatz, das Formen des traditionellen
lokalen Backsteinbaus einbeziehende Fern-
meldeamt von 1927/28 (Bardowicker Straße
23).
Größere bauliche Einschnitte in den Gesamt-
komplex der Altstadt fanden erst wieder nach
dem Zweiten Weltkrieg statt. Dabei drangen vor
allem an den großen Geschäftsstraßen ab der
2. Hälfte der 1960er Jahre Großbauten in den
Stadtkern ein. Errichtet wurden Kaufhäuser an
der Grapengießerstraße und am „Berge,“ Spar-
kassenbauten an der „Münze“ und am Markt,
ein Parkhaus am „Berge“ und die Nordlandhalle
am Südostrand der Altstadt. Für eines der
größten Kaufhausgebäude, das sich block-
übergreifend und mehrere Grundstücke umfas-
send unter Einbeziehung historischer Substanz
zwischen Heiligengeist- und Grapengießer-
straße erstreckt, wurde 1985 die Bauge-
nehmigung erteilt. Auf entsprechend stark in die
historische Parzellen- und Baustruktur eingrei-
fende Projekte wurde in der Folge verzichtet.
Zusammenfassung
Im Gegensatz zu anderen hansischen Städten
des Wendischen Quartiers wie Rostock,
Lübeck und Greifswald, wo vergleichsweise
große Verluste in der Architektur der altstädti-
schen Kerne durch Zerstörungen des Zweiten
Weltkrieges zu verzeichnen sind, konnte
Lüneburg weitgehend unbeschadet seine spät-
mittelalterliche bzw. frühneuzeitliche Bausubs-
tanz tradieren. Sowohl der Stadtgrundriss in
den Grenzen der ehemaligen Befestigung mit
dem spezifischen Straßennetz, dem Parzellie-
rungssystem der Baublöcke als auch die stadt-
bildprägenden Plätze, das Hafenbecken und
die großen Solitärbauten der Kirchen und des
Rathauses vermitteln bis in die Gegenwart hi-
nein wesentliche Elemente des historischen
Stadtgefüges. Trotz der insbesondere mit den
Senkungserscheinungen in Zusammenhang
stehenden Abbrüche ist neben den baulichen
Zeugnissen jüngerer Epochen ein reicher
Bestand spätmittelalterlicher und frühneuzeit-
licher Bürgerhäuser überliefert, deren Substanz
mit ihren nachfolgenden Veränderungen und
Bereicherungen nicht nur ein hoher bauge-
schichtlicher Dokumentationswert innewohnt.
In ihnen spiegelt sich Lüneburgs vor allen
Dingen auf dem Salzhandel begründete wirt-
schaftliche Potenz wie auch der damit verbun-
dene politische Status wider, dem Lüneburg
seine besondere Stellung im Wendischen
Quartier der Hanse verdankte. Durch die vielfäl-
tigen, sich nicht nur auf den Ost- und Nord-
seeraum beschränkenden Handelsbeziehun-
gen war Lüneburg in einen sich über Europa
ausdehnenden Kontext eingebunden. Der sich
in diesem Rahmen vollziehende Austausch kul-
tureller Leistungen, geistesgeschichtlicher An-
schauungen und technischer Kenntnisse fand
seinen Niederschlag in bestimmten Bauformen,
Ausstattungsdetails, Bildprogrammen usw.
Belege von hoher Aussagekraft, u.a. zu den
weitreichenden Lüneburger Handelsbeziehun-
gen, aber vor allem auch zu alltäglichen
Lebensbedingungen der Einwohner enthalten
die zahlreichen Funde der rund 60 untersuch-
ten Kloaken des 15. bis 18.Jh. Einbezogen in
das städtische Grundrisssystem ist somit auch
der städtische Untergrund, der darüber hinaus
als Bodendenkmal wesentliche kulturhistori-
sche Bedeutung beansprucht. Von künftigen
archäologischen Grabungen sind angesichts
bisher ausstehender wegweisender Erkennt-
nisse zur Siedlungsgenese weitere wertvolle
Aufschlüsse zur mittelalterlichen und jüngeren
Stadt- und Kulturgeschichte zu erwarten.
In Lüneburg entfaltet sich auf dem durch die
Befestigungsgrenzen festgelegten Grundriss
eine außergewöhnliche Dichte und Qualität der
bis ins Spätmittelalter zurückreichenden Bau-
substanz, die ihre Höhepunkte in den Kirchen
von St. Johannis, St. Michael, St. Nikolai und
dem Rathauskomplex findet. Im Bereich der
Profanarchitektur, der nicht allein durch das
Baumaterial „Ziegel“, sondern auch durch zahl-
reiche Fachwerkkonstruktionen geprägt ist, hat
sich im Verlauf der Jahrhunderte ein lokalspezi-
fischer Kanon unterschiedlicher Gebäudetypen,
architektonischer Einzelformen und vielfältigen
Dekors entwickelt, dem die heutige Stadt ihre
individuelle Physiognomie verdankt. Die im
Straßenbild sichtbaren baulichen und künstleri-
schen Vorstellungen der Renaissance, des Ba-
rock, des Klassizismus und Historismus sowie
jüngster Architekturströmungen bilden in ihrer
Zusammenschau, weit über städtebauliche und
bauhistorische Entwicklungen hinausgehend,
einen Reflex des städtischen Organismus mit
seinen unterschiedlichen wirtschaftlichen In-
teressen, rechtlichen Festlegungen und sozia-
len Stufungen. Ebenso wie das Nebeneinander
der verschiedenen Epochen vermögen die viel-
schichtigen historischen Überlagerungen, die
sich im einzelnen Gebäude aufgrund gewandel-
ter Nutzungen, Wohnbedürfnisse usw. verei-
nen, die Einzigartigkeit eines jeden Baudenk-
mals als nicht reproduzierbares Geschichtsdo-
kument ins Bewusstsein zu rufen. Die hier lie-
gende Fülle an Informationen zur künstlerischen
und architektonischen Gestaltung, zur Ausprä-
gung der Wohnkultur, zur Ausübung von
Handel und Gewerbe, zur handwerklichen
Technik und Tradition vergangener Epochen
bietet einen wichtigen Quellenfundus, den es zu
bewahren gilt. Lüneburgs Altstadt stellt daher in
ihrer durch Grund-, Aufriss- und Bebauungs-
struktur bestimmten Gesamtheit, die zusätzlich
durch große Solitärbauten sowie Platzräume
am Sand und am Markt bzw. die Situation am
Binnenhafen charakterisiert wird, ein kulturge-
schichtlich bedeutendes Stadtdenkmal dar.
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