len dar, in denen sich die Lebenswelt des Lüne-
burger Bürgertums des 15. bis 17.Jh. in ihrem
kunst- und kulturhistorischen Kontext nachvoll-
ziehen lässt.
Die Neubautätigkeit im 17.Jh., einer Zeit des
wirtschaftlichen Abstiegs der Saline und der
Entvölkerung der Stadt während des Dreißig-
jährigen Krieges, war nur gering. Wenn größere
Gebäude entstanden, wurde nun auch ver-
mehrt zur Straßenseite hin anstatt des Back-
steins eine Holzkonstruktion gewählt, während
in der vorhergehenden Epoche Fachwerkkons-
truktionen vor allem auf rückwärtige Giebel
bzw. die Obergeschosse der Hof- und Rückflü-
gel beschränkt waren. Als Beispiele seien ge-
nannt das giebelständige Haus Grapengießer-
straße 13 von 1636d und das vergleichsweise
aufwändig ausgeführte traufständige Fachwerk-
haus Beim Benedikt Nr. 3 von 1633d. Umbau-
ten am Außenbau geben sich in dieser Epoche
oft durch inschriftliche Datierungen zu erken-
nen, so stammen das Fachwerkobergeschoss
des Traufenhauses Am Sande 30 von 1608, die
Zwerchhäuser der Gebäude Am Sande 40 und
Nr. 41/42 von 1642 bzw. 1663. Laut dendro-
chronologischer Untersuchung entstanden das
Fachwerkobergeschoss des Hauses Auf dem
Meere 11 1672d und der in Lüneburg einzig-
artige Volutengiebel des ebenfalls giebelstän-
digen Gebäudes Auf dem Meere 10 wohl 1694.
Der Schwerpunkt der Bautätigkeit im 17./
18.Jh. lag hauptsächlich, bedingt durch die
Anpassung an neue Lebensweisen, im Umbau
des Inneren, das man den sich zunehmend dif-
ferenzierenden Wohnansprüchen bzw. der
funktionalen Entmischung durch raumstruktu-
relle Umorganisationen anzugleichen suchte.
Kennzeichnend dafür ist u.a. die Anlage neuer
Treppen anstelle der bisherigen Wendeltrep-
pen. Im Bereich der Raumdekoration treten
neben den Deckenmalereien zunehmend Stu-
ckierungen auf, und die Wände werden mit
bemalten Textilbespannungen geschmückt.
Vereinheitlichend erhielten die Fassaden regel-
mäßig angeordnete Rechtecköffnungen, hinter
denen sich die innere Disposition verbirgt. In
Übereinstimmung mit zeittypischen Gestal-
tungsmodi passte man häufig auch die Gie-
belform den neuen Vorstellungen an und er-
setzte z.B. frühere Staffelgiebel durch Volu-
tengiebel (z.B. Am Sande 3, 11, 16, 22, 27; Am
Berge 1, Grapengießerstraße 8, 32; Große Bä-
ckerstraße 18; Kleine Bäckerstraße 16, 18;
Untere Schrangenstraße 4, 13) bzw. zuneh-
mend durch Dreieckgiebel mit Fußstaffeln und
Bekrönung. Für die in hoher Zahl im 18.Jh. vor-
handenen Ausluchten werden ab der 2. Hälfte
des 18.Jh. in größerer Zahl Abbruchanträge
gestellt.
Führt die Bausubstanz des 18. Jh. einerseits die
Tradition des Ziegelrohbaus fort, so hält ande-
rerseits der Putzbau Einzug in das Stadtbild,
den am prominentesten der herzogliche Wit-
wensitz am Markt (Nr. 7, 1696-1700), die
gegenüberliegende Rathausfront (1720, Am
Markt 1) und das Kaufhaus am llmenauhafen
(1741-43, Kaufhausstraße 5) vertreten, der
aber ebenso bei dem Patrizieranwesen Neue
Sülze 26 (1711) aufgegriffen wird. Gleichzeitig
begegnet eine vor allem über Hamburg ver-
mittelte, klassizistisch bestimmte Barockarchi-
tektur in Backsteinrohbau, wie sie qualitätvoll
z.B. das Haus Görgesstraße 19 von 1716
repräsentiert. Als bevorzugter Bautyp tritt dabei
nun das traufständig orientierte Gebäude her-
vor, das sich durch eine mittige Betonung der
Fassade, sei es durch einen giebelbekrönten
Risalit oder ein Zwerchhaus, auszeichnet.
Glatte Flächen und nur leicht reliefierende
Gliederungselemente bilden den zurückhalten-
den Gestaltungsmodus dieser Gebäude, die in
der Regel mit einem kräftigen hölzernen
Traufgesims abschließen.
Den Fortbestand des Backsteinrohbaus gegen
Ende des 18.Jh. in einer frühklassizistischen
Stilphase, dokumentieren z.B. die so genann-
ten Pastorenhäuser (Bei der St. Johanniskirche
2-4, 1784-80) und das Benedikt-Hospital
(1787, Beim Benedikt 1). Insgesamt werden in
dieser Zeit aber auch die Fassaden zunehmend
geschlämmt und verputzt, eine Tendenz, die
sich an den nun vielfach klassizistisch überar-
beiteten Fassaden in der 1. Hälfte des 19.Jh.
weiterverfolgen lässt. Bisweilen werden den
spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Bau-
ten völlig neue Fassaden in regelmäßiger,
blockhafter Erscheinung unter einem flachen
Dreieckgiebel vorgeblendet (Am Markt 4, 1832;
An den Brodbänken 1, 1832; Am Berge 3). Die
Errichtung von Neubauten blieb in jener Zeit auf
wenige beschränkt (z.B. die Fachwerkwohn-
häuser Am Berge 34, 1819; Bardowicker
Straße 21, 1821; Egersdorffstraße 4).
Zu den bemerkenswerten architektonischen
Leistungen zählen um die Mitte des 19.Jh. zwei
öffentliche Gebäude. In der Landdrostei (1844-
49, Am Ochsenmarkt 3), die in einer Variante
der frühen Neugotik den an der englischen
Tudor-Gotik orientierten Castle-Style repräsen-
tiert, deutet sich bereits die Rückkehr des
Ziegelrohbaus an. Er etablierte sich in der 2.
Hälfte des 19.Jh. durch die Einflussnahme der
Architektur der Hannoverschen Schule, die ihre
Wirkung auf das lüneburgische Baugeschehen,
zumal zahlreiche Lüneburger Architekten dort
ausgebildet wurden, etwa bis 1910 ausübte.
Zunächst finden noch Elemente des Rundbo-
genstils Verwendung, wie am Bau des Amtsge-
richts (Auf dem Michaeliskloster 8, 1857-60),
der mit Elementen des englischen Perpendi-
cular Style, wie den aus dem Burgenbau stam-
menden erkerähnlichen Ecktürmchen, kombi-
niert wird. Im Privatbau demonstriert das mit
gelbem Backstein verblendete Lagerhaus des
Hofweinhändlers Frederich an der Münzstraße
(Nr. 5, 1864) diese stilistische Variante in groß
dimensionierter Kubatur. An einigen der weni-
gen Wohnhäuser dieser Periode lassen sich
vergleichbare Gestaltungsmerkmale erkennen,
auch wenn diese Putzbauten im Wesentlichen
noch einer klassizistischen Haltung verpflichtet
sind (Auf dem Kauf 15; Auf dem Meere 4, beide
1851; Bei der St. Johanniskirche 5, 1863; Bei
der St. Johanniskirche 6, 1866).
Den ersten nachmittelalterlichen neugotischen
Bau hatte bereits 1827 der damalige kommis-
sarische Stadtbaumeister J. A. D. Spetzler mit
der Kapelle auf dem St. Antoni-Friedhof ge-
schaffen. Für die Ausbreitung der neugotischen
Architektur bilden die Restaurierungsmaßnah-
men an St. Johannis, vor allem aber an St.
Nikolai eine Initialisierung, insbesondere nach-
dem C. W. Hase zwischen 1859-1864 selbst in
Lüneburg tätig geworden war. So entstehen
unter dem Hase- Schüler und Stadtbaumeister
E. F. A. Maske mehrere Großbauten wie die
Heiligengeistschule in der Heiligengeiststraße
(1867-1869), der Erweiterungsbau der Heili-
gengeistschule II an der Katzenstraße (1877/
78) und die neue Bürgerschule (1888/89) an
der Ecke Katzenstraße/Neue Sülze unter
Verwendung neugotischen Formenrepertoires.
Im bürgerlichen Hausbau des Altstadtkerns
werden neugotische Fassaden im Rahmen von
Umbauten geschaffen (z.B. Am Sande 9, 1859;
Große Bäckerstraße 15, 1860; Grapengießer-
straße 3, um 1860). Als herausragender Ver-
treter der neugotischen Hannoverschen Schu-
le, deren Architekturauffassung sich in größe-
rem Umfang erst in den ab den 1870er Jahren
errichteten Neubauten der Stadterweiterungen
niederschlägt, kann das sorgfältig detaillierte
und aufwändig mit glasierten Formsteinen aus-
gestattete Wohnhaus Wallstraße 3 gelten, das
der Architekt Adolf Narten zusammen mit sei-
nem Bruder Werner Narten und E. A. F. Maske
realisierte (zum historistischen Wohnbau, auch
der Stadterweiterungsgebiete, vgl. den aus-
führlichen Beitrag von Rümelin in: Preuß, 2001).
Gegen Ende des 19.Jh., in der Ära des
Stadtbaumeisters Richard Kampf (1890-1919),
setzt sich die Neugotik mit markanten Archi-
tekturen durch. Sie heben sich von der umge-
benden historischen Architektur durch ihre
Kubatur und Proportion ebenso deutlich ab wie
durch üppigen Bauschmuck, bereichert durch
polychrome Form- und Ornamentsteine (z.B.
Am Markt 6, 1895; Große Bäckerstraße 29,
1897, Gebr. Matthies; An den Brodbänken 12,
1900, W. Matthies). Die bereits bei diesen
Bauten erkennbare Tendenz, sich an lokalen
historischen Vorbildern zu orientieren, lässt sich
gleichermaßen bei den von Richard Kampf ent-
worfenen Gebäuden, u.a. der landwirtschaftli-
che Winterschule (um 1894, Neue Sülze 29)
und dem Archivneubau des Rathauses (1899)
beobachten. Sie markieren den Übergang zu
einer Entwicklungslinie, die sich im Sinne der
Heimatschutzbewegung für die Bewahrung der
überlieferten Architektur und einer ihr ange-
passten Neubautätigkeit engagierte. Unter ähn-
lichen Vorzeichen scheinen z.B. die Am Sande
aufgeführten Neubauten Nr. 49 (1901/02), Nr.
14/15 (1907), Nr. 4 und Grapengießerstraße 4
(beide 1908) geplant worden zu sein, da sie
Prinzipien der lokalen spätgotischen Giebelge-
staltung anwenden.
Den so genannten Heimatstil greifen mehrere
Architekten auf, indem sie der heimischen Re-
naissancearchitektur Formen entleihen und
ornamentierte Fachwerkteile integrieren. Als
Vertreter dieser Auffassung sei Hermann Matt-
hies genannt (Untere Schrangenstraße 12,1906;
Am Stintmarkt 12a, 1908), der vor allem mit sei-
nen im Detail präzise und der Großform impo-
sant ausgeführten Eckgebäuden (Altenbrücker-
torstraße 5/6,1907; Heiligengeiststraße 27, Rote
Straße 7, beide 1908) einprägsame Merkzeichen
setzte. Etwas zurückhaltender sind die von dem
Zimmermeister F. Havemann (Untere Schran-
genstraße 14, 1905) und Maurermeister O.
Püschel überlieferten Bauten Auf der Altstadt 8
(1904i) und Nr. 26 (1907i) instrumentiert.
141
burger Bürgertums des 15. bis 17.Jh. in ihrem
kunst- und kulturhistorischen Kontext nachvoll-
ziehen lässt.
Die Neubautätigkeit im 17.Jh., einer Zeit des
wirtschaftlichen Abstiegs der Saline und der
Entvölkerung der Stadt während des Dreißig-
jährigen Krieges, war nur gering. Wenn größere
Gebäude entstanden, wurde nun auch ver-
mehrt zur Straßenseite hin anstatt des Back-
steins eine Holzkonstruktion gewählt, während
in der vorhergehenden Epoche Fachwerkkons-
truktionen vor allem auf rückwärtige Giebel
bzw. die Obergeschosse der Hof- und Rückflü-
gel beschränkt waren. Als Beispiele seien ge-
nannt das giebelständige Haus Grapengießer-
straße 13 von 1636d und das vergleichsweise
aufwändig ausgeführte traufständige Fachwerk-
haus Beim Benedikt Nr. 3 von 1633d. Umbau-
ten am Außenbau geben sich in dieser Epoche
oft durch inschriftliche Datierungen zu erken-
nen, so stammen das Fachwerkobergeschoss
des Traufenhauses Am Sande 30 von 1608, die
Zwerchhäuser der Gebäude Am Sande 40 und
Nr. 41/42 von 1642 bzw. 1663. Laut dendro-
chronologischer Untersuchung entstanden das
Fachwerkobergeschoss des Hauses Auf dem
Meere 11 1672d und der in Lüneburg einzig-
artige Volutengiebel des ebenfalls giebelstän-
digen Gebäudes Auf dem Meere 10 wohl 1694.
Der Schwerpunkt der Bautätigkeit im 17./
18.Jh. lag hauptsächlich, bedingt durch die
Anpassung an neue Lebensweisen, im Umbau
des Inneren, das man den sich zunehmend dif-
ferenzierenden Wohnansprüchen bzw. der
funktionalen Entmischung durch raumstruktu-
relle Umorganisationen anzugleichen suchte.
Kennzeichnend dafür ist u.a. die Anlage neuer
Treppen anstelle der bisherigen Wendeltrep-
pen. Im Bereich der Raumdekoration treten
neben den Deckenmalereien zunehmend Stu-
ckierungen auf, und die Wände werden mit
bemalten Textilbespannungen geschmückt.
Vereinheitlichend erhielten die Fassaden regel-
mäßig angeordnete Rechtecköffnungen, hinter
denen sich die innere Disposition verbirgt. In
Übereinstimmung mit zeittypischen Gestal-
tungsmodi passte man häufig auch die Gie-
belform den neuen Vorstellungen an und er-
setzte z.B. frühere Staffelgiebel durch Volu-
tengiebel (z.B. Am Sande 3, 11, 16, 22, 27; Am
Berge 1, Grapengießerstraße 8, 32; Große Bä-
ckerstraße 18; Kleine Bäckerstraße 16, 18;
Untere Schrangenstraße 4, 13) bzw. zuneh-
mend durch Dreieckgiebel mit Fußstaffeln und
Bekrönung. Für die in hoher Zahl im 18.Jh. vor-
handenen Ausluchten werden ab der 2. Hälfte
des 18.Jh. in größerer Zahl Abbruchanträge
gestellt.
Führt die Bausubstanz des 18. Jh. einerseits die
Tradition des Ziegelrohbaus fort, so hält ande-
rerseits der Putzbau Einzug in das Stadtbild,
den am prominentesten der herzogliche Wit-
wensitz am Markt (Nr. 7, 1696-1700), die
gegenüberliegende Rathausfront (1720, Am
Markt 1) und das Kaufhaus am llmenauhafen
(1741-43, Kaufhausstraße 5) vertreten, der
aber ebenso bei dem Patrizieranwesen Neue
Sülze 26 (1711) aufgegriffen wird. Gleichzeitig
begegnet eine vor allem über Hamburg ver-
mittelte, klassizistisch bestimmte Barockarchi-
tektur in Backsteinrohbau, wie sie qualitätvoll
z.B. das Haus Görgesstraße 19 von 1716
repräsentiert. Als bevorzugter Bautyp tritt dabei
nun das traufständig orientierte Gebäude her-
vor, das sich durch eine mittige Betonung der
Fassade, sei es durch einen giebelbekrönten
Risalit oder ein Zwerchhaus, auszeichnet.
Glatte Flächen und nur leicht reliefierende
Gliederungselemente bilden den zurückhalten-
den Gestaltungsmodus dieser Gebäude, die in
der Regel mit einem kräftigen hölzernen
Traufgesims abschließen.
Den Fortbestand des Backsteinrohbaus gegen
Ende des 18.Jh. in einer frühklassizistischen
Stilphase, dokumentieren z.B. die so genann-
ten Pastorenhäuser (Bei der St. Johanniskirche
2-4, 1784-80) und das Benedikt-Hospital
(1787, Beim Benedikt 1). Insgesamt werden in
dieser Zeit aber auch die Fassaden zunehmend
geschlämmt und verputzt, eine Tendenz, die
sich an den nun vielfach klassizistisch überar-
beiteten Fassaden in der 1. Hälfte des 19.Jh.
weiterverfolgen lässt. Bisweilen werden den
spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Bau-
ten völlig neue Fassaden in regelmäßiger,
blockhafter Erscheinung unter einem flachen
Dreieckgiebel vorgeblendet (Am Markt 4, 1832;
An den Brodbänken 1, 1832; Am Berge 3). Die
Errichtung von Neubauten blieb in jener Zeit auf
wenige beschränkt (z.B. die Fachwerkwohn-
häuser Am Berge 34, 1819; Bardowicker
Straße 21, 1821; Egersdorffstraße 4).
Zu den bemerkenswerten architektonischen
Leistungen zählen um die Mitte des 19.Jh. zwei
öffentliche Gebäude. In der Landdrostei (1844-
49, Am Ochsenmarkt 3), die in einer Variante
der frühen Neugotik den an der englischen
Tudor-Gotik orientierten Castle-Style repräsen-
tiert, deutet sich bereits die Rückkehr des
Ziegelrohbaus an. Er etablierte sich in der 2.
Hälfte des 19.Jh. durch die Einflussnahme der
Architektur der Hannoverschen Schule, die ihre
Wirkung auf das lüneburgische Baugeschehen,
zumal zahlreiche Lüneburger Architekten dort
ausgebildet wurden, etwa bis 1910 ausübte.
Zunächst finden noch Elemente des Rundbo-
genstils Verwendung, wie am Bau des Amtsge-
richts (Auf dem Michaeliskloster 8, 1857-60),
der mit Elementen des englischen Perpendi-
cular Style, wie den aus dem Burgenbau stam-
menden erkerähnlichen Ecktürmchen, kombi-
niert wird. Im Privatbau demonstriert das mit
gelbem Backstein verblendete Lagerhaus des
Hofweinhändlers Frederich an der Münzstraße
(Nr. 5, 1864) diese stilistische Variante in groß
dimensionierter Kubatur. An einigen der weni-
gen Wohnhäuser dieser Periode lassen sich
vergleichbare Gestaltungsmerkmale erkennen,
auch wenn diese Putzbauten im Wesentlichen
noch einer klassizistischen Haltung verpflichtet
sind (Auf dem Kauf 15; Auf dem Meere 4, beide
1851; Bei der St. Johanniskirche 5, 1863; Bei
der St. Johanniskirche 6, 1866).
Den ersten nachmittelalterlichen neugotischen
Bau hatte bereits 1827 der damalige kommis-
sarische Stadtbaumeister J. A. D. Spetzler mit
der Kapelle auf dem St. Antoni-Friedhof ge-
schaffen. Für die Ausbreitung der neugotischen
Architektur bilden die Restaurierungsmaßnah-
men an St. Johannis, vor allem aber an St.
Nikolai eine Initialisierung, insbesondere nach-
dem C. W. Hase zwischen 1859-1864 selbst in
Lüneburg tätig geworden war. So entstehen
unter dem Hase- Schüler und Stadtbaumeister
E. F. A. Maske mehrere Großbauten wie die
Heiligengeistschule in der Heiligengeiststraße
(1867-1869), der Erweiterungsbau der Heili-
gengeistschule II an der Katzenstraße (1877/
78) und die neue Bürgerschule (1888/89) an
der Ecke Katzenstraße/Neue Sülze unter
Verwendung neugotischen Formenrepertoires.
Im bürgerlichen Hausbau des Altstadtkerns
werden neugotische Fassaden im Rahmen von
Umbauten geschaffen (z.B. Am Sande 9, 1859;
Große Bäckerstraße 15, 1860; Grapengießer-
straße 3, um 1860). Als herausragender Ver-
treter der neugotischen Hannoverschen Schu-
le, deren Architekturauffassung sich in größe-
rem Umfang erst in den ab den 1870er Jahren
errichteten Neubauten der Stadterweiterungen
niederschlägt, kann das sorgfältig detaillierte
und aufwändig mit glasierten Formsteinen aus-
gestattete Wohnhaus Wallstraße 3 gelten, das
der Architekt Adolf Narten zusammen mit sei-
nem Bruder Werner Narten und E. A. F. Maske
realisierte (zum historistischen Wohnbau, auch
der Stadterweiterungsgebiete, vgl. den aus-
führlichen Beitrag von Rümelin in: Preuß, 2001).
Gegen Ende des 19.Jh., in der Ära des
Stadtbaumeisters Richard Kampf (1890-1919),
setzt sich die Neugotik mit markanten Archi-
tekturen durch. Sie heben sich von der umge-
benden historischen Architektur durch ihre
Kubatur und Proportion ebenso deutlich ab wie
durch üppigen Bauschmuck, bereichert durch
polychrome Form- und Ornamentsteine (z.B.
Am Markt 6, 1895; Große Bäckerstraße 29,
1897, Gebr. Matthies; An den Brodbänken 12,
1900, W. Matthies). Die bereits bei diesen
Bauten erkennbare Tendenz, sich an lokalen
historischen Vorbildern zu orientieren, lässt sich
gleichermaßen bei den von Richard Kampf ent-
worfenen Gebäuden, u.a. der landwirtschaftli-
che Winterschule (um 1894, Neue Sülze 29)
und dem Archivneubau des Rathauses (1899)
beobachten. Sie markieren den Übergang zu
einer Entwicklungslinie, die sich im Sinne der
Heimatschutzbewegung für die Bewahrung der
überlieferten Architektur und einer ihr ange-
passten Neubautätigkeit engagierte. Unter ähn-
lichen Vorzeichen scheinen z.B. die Am Sande
aufgeführten Neubauten Nr. 49 (1901/02), Nr.
14/15 (1907), Nr. 4 und Grapengießerstraße 4
(beide 1908) geplant worden zu sein, da sie
Prinzipien der lokalen spätgotischen Giebelge-
staltung anwenden.
Den so genannten Heimatstil greifen mehrere
Architekten auf, indem sie der heimischen Re-
naissancearchitektur Formen entleihen und
ornamentierte Fachwerkteile integrieren. Als
Vertreter dieser Auffassung sei Hermann Matt-
hies genannt (Untere Schrangenstraße 12,1906;
Am Stintmarkt 12a, 1908), der vor allem mit sei-
nen im Detail präzise und der Großform impo-
sant ausgeführten Eckgebäuden (Altenbrücker-
torstraße 5/6,1907; Heiligengeiststraße 27, Rote
Straße 7, beide 1908) einprägsame Merkzeichen
setzte. Etwas zurückhaltender sind die von dem
Zimmermeister F. Havemann (Untere Schran-
genstraße 14, 1905) und Maurermeister O.
Püschel überlieferten Bauten Auf der Altstadt 8
(1904i) und Nr. 26 (1907i) instrumentiert.
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