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Rüttgerodt-Riechmann, Ilse [Editor]
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 5,1): Landkreis Göttingen: Stadt Göttingen — Braunschweig, 1982

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https://doi.org/10.11588/diglit.44170#0095
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freistehenden Zweifamilienhäusern mit Vor-
gärten. Gerade an der Wöhlerstraße wird
deutlich, daß die aktuelle „Mode” in Göttin-
gen zu verklinkerten, meist gelblich oder
weißlich eingefärbten Fassaden tendierte.
An der Westseite der Bühlstraße stellt sich
das Bild nicht ganz so einheitlich dar; hier
stehen Putzbauten mit renaissancistisch/
spätklassizistischen Elementen neben vil-
lenähnlichen Klinkergebäuden und an-
spruchsloseren Wohnhäusern mit Fachwerk
und Ziegelausfachung. In ihrer Nachbar-
schaft entstanden - wenn auch seltener als
in den sechziger und siebziger Jahren -
ebenfalls Natursteinbauten, als Beispiele
mögen Bühlstraße 13 und 19 dienen, die
beide aus den Jahren um 1890 stammen. Nr.
13 besitzt einen kubischen, zweigeschossi-
gen Baukörpermit Sandsteinsockel undvor-
gelagerter Terrasse und Sandsteingliede-
rung am Tuffsteinmauerwerk. Auffällig sind
die Rustika des Sockels, die an den Haus-
kanten einzeln gesetzten Ortquadern z. T.
mit Diamantschnitt, das renaissancistische
Traufgesims, die Fenstereinfassungen am
Erdgeschoß mit betonten Entlastungsbö-
gen, Schlußstein und dekoriertem Bogen-
feld und die besondere Gestalt der Dach-
häuschen. Diese Details fußen weniger auf
dem Formengut der italienischen Renais-
sance als auf jenem des Manierismus. Deut-
lich wird auch, daß neue Dachformen - in
diesem Fall ein mit Schieferdeckung ver-
sehenes abgeflachtes Walmdach - die her-
kömmlichen Dachformen zum Teil verdräng-
ten.
Nr. 19 ist ein anspruchsvolles Mehrfamilien-
haus mit giebelständigem Seitenrisalit und
gleichbreitem traufständigem Teil unter
Walmdach. Auch hier tauchten im spieleri-
schen Umgang mit traditionellen Details Ele-
mente des Manierismus auf. Die Bogenfel-
der enthalten ein symmetrisches, im Kratz-
putz ausgeführtes Ornament, das auch an
anderen Gebäuden an entsprechender
Stelle Verwendung fand.
Auf der Ostseite der Bühlstraße standen
bereits ältere Fachwerk- und Ziegelbauten,
als man in den achtziger Jahren mit der Auf-
siedlung begann, die erst um 1904 beendet
war. Am südlichen Abschnitt folgt auf Bühl-
straße 2 (s. o.) eine Gruppe von verklinker-
ten Mietwohnhäusern aus derzeit zwischen
ca. 1885 und 1898 (Nr. 4-12), die ebenfalls
an herkömmlich symmetrischen Fassaden
mit giebelständigem Mittelrisalit Naturstein-
schmuckformen im Stil der Weserrenais-
sance mit strengeren Renaissance-Elemen-
ten verquicken. Besonders reich ausgestat-
tet ist Nr. 4, datiert 1897, das außerdem an
der Seitenfassade eine reizende, zweistök-
kige „Veranda” in Stein- und Holzausführung
besitzt. Die Strömungen der Zeit um 1900,
den Baukörper durch Vor- und Anbauten
und das Dach durch unterschiedliche Giebel
u. ä. zu beleben, ebenso die Vorliebe für
Betonung der Ecksituation durch turmähn-
liche Vorbauten mit hohem Helm (vgl. z. B.
Nikolausberger Weg 49, Wilhelm-Weber-
Straße 33, Friedländer Weg 63, Am Steins-
graben 8) schlagen sich an dem Eckhaus Nr.
12 nieder, das im übrigen konservative
Schmuckformen zeigt.

Am nördlichen Abschnitt der Ostseite der
Bühlstraße überwiegen größere Mietwohn-
häuser und zweigeschossige Doppelhäuser
mit ausgebautem Dach - diese im Ostviertel
sonst selten. Dazwischen steht ein Zweifa-
milienhaus (Bühlstraße 36, erbaut ca. 1886),
das durch charakteristisch dekorative
Gestaltung der Fassaden mit „Bänderru-
stika” am Natursteinsockel, „buntes” Klin-
kermauerwerk und ornamental-geometri-
sches Fachwerk auffällt.

Wilhelm-Weber-Straße und Hermann-Föge-
Weg
Von den späten achtziger Jahren bis ca. 1910
entstand die Bebauung der vom Botani-
schen Garten direkt nach Osten zum
Düstere Eichen Weg hinaufführenden Wil-
helm-Weber-Straße; dazwischen finden sich
allerdings auch einige wenige neuere Bau-
ten, von denen als städtebaulich wichtigster
und architektonisch interessantester der
Bau der katholischen St. Paulus-Kirche
durch seine Größe und seinen hohen Turm
dominiert. Die Kirche wurde nach Plänen
des Architekten Weihag 1928/29 (Weihe am
21.7.1929) in Kalkstein-Bossenmauerwerk


Wilhelm-Weber-Straße 36, Architekt
L. Schoenfelder, 1896

Wilhelm-Weber-Straße 20, ca. 1890


als ein langgestreckter „Saal” mit höherem
Chor und begleitenden „Kapellen” errichtet.
Die Architektur benutzt traditionelle Ele-
mente, so daß man sich an Renaissance-und
frühbarocke (z. B. italienische) Kirchen erin-
nert fühlt, gleichzeitig „verkehrt” sie die For-
men (auch durch die besondere Ober-
fläche) im Sinn eines spezifischen „Historis-
mus” des zwanzigsten Jahrhunderts.
Am westlichen Abschnitt der Wilhelm-
Weber-Straße stehen vorwiegend Gebäude
der Zeit um 1890. Bewohner waren in den
meisten Fällen Universitätsangehörige. Als
Beispiele mögen die Häuser Nr. 3,14 und 20
gelten, wobei das verputzte Wohnhaus von
Professor Klein (Nr. 3) und das helle Klinker-
gebäude von Professor Merkel in ihrer
zurückhaltend renaissancistisch-spätklassi-
zistischen Architektur göttingen-typische
„Professoren-Villen” sind.
„Göttingen-typisch” ist auch das Haus des
Corps Hildeso-Guestphalia (Nr. 36), das von
dem Berliner Architekten L. Schoenfelder
1896 im malerischen Fachwerkstil entwor-
fen wurde (Ausführung durch Maurermei-
ster Krafft).

Wilhelm-Weber-Straße 3, ca. 1890


Wilhelm-Weber-Straße 14, ca. 1890


Wilhelm-Weber-Straße, St. Paulus-Kirche,
Architekt Weihag, 1928/29


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