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Lufen, Peter Ferdinand [Bearb.]
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 5,3): Landkreis Göttingen, Teil 2: Altkreis Duderstadt mit den Gemeinden Friedland und Gleichen und den Samtgemeinden Gieboldehausen und Radolfshausen — Hameln: Verlag CW Niemeyer, 1997

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https://doi.org/10.11588/diglit.44173#0143
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Die baugeschichtliche Entwicklung des Duder-
städter Rathauses, das unter den historischen
Rathäusern Niedersachsens eine besondere
Stellung einnimmt und dessen herausgehobene
Bedeutung unlängst durch eine Abbildung auf
einer Sonderbriefmarke gewürdigt wurde, galt
lange Zeit als geklärt. Hierzu trug vor allem die
um die Jahrhundertwende durch den königli-
chen Bauinspektor Paul Lehmgrübner publizier-
te, nahezu monographische Darstellung bei,
der das Gebäude als spätromanischen Bau des
1. Viertel des 13.Jh. ansah und es „neben dem
Dortmunder Rat- und Gewandhaus (als) das äl-
teste bisher bekannte Rathaus in Deutschland“
einordnete. Gestützt auf eine aus dem Büro
des hannoverschen Baumeisters Conrad Wil-
helm Hase 1892 erstellte Bauaufnahme, fertigte
Lehmgrübner, der offenbar, wie neuere Unter-
suchungen ergaben, wesentliche Baudetails
übersah bzw. sie unzutreffend analysierte, eine
Reihe detailreicher Bauzeichnungen zum Rat-
haus an, die neben ihrer historischen Bedeu-
tung auch zum heutigen baugeschichtlichen
Kenntnisstand beitrugen.
Obgleich der heutige Bau noch große Mauer-
werksrudimente des gotischen Saalbaues birgt,
ist dieser ursprünglich zweigeschossige, nicht
unterkellerte Bau von außen nicht mehr erfahr-
bar, da Laubenvorbau, Fachwerkaufstockung
und neuere Fenstereinbrüche seinen ursprüngli-
chen Charakter zu sehr veränderten.
Der Kernbau, dessen Erdgeschoßbereich auf-
grund dendrochronologischer Daten 1302/03
datiert werden kann, ist als doppelgeschossiger
massiver Rechteckbau zu rekonstruieren, der,
auf einer Grundfläche von 32,40 Meter mal
14,95 Meter errichtet, einst weiter als der heuti-
ge Baukörper in den Gropenmarkt hineinreich-
te. Die verhältnismäßig niedrige Erdgeschoßhal-
le mit einem in wesentlichen Teilen überkomme-
nen mittelalterlichen Gefüge wurde ursprünglich
durch drei Steinsäulen, von denen sich nur die
östliche erhalten hat, zweischiffig gegliedert. Die
Stützenreihe trug den in Ost-West Richtung
verlaufenden Mittellängsunterzug, auf den die
Deckenbalken der Halle aufgekämmt waren
und die an den Längswänden auf Steinkonso-
len auflagen. Im 18.Jh. wurden durch die zu-
nehmende Verwaltungstätigkeit im Rathaus die
unterschiedlichen Fußbodenhöhen verändert,
indem man 1754 für die Höherlegung des Saal-
fußbodens die Deckenbalken um 90° drehte
und sie auf die aufgemauerten Konsolen der
Kaufhalle wieder auflegte.
Nicht eindeutig geklärt ist aufgrund der Quellen-
lage die Frage der ursprünglichen Nutzungsart
der Bauteile. Die älteste, eindeutig auf das
„Rathaus“ zu beziehende urkundliche Erwäh-
nung, die aber erst aus dem Jahre 1396
stammt, spricht von einem Kaufhaus („kop
hus“, „couphus“ oder „koyphus“). Dieser Begriff
weist zweifellos auf eine der wichtigsten Funk-
tionen mittelalterlicher Rathäuser neben der ei-
gentlichen Aufgabe als Verwaltungs-, Gerichts-,
Versammlungs- und Repräsentationsstätte des
Rates bzw. der Bürgerschaft hin: auf den Ver-
kauf und das Lagern von Waren der städti-
schen Kaufleute und Handwerker. Obgleich der
Warenverkauf im Mittelalter vorwiegend im Erd-
geschoß abgewickelt wurde, wie auch den
1434 aufgestellten Statuten zu entnehmen ist,


Rathaus mit umschließender Bebauung, Luftbild aus nordwestlicher Richtung (Verkehrsbüro Stadt Duderstadt)

Rathaus, Blick von Osten, im Vordergrund Mariensäule von 1711


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