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Kämmerer, Christian [Editor]; Lufen, Peter Ferdinand [Editor]
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 7,1): Landkreis Northeim: Südlicher Teil mit den Städten Hardegsen, Moringen, Northeim und Uslar, den Flecken Bodenfelde und Nörten-Hardenberg, der Gemeinde Katlenburg-Lindau und dem Gemeindefreien Gebiet Solling — Braunschweig, 2002

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.44420#0210
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mittelalterlicher Schicht, so daß es bisher weder
Zeugnisse für eine Siedlungskontinuität gibt,
noch einen Beweis für die Existenz der heute
noch allgemein postulierten fränkischen curtis.“
Ins Licht der Geschichte tritt Northeim in einer
urkundlichen Nachricht, die zwischen 780 und
802 zu datieren ist, in der Nithard dem Boni-
fatiuskloster zu Fulda seine Güter in Metten-
heim, Luthereshusen et Northeim schenkte.
Bereits zum ausgehenden 10.Jh. hatte das
Fuldaer Kloster seine Vormachtstellung im
Northeimer Gebiet offenbar eingebüßt. Im Jahr
1002 hielt sich Markgraf Ekkehard von Meißen
ad Northeim, Sigifridi comitis curtem auf, bevor
er kurz darauf nach Pöhlde weiterzog, wo er
von den Söhnen Siegfrieds und den Grafen von
Katlenburg ermordet wurde. Diese curtis wird
auf dem Areal des späteren, von den Grafen
von Northeim um 1100 gestifteten Klosters St.
Blasii vermutet. Zunächst als Chorherrenstift
angelegt, erfolgte zwischen 1103 und 1117 die
Umwandlung in ein Benediktinerkloster. Nach

dem Aussterben des Northeimer Grafenhauses
in männlicher Linie (1144) entbrannte zwischen
dem Erzbischof von Mainz und den Welfen
Streit um den Besitz des Klosters.
1237 erhielt die Ordensniederlassung in einem
Schutzbrief Ottos freie Abtswahl, Zoll- und
Münzrecht, Marktrecht und die Gerichtsbarkeit
über den Marktort. Die verliehenen Privilegien
gaben in der 2. Hälfte des 13.Jh. Anlass zu
Auseinandersetzungen mit der „Stadt“, zumal
dem Kloster 1239 durch Erzbischof Siegfried III.
von Mainz auch die Pfarrkirche St. Sixti inkor-
poriert worden war. Noch 1241 wird Northeim
als Villa bezeichnet, während sich um 1246
Ratsmänner und Bürger von Münden mit den
consules et universi cives in Northern gegen
Gewalt und Unrecht verbinden. Die Entwick-
lung der Stadt erfolgte nur allmählich und fand
schließlich 1266 mit der Verleihung des
Göttinger Stadtrechtes durch die Herzöge
Albrecht und Johann von Braunschweig an die
burgenses de Northeim ihren Abschluss.


Stadtmauerrudiment an der Unteren Straße, Blick nach Norden

Zugleich begann man wohl nach 1252 mit dem
Bau der Stadtmauer, da die bislang notdürfti-
gen Schutzwehren, die den Siedlungsplatz
sicherten, nicht mehr genügten. Der Stadt-
mauerbau, der nach über 50-jähriger Bauzeit
im Jahre 1305 abgeschlossen werden konnte,
verursachte hohe Kosten, an denen sich auch
das Blasii-Kloster beteiligte. Es stellte u.a.
Grund und Boden bereit und verpflichtete sich
„zwei Bollwerke der Mauer in der Nähe des
Höckelheimer Thores, von denen das eine des
Abts Turm genannt wurde, selbständig im Bau
zu erhalten.“ Zugleich hatte das Kloster
Abgaben für die 1285 erbaute Brücke zu
entrichten. Da der Stadtmauer ein Wasser-
graben vorgelegt war, errichtete das Kloster
1295 ponte superiori, die Brücke vor dem
Obertor, während die Stadt aufgefordert war,
für deren Erhaltung zu sorgen.
Die Verleihung des Göttinger Stadtrechtes
1266 erhöhte das Ansehen der sich entwickeln-
den Stadt, schränkte jedoch zugleich die
Herrschaft des Klosters wesentlich ein. Bereits
1267 erhielten Rat und Bürgerschaft vom
Kloster das theatrum nostrae civitatis, das
Gerichts-und Kaufhaus, „um es auf eigene
Kosten auszubauen.“ Nachdem sich das the-
atrum in der Folgezeit als zu klein erwies,
erwarb der Rat 1334 von den Herzögen Otto
und Magnus für 70 Mk. reines Silber die gräf-
liche Curie, mit der Burchard von Wollers-
hausen belehnt war. Das Rathaus, zwischen
1509 und 1518 erweitert, lag an exponierter
Stelle der Breiten Straße und kündete, bis es im
19.Jh. ein Raub der Flammen wurde, vom
Wohlstand der Bürgerschaft. Urkundlich nicht
gesichert ist die Erteilung des für die Stadt so
wichtigen Marktprivilegs. Offenbar ist Northeim
nach 1252 mit diesem Vorrecht begabt wor-
den. Der Standorthinweis novo foro, der an-
lässlich der um 1350 errichteten Kapelle St.
Fabian und Sebastian in den Schriftquellen
erscheint, lässt den Schluss zu, dass dieser
neue Markt an die Stelle eines älteren
Marktplatzes trat, der offenbar an der expo-
nierten Breiten Straße abgehalten wurde, die
auch auf Grund ihrer platzartigen Weitung
durchaus geeignet erscheint.
Die am Nordende des Marktes errichtete
Kapelle verdankt ihre Entstehung einem
Gelübde, das Abt und Konvent von St. Blasii
sowie Rat und Bürgerschaft als Dank für das
Ende der verheerenden Pest 1349/50 abgelegt
hatten. Der Kapelle, die im 19. und 20.Jh. u.a.
als Standort der Ratswaage, Gefängnis und
Turnhalle diente, wurde 1734 die Alte Wache
der Garnison vorgelagert.
Neben dem Marktprivileg erwarb die Stadt,
wenn auch nur zeitweilig, weitere Vorrechte. So
übertrug Herzog Otto (der Milde) im Jahre 1318
die bürgerliche Gerichtsbarkeit vom Kloster auf
die Stadt. Darüber hinaus verpfändete Herzog
Otto (Codes) 1405 dem Rat das Geleitrecht,
1430 dazu Vogtei und Schulzenamt; auch das
Wegerecht wurde ihnen 1492 gewährt.
Auf die enge Verknüpfung der Stadtwerdung
Northeims mit den Anfängen des wehrhaften
Befestigungsringes, der noch heute maßgeb-
lich zur Wirkung des Stadtbildes beiträgt, wird
an anderer Stelle noch näherhin eingegangen.
In den Stadtmauerring wurden drei markante

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