Blick von Südosten auf den Northeimer Altstadtkern und seine topographische Einbindung. Stich nach Merian, um 1650
STADT NORTHEIM
Geschichtliche Entwicklung
Am Südostrand des Landkreises Northeim,
etwas abseits der von jeher hochwasserge-
fährdeten Einmündungsstelle der Rhume in die
Leine, liegt die Stadt Northeim, der Mittelpunkt
des gleichnamigen Kreisgebietes. Das heutige
Stadtgebiet umfasst 145,57 km2, die Zahl der
Einwohner unter Einbeziehung der in den
frühen siebziger Jahren eingemeindeten Ort-
schaften beträgt ca. 32.300, davon entfallen
auf die Kernstadt ca. 20.700 Einwohner (Stand
Mai 2000).
Auf einer Fläche von 21,8 ha dehnt sich der
Northeimer Altstadtkern aus, der eingebunden
ist in einen zum südniedersächsischen Berg-
land gehörenden vielgliedrigen Landschafts-
raum. Neben den beiden Flussläufen mit ihren
Niederungen, die den Stadtkern im Norden und
Westen einfassen, tritt der weithin sichtbare
landschaftsprägende Wieter dominierend her-
vor, der den Ostrand des Leinetalgrabens
scharf markiert und dessen Ausläufer zugleich
Einfluss auf die Topographie der Stadt nehmen.
An den knapp 360 m hohen Wieter, der durch
mehrere kleine Querbrüche in einzelne Kuppen
zerlegt wird, schließt östlich der ähnlich aufge-
baute Langfast an. Jenseits der Rhume erhebt
sich der 226 m hohe Sultmer Berg, der erst mit
dem Bau der Scharnhorstkaserne 1914/16
erschlossen wurde.
Diese naturräumlichen Leitlinien wurden auch
grundlegend für den Verlauf der beiden bedeu-
tenden Heer- und Handelsstraßen, die den
Siedlungsplatz zu einem wichtigen Kreuzungs-
punkt des großen Nord-Süd-Weges mit einem
West-Ost-Weg machten, wie H. Dörries und D.
Denecke in ihren Untersuchungen herausstel-
len. Die Frankfurter Heerstraße, die von Frank-
furt über Kassel und Göttingen nach Northeim
verlief und von dort weiter über Kalefeld,
Gandersheim, Hannover, in Richtung Lüne-
burg, Hamburg und Lübeck führte, nutzte hier
die Tiefenlinie und passierte nördlich von Nort-
heim die Rhumebrücke. Die Heerstraße gabelte
sich in zwei Routen: Die ältere verlief links der
Leine über Höckelheim, während die parallele
Strecke am rechten Leineufer über Hohnstedt,
Salzderhelden erst seit dem 17.Jh. große Be-
deutung erlangte. Diese topographisch begün-
stigte Nord-Süd-Strecke war weitaus bedeu-
tender als die West-Ost-Verbindung, die nach
Überschreiten der Weser über Uslar und Har-
degsen bei Northeim ins Leinetal führte. Durch
Hochwasser häufig gefährdet, wurde die
Straße seit dem hohen Mittelalter mehrfach
ausgebaut und verlegt. In Katlenburg teilte sich
die Fernstraße in drei Hauptstränge: Die am
Rande des Rhumetales verlaufende Strecke
stellte über Lindau die Verbindung zur Thü-
ringer Straße her, während die Route über
Wulften in Richtung Herzberg Anschluss an die
Harzrandstraße nach Nordhausen fand. Parallel
verlief über Wulften und Pöhlde der Fastweg
auf dem Rotenbergzug. Die Route über Berka
und Dorste fand in der Thüringer Straße ihre
Fortsetzung oder erreichte über Osterode die
alte Harzstraße nach Clausthal und Goslar.
Neben den wichtigen Altstraßen waren die
geologischen Voraussetzungen grundlegend
für die Entwicklung des Siedlungsraumes.
Durch das Sinken mesozoischen Gesteins ent-
stand ein Grabenbruch (Leinetal), in dem sich
Schotter, Sand und Lehm ablagerten, die in
Verbindung mit günstigen Grundwasserver-
hältnissen gute Grundlagen für Ansiedlungen
boten.
Die wenigen ur- und frühgeschichtlichen Fun-
de, u.a. verschiedene Bronzegeräte aus der
stadtnahen Umgebung Northeims, deuten auf
eine frühe Besiedlung des Raumes hin. Zu nen-
nen sind ferner ein vermutlich bronzezeitlicher
Grabhügel im Bürgerholz, in der Nähe des
„Gesundbrunnens“, sowie eisenzeitliche Kera-
mikfunde auf dem neuen Friedhof. Weitere
Aufschlüsse zur Siedlungsgeschichte erbrach-
ten die Grabungen auf dem Areal des ehemali-
gen Klosterhofes - Grabungen, die 1971
anlässlich der Altstadtsanierung durchgeführt
wurden, nachdem bereits 1951 bei Probe-
grabungen außer mittelalterlichem und neuzeit-
lichem Material Keramik aus der Spät-La-Tene-
Zeit gefunden worden ist. Auch das bei der
Notgrabung 1971 gesammelte Material gehört
der Spät-La-Tene-Zeit und der römischen
Kaiserzeit an, darunter eine Goldmünze aus
dem Jahr 214 n. Chr., ferner Keramik ab dem
10./11.Jh. Nach E. Kühlhorn besteht „also eine
deutliche Fundlücke zwischen kaiserlicher und
205
STADT NORTHEIM
Geschichtliche Entwicklung
Am Südostrand des Landkreises Northeim,
etwas abseits der von jeher hochwasserge-
fährdeten Einmündungsstelle der Rhume in die
Leine, liegt die Stadt Northeim, der Mittelpunkt
des gleichnamigen Kreisgebietes. Das heutige
Stadtgebiet umfasst 145,57 km2, die Zahl der
Einwohner unter Einbeziehung der in den
frühen siebziger Jahren eingemeindeten Ort-
schaften beträgt ca. 32.300, davon entfallen
auf die Kernstadt ca. 20.700 Einwohner (Stand
Mai 2000).
Auf einer Fläche von 21,8 ha dehnt sich der
Northeimer Altstadtkern aus, der eingebunden
ist in einen zum südniedersächsischen Berg-
land gehörenden vielgliedrigen Landschafts-
raum. Neben den beiden Flussläufen mit ihren
Niederungen, die den Stadtkern im Norden und
Westen einfassen, tritt der weithin sichtbare
landschaftsprägende Wieter dominierend her-
vor, der den Ostrand des Leinetalgrabens
scharf markiert und dessen Ausläufer zugleich
Einfluss auf die Topographie der Stadt nehmen.
An den knapp 360 m hohen Wieter, der durch
mehrere kleine Querbrüche in einzelne Kuppen
zerlegt wird, schließt östlich der ähnlich aufge-
baute Langfast an. Jenseits der Rhume erhebt
sich der 226 m hohe Sultmer Berg, der erst mit
dem Bau der Scharnhorstkaserne 1914/16
erschlossen wurde.
Diese naturräumlichen Leitlinien wurden auch
grundlegend für den Verlauf der beiden bedeu-
tenden Heer- und Handelsstraßen, die den
Siedlungsplatz zu einem wichtigen Kreuzungs-
punkt des großen Nord-Süd-Weges mit einem
West-Ost-Weg machten, wie H. Dörries und D.
Denecke in ihren Untersuchungen herausstel-
len. Die Frankfurter Heerstraße, die von Frank-
furt über Kassel und Göttingen nach Northeim
verlief und von dort weiter über Kalefeld,
Gandersheim, Hannover, in Richtung Lüne-
burg, Hamburg und Lübeck führte, nutzte hier
die Tiefenlinie und passierte nördlich von Nort-
heim die Rhumebrücke. Die Heerstraße gabelte
sich in zwei Routen: Die ältere verlief links der
Leine über Höckelheim, während die parallele
Strecke am rechten Leineufer über Hohnstedt,
Salzderhelden erst seit dem 17.Jh. große Be-
deutung erlangte. Diese topographisch begün-
stigte Nord-Süd-Strecke war weitaus bedeu-
tender als die West-Ost-Verbindung, die nach
Überschreiten der Weser über Uslar und Har-
degsen bei Northeim ins Leinetal führte. Durch
Hochwasser häufig gefährdet, wurde die
Straße seit dem hohen Mittelalter mehrfach
ausgebaut und verlegt. In Katlenburg teilte sich
die Fernstraße in drei Hauptstränge: Die am
Rande des Rhumetales verlaufende Strecke
stellte über Lindau die Verbindung zur Thü-
ringer Straße her, während die Route über
Wulften in Richtung Herzberg Anschluss an die
Harzrandstraße nach Nordhausen fand. Parallel
verlief über Wulften und Pöhlde der Fastweg
auf dem Rotenbergzug. Die Route über Berka
und Dorste fand in der Thüringer Straße ihre
Fortsetzung oder erreichte über Osterode die
alte Harzstraße nach Clausthal und Goslar.
Neben den wichtigen Altstraßen waren die
geologischen Voraussetzungen grundlegend
für die Entwicklung des Siedlungsraumes.
Durch das Sinken mesozoischen Gesteins ent-
stand ein Grabenbruch (Leinetal), in dem sich
Schotter, Sand und Lehm ablagerten, die in
Verbindung mit günstigen Grundwasserver-
hältnissen gute Grundlagen für Ansiedlungen
boten.
Die wenigen ur- und frühgeschichtlichen Fun-
de, u.a. verschiedene Bronzegeräte aus der
stadtnahen Umgebung Northeims, deuten auf
eine frühe Besiedlung des Raumes hin. Zu nen-
nen sind ferner ein vermutlich bronzezeitlicher
Grabhügel im Bürgerholz, in der Nähe des
„Gesundbrunnens“, sowie eisenzeitliche Kera-
mikfunde auf dem neuen Friedhof. Weitere
Aufschlüsse zur Siedlungsgeschichte erbrach-
ten die Grabungen auf dem Areal des ehemali-
gen Klosterhofes - Grabungen, die 1971
anlässlich der Altstadtsanierung durchgeführt
wurden, nachdem bereits 1951 bei Probe-
grabungen außer mittelalterlichem und neuzeit-
lichem Material Keramik aus der Spät-La-Tene-
Zeit gefunden worden ist. Auch das bei der
Notgrabung 1971 gesammelte Material gehört
der Spät-La-Tene-Zeit und der römischen
Kaiserzeit an, darunter eine Goldmünze aus
dem Jahr 214 n. Chr., ferner Keramik ab dem
10./11.Jh. Nach E. Kühlhorn besteht „also eine
deutliche Fundlücke zwischen kaiserlicher und
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