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Dümichen, Johannes [Hrsg.]
(Band 1): Resultate der auf Befehl Sr. Majestät des Königs Wilhelm I. von Preussen im Sommer 1868 nach Aegypten entsendeten Archäologisch-Photographischen Expedition — Berlin, 1869

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https://doi.org/10.11588/diglit.3495#0021
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Zusammenhang entstand, und jede Planke war von mehreren [nv-
xvni) yöiitpot durchbohrt. Somit griffen die Planken so über, dass
der Anblick von Fugen regelmässigen Mauerwerks entstand (wo-
rauf nlivä-tjdnv hier vielleicht auch geht): und denselben Anblick
gewährt das Plankenwerk unsres ersten Bootes in Dum. Fl. XXIX, 1
mit seinen senkrechten und horizontalen Fugen, die unsre Erklä-
rung auf das Beste bestätigen. Besonders fest war natürlich diese
Construction nicht, wenn sie auch, wie unser erstes Boot zeigt, Kiel
und Steven von Langholz erhielt, und für ein Seeschiff wäre sie un-
denkbar gewesen: für den Nil aber mochte sie gehen, und ihr Haupt-
vorzug war sicher ihre grosse Billigkeit, da man Zwergholzstämme
verwenden konnte. Natürlich wurden, um Halt zu geben und zur
Verbindung der Bordwände, quer darüber {inmnkrjg) Querbalken
(Duchten oder Deckbalken, tvya) befestigt, und innen Banden oder
Tauschnürungen (aQunrica) aus Papyrusbast (ßvfiXng) angebracht,
falls nicht e^co&sv zu lesen ist,*) und die Tau-Querbanden so an-
zunehmen sind, wie sie auf vielen ägyptischen Darstellungen er-
scheinen; dagegen waren bei diesen Fahrzeugen die Berghölzer
oder Barkhölzer (vn/ielg, gleichsam langgezogene, horizontal um
das ganze Schiff liegende Reifen), nicht im Gebrauch, während
Herodot sie bei den griechischen Schiffen so offenbar kennt (Gr.
§ 84: Lenormant'sches Relief). Was die Ausrüstung dieser Fahr-
zeuge anlangt, so war nur ein Steuer da, wie Herodot hervorhebt,
da man in Griechenland stets zwei solche führte (rrrjddXinv de fV
TzouvvTaC)^ und dieses eine war durch den Hintersteven gesteckt,
der bei der schrägen Lage im ägyptischen Schiff eine Verlängerung
des Kiels bildet und hier wohl aus einem Stück mit diesem war
(Siä rrjg ZQnning diaßi'vezai): vermuthlich ist mit dem Durchstecken
das Einlegen in den gabelförmig ausgezackten Hinterstevenkopf
gemeint, wie es in der nächsten Periode viele ägyptische Fahrzeuge
zeigen. Der Mast war wieder aus Mimosenholz, das hierzu zwar
lang sein musste, aber auch so schmal sein konnte, wie es für
Planken nicht sein durfte (lazw dxavdivii} xQzwvzat), und die Segel
waren aus Papyrusbast (lorinioi ßvßXivmai), wie ja auch heute
noch in den chinesischen Meeren Bast- oder Mattensegel in Ge-
brauch sind; gegen den Strom konnten diese Fahrzeuge aber nicht
aufkommen, wenn nicht brillanter Wind war (XaLmQog avtiiog),
und sie wurden gewöhnlich stroman von Leuten am Lande gezogen
(ex yrjg TtaQeXxetcti), wie in Dum. Fl. XXVII, 5. Gegenüber die-
ser Bergfahrt beschreibt Herodot die Thalfahrt (xaza Qonv) in einer
Weise, die wir folgendermassen erklären möchten. Das Fahrzeug
schwimmt in den oberen Wasserschichten nicht so schnell, als die
unteren Schichten gleiten, wo der Wasserdruck stärker ist. Wie
nun unsre Schiffe, wenn sie vom Sturm zu schnell auf Land ge-
jagt werden, als Sturmanker ein Segel über Bord werfen, das mit-
telst eines Rahmens ausgespannt, unten beschwert, aber sonst schwim-
mend erhalten wird, und dann das Schiff an diesem Segel mit
einem Tau befestigen, um dasselbe durch das Wasser ziehen zu
müssen und langsamere Fahrt zu bekommen, so benutzten die
Aegypter dasselbe Princip, aber in entgegengesetzter Richtung. Sie
warfen statt des Segels eine in senkrechter Lage schwimmende grosse
Tamarindenholzplatte (&i>(>rj) über Bord, aber nicht hinter, sondern
vor dem Schiffe. Diese Holzplatte schwimmt in der unteren Wasser-
schicht (mehr Druck) schneller als das Schiff oben, wenn der Strom
sich hineinsetzt (zov (>onv efiTrinvovvng zayjcog yw^lei): sie zieht
(ßXxei) so das Schiff an einem Tau (xaX<og) mit sich und giebt ihm
Fahrt und Steuerkraft; hinten aber wird ein centnerschwerer (ötzä-
lavzng) Stein, der behufs Befestigung durchbohrt ist, nachgeschleppt

*) Doch werden den ättfiovCm die (aussen befindlichen) vouils gegenüber-
gestellt.

und regulirt die Fahrt. Es ist dies abermals ein Beweis von der
hohen Vollkommenheit schon des frühesten Alterthums in techni-
schen Dingen, in denen man noch vor kurzer Zeit den Alten nur
eine sehr bescheidene Entwicklungsstufe hat zutrauen wollen.
Diese Fahrzeuge aber, die nach Herodot sehr zahlreich waren und
theilweise viele Schiffslasten zu 260 Tons tragen konnten, hiessen
nach ihm ßägig: und wirklich nennen auch die hieroglyphischen
Inschriften die Lastfahrzeuge hari, während ihre äussere Form uns
in den bildlichen Darstellungen erhalten zu sein scheint, die wir
oben (Classe B) beschrieben haben.

Bei sämmtlichen bisher beschriebenen Fahrzeugen haben wir
in jeder Classe einen Constanten Grundtypus gefunden, von dem
sich nur unwesentliche Abweichungen in den einzelnen Darstellun-
gen fanden, mochten sie der IV., der V. oder der VI. Dynastie an-
gehören. Es ergiebt sich hieraus das Resultat, dass die nautischen
Einrichtungen der alten Aegypter in dem ganzen Zeit-
raum des 3. Jahrtausends vor Chr. also von der frühesten
uns bekannten Zeit bis etwa 2100 auf dem Standpunkt,
wo wir sie zuerst finden, sich unverändert erhalten
haben und in dieser ganzen langen Zeit keinen wesent-
lichen Fortschritt zeigen.

Das letzte Jahrhundert dieses dritten Jahrtausends
aber zeigt einen ganz plötzlichen, enormen Fortschritt
der nautischen Entwicklung: die Erfindungen des doppelten,
eigentlichen Steuerruders, der Unterleiksraa, der Zusammensetzung
beider Raaen, der Gordingen mit ihren Scheibengatten im Mast,
der Toppenants, der beiden IxQia (Back und Schanze), Erfindungen,
welche sämmtlich in diese Zeit und auf einen Punkt zusammen-
fallen, begründen eine ganz neue Epoche des ägyptischen Schiffs-
baues, die auch den Seeschiffen des rothen Meeres ihren Stempel
aufdrückt.

Aus der Zeit der XII. Dynastie, also dem letzten
Jahrhundert des 3, Jahrtausends, haben wir keine
Boote (Classe A) und Lastfahrzeuge (Classe B), sondern bloss
grössere Ruderfahrzeuge mit und ohne Takelage erhalten.

Von den Fahrzeugen ohne Takelage, also ClasseC, ist c.
das erste eine „Todtenbarke" d. h. ein Fahrzeug zur Ueberführung Dfn)
von Mumien, in Dum. Fl. XXVIII, 3 (Gräber von Beni Hassan,
Grab des Neharasi%numhotep). Beide Steven steigen in gleicher
Länge und flacher gleichmässiger Wölbung aufwärts, weichen
aber dann plötzlich (wie bisher niemals) in einwärts geboge-
ner Curve nach oben zurück, um schliesslich einfach horizontal ab-
zuschneiden, und bilden so über Wasser zwei abgerundete auswärts
gekehrte Spitzen, welche vollständig der (für- das Einrennen feind-
licher Fahrzeuge bestimmten) spitzen Bugform unserer Norddeutschen
Panzerfregatte „König Wilhelm" und der französischen Panzer-
corvetten des Typus „Alma" unter Wasser entsprechen. Der Rumpf
des Fahrzeugs wird in kurzen Intervallen durch Querbanden zu-
sammengehalten wie ein Papyrusfahrzeug: vielleicht ist es ein solches,
nur mit Kiel und Steven von Holz, da sonst die abgebildete Steven-
form aus blossem Papyrus keinen Halt hätte. Auf dem Fahrzeug
erhebt sich über dem Schandeckel ein ringsum offener Baldachin
von 4 schlanken Säulen mit Capitellen getragen, und mit gewölbter
Decke: während unter diesem Deckhaus, von dem bloss die beiden
diesseitigen Säulen sichtbar werden, sich eine Mumie und Personen
befinden, sieht man vorn den TZQwpevg mit einem Tauende, hinten
den xvßeQvi'^tjg mit der Pinne. Von dieser Zeit ab findet sich
 
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