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Duhn, Friedrich
Ein Ritt durch den nördlichen Peloponnes vor vierzig Jahren — Stuttgart, 1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.43815#0026
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~ 26 .

Reinigung der Statue zu beginnen. Wir gingen weiter, vom dem beglückten

Leiter der nun schon in ihrem zweiten Jahre stehenden Grabung auf das .

liebenswürdigste überall umhergeführt unter Betrachtung des ſchon Gewonnenen
und Vermutungen über die Lage des noch Verborgenen. Raſch war der Vor-
mittag herum. Als wir, um zur Mittagspauſe hinaufzureiten, die Altis ver-
laſſen wollten, bat ich Hirſchfeld, noch einmal vor die neue Statue treten zu
dürfen. Etwas ungeduldig meinte er lächelnd: „Man merkt, daß Sie gerade
von Rom kommen“" — ich war mehrere Jahre mit Sammlung und Ver-
arbeitung von Antiken in römiſchem Privatbeſitz beſchäftigt gewesen ~- „und
solch späte Dinge Sie besonders interessieren." Die Reinigung hatte Fort-
schritte gemacht und meinen ersten Eindruck verstärkt. Ich verteidigte einen
Ansatz in die erste Zeit nach Alexander, glaubte im sich enthüllenden Gesicht
Anklänge an Lyſippos zu sehen, der die Folgezeit besonders kraftvoll beherrscht
hat. Hirſchfeld hielt gerade die mangelhafte Ausführung der Rückseite und die
mehr abbozziert wirkende Art des Haares für Zeichen einer nur auf den Schein
der Ansichtsseite arbeitenden, gleichmäßig gewissenhafte Durcharbeitung vernach-
lässigenden Kunst, die er nur als römiſch glaubte ansehen zu können. Ich
widerſprach. Beim Frühstückstisch setzte ſich die Verhandlung lebhaft fort, an
der auch die beiden Architekten sich beteiligten, das Interesse an dieſem neuen
Funde drängte alles andre zurück. Ich fragte nach der Bestimmung des neu
gefundenen Baues, jener Säulen und Fußbodenfläche am Kronionfuß, wo die
Statue gefunden war. Hirschfeld erklärte, noch zu schwanken, da er in jener
Gegend das Pelopion suche, sich dasſelbe aber nicht mit sſo alten Säulen um-
geben denken könne. Es wurde der Name Heraion aufgeworfen. Hirſchfeld gab
die Möglichkeit zu, obwohl es ihn beſchwerte, daß der große Graben, mit dem
man, vom Zeustempel ausgehend, diesen Bau gefunden hatte, dann das
Pelopion dort, wo es Pausanias verzeichnet hatte, hätte durchqueren müssen, ohne
daß man es gemerkt hätte, eine Annahme, die sich ſpäter als zutreffend heraus-
stellte. Als es hieß: vielleicht alſo Heraion, bat ich Hirſchfeld, doch mal gleich
im Pausanias nachzuſehen, ob er nichts Derartiges erwähne; ich glaube mich
bestimmt zu erinnern, daß er neben den ganz alten Kunstwerken im Heraion
auch späteres erwähne. Da in der Tat bei der noch ſehr im Rückstand befind-
lichen Aufdeckung dieses Teiles der Altis das Gesamtbild noch sehr dunkel
war, begriff ich vollkommen, daß die ausgrabenden Herren gerade über diesen
Teil ihren Pauſanias noch nicht ſo im Kopfe hatten, daß ihnen jede Notiz
gegenwärtig war. Hirſchfeld erhob sich und ging ins anſstoßende Arbeitszimmer,
um Pauſanias zu holen; wir setzten zunächst ohne besondere Spannung unser
Frühstück fort, nicht ohne einen leise scherzenden Tadel der freundlichen Wirtin,
daß die Wissenſschaſt uns ſelbſt bei Tiſch keine Ruhe ließe. Da wurde rasch
die Tür aufgestoßen, und von der erhöhten Schwelle rief Hirſchfeld, das Buch
hoch in der Hand schwingend, freudestrahlend: „Meine Herren, wir haben
Praxiteles!" Und verlas die wenigen Worte, in denen Pauſanias im Heraion
die Statue des Hermes nennt, der den kleinen Dionyſos auf dem Arm trage.
 
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