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Duhn, Friedrich
Ein Ritt durch den nördlichen Peloponnes vor vierzig Jahren — Stuttgart, 1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.43815#0027
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f 55

„Es ist aber ein Werk von Praxiteles." Wir flogen auf und hinab zur Altis,
hinein in den Schuppen und auf die Knie rings um die Statue. Und es be-
gann ein Schaben und Putzen, ein Befühlen und Beschauen durch uns glückliche
Menschen, ein ſröhliches Durcheinanderſchwirren der Freude und kritischen Be-
trachtung der Einzelheiten und nun auch der Geſamtwirkung der aus ihrem
Erdmantel sich herausarbeitenden Siatue, ein Beachlen der damals noch an
verschiedenen Punkten deutlichen Farbſpuren, ein Bewundern der Erhaltung der
Oberfläche da, wo ſie überhaupt vorhanden ist, das uns nun auf die Fund-
umstände führte, auf die Tatsache, daß sie ungefähr genau da gefunden wurde,
wo Pauſanias ſie im Heraion nennt, auf ihre Einbettung in den aufgelösten
grünlich-weißen Lehm vom Kronion, aus dem die Luftziegel der aufgehenden
Mauern des Tempels bestanden, deren Niedersſtürzen die Statue mit sich riß
und sie dadurch so wunderbar einschloß, auch gegen Zerstörung durch Feuchtigkeit
ſicherte, ſo daß sie bis auf die Stücke, welche Mittelaltergräbern, die Material
für Füllung ihrer ledigen Kalköfen sammelten, zufällig in die Hände fielen, so
unberührt geblieben ist, wie wenige Werke der hohen Kunſt des Altertums.
Somit war auch die Entdeckung des zweiten von unsrer deutſchen Expedition
gefundenen Tempels, des Heraion, des ältesten Tempels auf dem Boden Griechen-
lands, nunmehr bestätigt. Es war ein kurzes und doch inhaltreiches Telegramm,
das angesichts der vor uns liegenden herrlichen Statue an Ernst Curtius nach
Berlin aufgesetzt wurde.

Noch ein paar ſchöne ungemein inhaltsreiche Tage in Olympia, unver-
geßlich durch den sirahlenden Schein, welchen das große Erlebnis des ersten
Tages auf unser Dortſein warf, dann trennten wir uns. Freund Lolling
wandte sich ſüdwärts, Meſsſenien zu, um seine Vorstudien für Baedeker fortzu-
setzen, mich rief die berufliche Pflicht nach Athen zurück. Heute verläßt man
Olympia mit dem Frühzug und ist gegen Abend in Athen. Damals mußte
abermals eine Folge langer Ritte durch Berg und Wald gemacht werden, zu-
lezt eine Seetour, um auf der kürzesten Strecke bei Wegritt am ersten Tage
am fünften in Athen zu sein. Aber wie ſchön war es, so allein mit seinem
Pferdeburſchen durch das noch so unberührte Arkadien zu reiten! Liebenswürdiger
wirklich arkadiſcher Gaſtfreiheit mich erſreuend, mußte ich nun, wie im ersten
Nachtquariier in Aſpra Spitia bei dem kinderreichen Papas, an den ich emp-
sohlen war, so nächtigen, daß ich meine Hängematte im einzigen Wohnraum
des Hauſes hoch über dem unter mir auf hartem Bretterlager ruhenden Ehe-
paar, zu dessen rechter Seite die Söhne, zur linken die Töchter, beide schon -
großenteils erwachsen, lagen, aufhing und die amüsantesten Naturkinderfragen
zu beantworten hatte, oder aber. in dem entlegenen Bergneſt Dimitzana, dem
Hauptort eines Regierungskreises, zu meiner Ueberraſchung erfreulichste Unter-
kunft bei dem Präfekten finden, der mich mit Freundlichkeiten übersſchüttete, aber
mich doch in Erstaunen setzte, als er bei abendlicher Unterhaltung über die
Reiseverhältnisse in Europa von den Eiſenbahnen sprach und einer eventuellen
Bahnverbindung nach Europa. So ſehr war sſelbſt einem gebildeten studierten
 
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