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Duhn, Friedrich
Ein Ritt durch den nördlichen Peloponnes vor vierzig Jahren — Stuttgart, 1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.43815#0028
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.. 98 -s

Manne seiner Zeit der Gedanke unfaßbar, daß Griechenland jemals durch das
Innere der Balkanhalbinsel mit Europa verbunden werden könnte - die Türkei
war den Leuten, was uns vor Stanley das Innere Mittelasrikas, ein großer,
weißer Fleck ~, daß er im Tone der Verzweiflung sagte: „Ja, aber wie werdet
ihr denn eine Eisenbahn nach Europa über das Meer bauen können?" Fünf
bis sechs zuſammenhängende Stunden lang ritt ich an diesen Tagen auf wenig
betretenen Pfaden –~ von JFahrstraßen war keine Rede - durch köſtlichsten
Hochwald, den der König durch dänische Förster und eine Forſtſchule in guten
Stand setzen und erhalten ließ, in diesem Lande, wo man sich so oft nach
Waldesſchatten und der dadurch dem Lande zu bringenden und festzuhaltenden
Feuchtigkeit sehnt, ein sehr poſitives Verdienst: um so ruchloſer, wenn die ſelbſt-
loſen Bemühungen von Generationen in so wasſer- und humusarmer Landſchaft,
wie Attika, durch verbrecheriſche Brände, wie kürzlich an den Parneshängen bei
Tatoi, vernichtet werden. Am Nachmittag des dritten Tages ritt ich hinab in
die oſtarkadiſche Ebene, um in dem schon damals volkreichen Tripolitzaa, der
Erbin von Tegea und Mantinea, zu übernachten. Ich war empfehlungslos,
weil man mir gesagt hatte, dort sei ein ganz ordentliches Gaſthaus. Ich fand
es auch am Markte. Doch verstärkte ſich mir der Eindruck von Unordnung

und Schmutzgkeit bedenklich, als ich in das einzige Gastzimmer, eine Treppe

hoch, geführt wurde, wo von den drei Betten mir eins angewiesen wurde mit
dem Bemerken, über die beiden andern sei ſchon für andre verfügt. Zahlreiche
friſche Wanzenſpuren an den Wänden ließen nichts Gutes ahnen; das Bett
war mit vielfach gebrauchtem Leinen überzogen und ſchmutzstarrende Decken
lagen darauf. Da mir aber gesagt wurde, es gäbe nichts andres, fügte ich mich
in das Unvermeidliche und bestellte mir bei den ebensowenig erfreulichen Wirts-
leuten etwas zu essen, da ich von 5 Uhr früh geritten und nichts genommen
hatte, mit der Mahnung, das wenigstens gut zu bereiten. Ich hatte etwa eine
Stunde darauf zu warten, setzte mich alſo auf den Platz, wo vor einem Kaffee-
haus unter einer Platanenreihe an langem Tisch eine große Reihe Männer beim
Kaffee rauchend und schwatzend saßen. Ich nahm an einem Einzeltiſch Platz.
Mir fiel auf, daß die Aufmerksamkeit der Tiſchgesellſchaft sich immer mehr mir
zuzuwenden schien. Nach einiger Zeit kam einer der Herren zu mir, höflich
fragend, woher ich käme, wohin ich ginge, ich sei augenscheinlich kein Grieche.
Ich beantwortete die Fragen. Er: „Wo sind Sie abgestiegen?" Ich: „In jenem
Gaſthaus dort." Er: „Sie werden dasſelbe wieder verlassen!“ Ich : „Warum?
. Die Notwendigkeit würde mich in Verlegenheit bringen. Denn es soll das einzige
Gasthaus am Platz sein, außerdem habe ich mir dort ſchon mein Esſen beſtellt."
Er, dringlicher: „Und Sie werden es dennoch verlassen. Ich befehle es Ihnen."
Ich, erstaunt: „Wie wollen Sie mir das befehlen, ich habe doch das Recht, zu
tun, was mir beliebt." Er: „Jch bin der Astynomos (Polizeipräfekt). Sie
müſſen das Haus ſofort verlaſſen; denn auf dem Besitzer ſchwebt der ernste

_ Verdacht, daß er nicht unſchuldig iſt an einem Morde, der gestern nacht in

seinem Gaſstzimmer vorgefallen iſt. Er wird morgen früh verhaftet und sein
 
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