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Durch ganz Italien: Sammlung von 2000 Autotypien italienischer Ansichten, Volkstypen und Kunstschätze (2. Halbband) — Zürich: Verlag von Caesar Schmidt, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.63487#0165
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ist mit Marmor prächtig ausgestattet, ebenso die Kapelle und der
grösste Teil der königlichen Gemächer, die, besonders der Thronsaal
und der Alexandersaal, Gemälde von hervorragendem Wert, wenn
auch gerade keine unsterblichen Meisterwerke, enthalten. Ueber
den ersten Hof gelangt man zu dem 16 korinthische Säulen aus
dem Tempel des Serapis enthaltenden Theater. — Mit vorzüglichem
Geschmack ist in englischem Style — grosse Rasenflächen mit
schönen Baumgruppen — der Park angelegt. Er enthält eine Fülle
seltener Gewächse und viele Wasserwerke, die aus einem das Wasser
vier Stunden weit vom Monte Taburno herleitenden Aquaedukt ge-
speist werden. Die Kaskaden (S. 382) sind geschmackvoll mit
Nymphen, Tritonen und Delphinen dekoriert, die teilweise so gut
ausgeführt sind, dass sie ein besseres Schicksal verdient hätten, als
hier den zerstörenden Einflüssen des Temperaturwechsels ausgesetzt
zu sein. Ueberall zeigen sich auf den Wegen herrliche Ausblicke
auf die Stadt und die reiche Vegetation in der Umgebung derselben.
Auch der botanische Garten ist sehenswert; er beherbergt eine Fülle
seltener, hier gut gedeihender Pflanzen.
Ein Teil der Reisenden wählt für die Reise von Rom nach Neapel
die Tour über das aus der Oper „Fra Diavolo“ bekannte Terracina
und Gaeta. Als Festung von nicht geringer strategischer Bedeutung
ist Gaeta hauptsächlich bekannt; noch 1861 leistete es der italieni-
schen Flotte standhaften Widerstand, der hauptsächlich von der
Königin, einer bayerischen Prinzessin, die mehr Mut zeigte als ihr
Gemahl, geleitet wurde. Seine Lage ist fast so schön wie diejenige
Neapels. Von seinen Bauwerken ist am bemerkenswertesten der
Dom, in der Anlage normannisch, in der Ausführung der Details
longobardisch; in seinem Kreuzschiff eine vorzügliche Grablegung
Christi. Gegenüber dem Hauptportal steht eine gotisch gehaltene,
auf vier Löwen ruhende hohe Marmorsäule (S. 381), mit grosser
Sorgfalt ausgeführt, treu den Typus ihrer Entstehung in den Details
(S. 381) zeigend. Ebenfalls gotisch, jedoch in der modernen ab-
schwächenden Richtung dieses Styles, tritt uns die Kirche San
Francesco (S. 381) entgegen, deren wunderlich gezackte Freitreppe
vielleicht zu ihrem Glück wegen der dicht vor ihr sich erhebenden
Bauten nur teilweise zur Geltung kommt. Das Portal weist eine
reiche Dekoration auf, diejenige des oberen Teiles der Fassade
leidet an Monotonie.
Kaum 100 km mehr von Neapel entfernt liegt Benevento.
Die Umgebung ist eine in hohem Grade anmutige Hügellandschaft,
von dem Gebirgsfluss Calore und dem in diesen mündenden Sabato
durchflossen. Sie wurde von griechischen Einwanderern gegründet,
an deren Spitze nach nicht verbürgten Berichten der Alten Diomedes
gestanden haben soll. Ursprünglich Maleventum geheissen, wandelte
sie diesen wenig wohlklingenden Namen in dessen Gegenteil um und
spielte in den Kämpfen zwischen den Kaisern und den Päpsten, dann
auch in demjenigen zwischen Manfred und Karl von Anjou eine be-
deutende Rolle. Das wichtigste antike Denkmal der Stadt, überhaupt
eines der hervorragendsten ganz Unteritaliens, ist der Trajans-
Bogen (S. 385), auch Porta Aurea genannt. Er galt im wesentlichen
dem Dank für die Wiederherstellung der Via Appia und stellt, aus
griechischem Marmor bestehend, auf seinen Reliefs Scenen aus dem
Leben jenes in jeder Beziehung hervorragenden römischen Kaisers
dar. Er enthält eine Inschrift, laut welcher Senat und Volk Roms
den „Fortissimo principi“ im 18. Tribunat desselben weihten. Die
Innenseite zeigt den Triumph Trajans über die Dacier (im heutigen
Siebenbürgen), sowie Trajan, Opfer darbringend, Recht sprechend
und seine Adoption durch Kaiser Nerva. An den Innenseiten
Trajan, dem Jupiter opfernd und dem Volk Geschenke austeilend, an
der Bogenwölbung die den Kaiser krönende Siegesgöttin. An der
Aussenseite der Triumph Trajans über germanische Völkerschaften,
Trajan mit dem besiegten Dacierkönig zu seinen Füssen, eine Alle-
gorie der Flerrschaft Roms über Armenien. — Dann begeben wir
uns zum gotischen Kastell mit der vor demselben gelegenen Villa,

dem öffentlichen Spaziergang, durch einen Obelisken geziert. Von
hier bietet sich eine der schönsten Aussichten der ganzen Stadt.
Ebenfalls ein Obelisk, ein Denkmal des Isis-Kultus', steht auf der
Piazza Papiniano, nahe dieser die Kathedrale (S. 385). Von der
im Jahre 1114 begonnenen ursprünglichen, im normannisch-roman-
ischen Styl, dem in Apulien vorherrschenden, erbauten Kirche sind
nach mannigfachen Zerstörungen durch Erdbeben und nicht immer
geschickt ausgeführten Restaurationen noch Fassade, Säulenreihen
und Bogen der fünf Schiffe vorhanden. Am Hauptportal finden
sich berühmte Erzthüren aus dem zwölften Jahrhundert, altbyzanti-
nische und altlatinische Formen mit einander vereinigend. — Der
neben der Kirche stehende viereckige Turm mit seinen eigentümlich
unvermittelt hervorspringenden Friesfiguren wurde 1279 erbaut und
nach dem Erdbeben von 1668, bei welchem er einstürzte, wieder
hergestellt.
Neapel.
Wenn auch der bekannte Spruch: „Vede Napoli e poi mori“
(Sieh Neapel und dann stirb), mit dem der Italiener ausdrücken
will, dass man nach Neapel Schöneres überhaupt nicht mehr er-
blicken könne, an jener Ueberschwänglichkeit leidet, die den feurigen
Südländer charakterisiert, so ist doch nur eine Stimme darüber, dass
der Anblick Neapels (S. 386) eine Fülle des Genusses in sich
schliesst, wie sie schwerlich so leicht zum zweitenmal gefunden
werden kann. An den sich hier sanft abdachenden Berghängen
hingelagert, den Fuss von ewig unerforschlichem, stets wechselndem
Meer umspült, mit einer Vegetation umgeben, von deren Ueppigkeit
der Nordländer sich kaum eine Vorstellung zu machen imstande
ist, im Hintergründe der Posilip, die Flöhe von Camaldoli, der
Vomero, und endlich die Apenninen und der stets durch eine Rauch-
wolke die in seinem Innern verborgene Gefahr anzeigende Vesuv
—• das Alles bietet ein Gesamtbild von so zauberhaftem Reiz,
dass in der That es berechtigt erscheint, Neapel als den schönsten
Edelstein in der Krone Italiens zu bezeichnen. Am schönsten ist
der Anblick am Meer, wenn alle die am Golf von Neapel und noch
über denselben hinaus am Strand malerisch gelagerten Städte und
Dörfer mit ihren überreichen Gärten und Hainen auftauchen, zu
denen die hier und da hervortretenden, jäh zum Meer abstürzenden
Felsen so wirkungsvolle Kontraste bilden, die ihrem vulkanischen
Ursprung ihre oft bizarren Formen verdanken, wie die Vegetation
ihre Ueppigkeit der leichten Verwitterungsfähigkeit desselben.
Durchstreift man die Stadt, so treten deutlich die Trennungs-
merkmale zwischen den beiden Hauptteilen derselben hervor, der
Altstadt im Osten, teilweise noch enge, winklige Gassen aufweisend,
mit Häusern, die Räuberhöhlen gleichen, und der eleganten Neu-
stadt im Westen. Am meisten aber fällt dem Fremden das rege
Strassenleben mit seinen nur eben Neapel in so ausgeprägter Form
eigenen Typen auf. Der Neapolitaner ist ein leidenschaftlicher Spieler.
Die öffentliche Lotterie genügt seinem Spielbedürfnis nicht; wo sich
ihm Gelegenheit bietet — nicht selten, denn anstrengende Arbeit
ist ihm das Verhassteste auf Erden — zieht er ein schmutziges
Päckchen Karten aus der Tasche, und findet er keinen gleichaltrigen
Genossen, so nimmt er auch mit einem halbwüchsigen Jungen vorlieb
(S. 386). Nicht nur Betteljungen (S. 386) sieht man so zerlumpt
gehen, dass durch die Risse ihres Gewandes der nackte bronze-
farbene Körper hindurchblickt; auch Erwachsene zeigen sich nicht
selten, vielleicht eben durch jene Spielleidenschaft, häufiger noch
durch ihre Trägheit heruntergekommen, in ähnlichem Kostüme.
Mit den Lazzaroni zwar, die früher besonders für den Fremden eine
Landplage bildeten, hat die Polizei so ziemlich aufgeräumt, aber viele
maskieren den Bettel durch ein mehr zum Schein betriebenes Ge-

werbe, hauptsächlich durch das des Verkaufes im Umherziehen (S. 386).
Etwas ernster ist schon der Beruf des jugendlichen Zeitungsverkäufers
(S. 386) zu nehmen, sowie derjenige der Maccaronibäcker, die auch
andere Backwaren und indische Feigen auf ihrem Stande aufgestapelt
haben und deren Produkte meist gleich auf offener Strasse verzehrt
werden (S. 387). Andere fahren ihre Esswaren auf einem Hand-
wagen, auf dem sich der dampfende Kessel befindet, herum (S. 386).
Allerlei Gegenstände kommen besonders in Santa Lucia zum Verkauf
(S. 387): Wolltücher und Fische, seidene Bänder, die, je greller sie
gefärbt sind, desto lieber von den neapolitanischen Mädchen aus
dem Volke in das rabenschwarze Lockenhaar gewunden werden,
oft zum Missvergnügen nicht seltener Bewohner desselben, die aus
ihrer behaglichen Ruhe aufgescheucht werden, und Eisenwaren oder
sonstiger Kleinkram aller Art. Selbst die stets etwas summarisch
ausfallende Toilette (S. 387) wird nicht selten auf der Strasse, am
nächsten, besten Brunnen vorgenommen; etwas frisches Wasser über
Hals und Nacken genügt, Seife ist ein vielen Neapolitanern aus den
niederen Schichten des Volkes gänzlich unbekannter Luxusartikel.
Auf diese Weise gewinnt das Strassenleben in Neapel einen eigen-
tümlichen Charakter, besonders da, wo, wie in den Grenzdistrikten
zwischen Alt- und Neustadt, Angehörige jener Volksschichten mit
der Noblesse von Neapel und den zahlreichen Fremden sich mischen.
Einige der interessantesten Strassen müssen durchwandert
werden, ehe wir in eine Betrachtung der Kirchen, Paläste und
Kunstschätze Neapels uns vertiefen. Zunächst an das Meer hinunter,
an das köstliche Meer. Die Strasse Santa Lucia (S. 388) führt
uns an diesem entlang, einen vollen Blick auf den kleinen Hafen
mit seinem Gewimmel von Kähnen gewährend. Früher, ehe die
stattlichen Neubauten an Stelle der oft halb zerfallenen, aber um
so malerischer wirkenden Häuser der Fischer und ihrer Genossen
traten, gewährte sie einen noch viel interessanteren Anblick als jetzt.
Ein von Domenico d’Auria und Giovanni da Nola in Form eines
Triumphbogens hergestellter Brunnen, vor dem man bisweilen die
mit ihrem Esel aus der Umgegend gekommenen Gemüseverkäufer
(S. 391) staunend stehen sieht, schmückt sie jetzt. Vielleicht be-
greifen sie nicht, was ein Brunnen mit einem Triumphbogen zu thun
hat. — Andere auch nicht 1 — Hoch über der Strasse Santa Lucia
prangt auf trotzigem Fels ebenso trotzig emporragend Castell dell’
Ovo, nach -seiner Grundrissform so genannt; unter Wilhelm I. wurde
1154 der Bau begonnen, aber erst 1221 vollendet. Bei Aufständen
der leicht erregten Neapolitaner wurde es teilweise zerstört, um die
Mitte des 16. Jahrhunderts jedoch wieder hergestellt. — Ein ähn-
liches Bild, wie: die Strasse Santa Lucia, bietet die Strada del Molo
(S. 388) am Handelshafen. Sie wurde, ziemlich verfallen, von Herzog
Alba neu hergestellt; vom nahen Leuchtturm bietet sich eine vor-
zügliche Aussicht. Das hinter der Strasse emporsteigende Kastell
S. Elmo (S. 388 und 391), das bekannteste unter den Festungs-
werken Neapels, wurde von König Robert erbaut, jedoch bei dem
Erdbeben 1456 fast völlig zerstört, um dann in den Jahren 1535 bis
1538 von dem Architekten Pyrrhus Albisius auf Befehl des Vicekönigs
Pietro di Toledo neu in seiner jetzigen Gestalt errichtet zu werden.
Die Aussicht von dem jetzt nicht mehr als Festungswerk, sondern
als Militärgefängnis dienenden Kastell gehört ebenfalls zu den
schönsten Neapels. — Vom Kastell herabsteigend, wenden wir uns
nach dem ebenfalls an seinem Fuss gelegenen Plebiscits-Platz
(S. 391), wohl dem schönsten Neapels. Auf der Rechten sehen wir
den ehemaligen Palast des Prinzen von Salerno, jetzt Behausung des
Generalkommandos, unmittelbar an das Königliche Schloss anstossend,
in der Mitte die Kirche San Francesco di Paola mit herrlicher
halbelliptischer Halle, aus 44 dorischen Basaltsäulen gebildet. 1817
bis 1823 von Pietro Bianchi aus Lugano auf Befehl Ferdinands I.
gebaut, von mächtiger Kuppel überragt (S. 391). Vor der eigent-
lichen Kirche erhebt sich eine von sechs jonischen Säulen getragene
Vorhalle. Das Innere ist nach Art des römischen Pantheons

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