Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Durch ganz Italien: Sammlung von 2000 Autotypien italienischer Ansichten, Volkstypen und Kunstschätze (2. Halbband) — Zürich: Verlag von Caesar Schmidt, 1901

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.63487#0213
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
wohl als Rednerbühne dienenden Plattform zu ihm empor. Die
untere Abteilung der Treppe wurde von zwei Reiterstatuen flankiert.
In der Mitte der 18 Hauptstufen befand sich der Altar. Die Vor-
halle wurde von zwölf prächtigen korinthischen Säulen gebildet, von
denen leider nur noch die Stümpfe vorhanden sind. An die Vorhalle
schloss sich die Cella mit schwarz und weissem Mosaikfussboden
und vier mit Bildwerken bedeckten Wänden, sowie drei kleinen ge-
wölbten Kammern, in denen die Büsten des Jupiter, der Ceres und
der Venus standen. Sie waren in der Weise dekoriert, die man
noch heute als pompejanische bezeichnet: dunkelrote Felder mit
gelben Zwischenlinien. In den Kellerräumen wurde vermutlich der
Stadtschatz aufbewahrt.
Von den Häusern suchen wir nun das des Marcus Lucretius
(S. 435) auf. Es ist eine der am reichsten dekorierten Wohnungen,
von der jedoch viel nach Neapel in das Nationalmuseum gekommen
ist. Rechts im Atrium finden wir eine Hauskapelle, an der Rück-
wand des Atriums Pan mit Mädchen. Zum Peristyl führt eine Treppe
mit acht Stufen empor. Die Pfeiler sind bis zur Decke empor meist
wohlerhalten, ebenso stellenweise die Wände. — Von sonstigen
Häusern seien noch erwähnt das neuerdings aufgedeckte Haus des
deutschen Kaisers genannt (S. 435), dessen schön geformte
korinthische Säulen im Atrium sowohl, als auch im Peristyl vor-
züglich erhalten sind, ebenso der Fussboden und ein Teil der
Wandungen. —- Das Haus des Balcone pensile (S. 436) zeigt,
abweichend von anderen, einen auf die Strasse hinausragenden
Erkerbau. Das Holz desselben ist natürlich restauriert, ebenso die
zur Hinterwohnung führende Treppe. Der Brunnen zeigt eine hübsche
Amor-Statuette mit Muschel, aus der das Wasser in den Brunnen
sich ergoss, dahinter ein Marmortisch mit gut skulptiertem Löwen-
fuss. — Sehr geräumig muss auch das Haus des Diomedes (S. 437)
gewesen sein, doch nicht so reich dekoriert als die früher genannten,
wogegen das neu ausgegrabene Haus (S. 437), das noch nicht
näher bestimmt wurde, eine prächtige Säulenhalle und reichen Wand-
schmuck aufweist. — Von den zahlreichen Läden nennen wir den
des OeLHändlers (S. 436) mit gewaltigen, dort aufgefundenen
Krügen rundlicher Form, und den des Woll- und Seiden-Händlers
mit Wäscherei, die Fullonica (S. 436). Um das Atrium herum
waren die Arbeits- und Wohnräume der Arbeiter angelegt, teilweise
mit hübschem Wandschmuck. Rückseitig finden sich grosse Wasser-
behälter zur Wäscherei der Stoffe. Das Ganze ist recht wohlerhalten.
Nach Pompeji sei Herkulaneum aufgeführt. Es kann zwar, weil
mit viel stärkerer Schicht überdeckt als Pompeji und daher bedeutend
schwieriger auszugraben, was meist nur durch Stollengänge, nicht
wie in Pompeji im Tagebau geschehen konnte, nicht so viel bieten
als dieses, aber die hier aufgefundenen Gegenstände sind von höherem
künstlerischem Wert. Herkulaneum scheint noch mehr der Kunst
zugethan gewesen zu sein als das überwiegend dem Handel sich
zuneigende Pompeji. — Das Theater ist leider der unterirdischen
Dunkelheit und der zum Tragen der überlagernden Schichten nötigen
Stützbauten wegen wenig übersichtlich, und jene Decke konnte nicht
entfernt werden, da auf ihr Gebäude des modernen Ortes Resina
stehen. Es hatte 24 Sitzreihen; die Orchestra, der Raum zwischen
diesen und der Bühne, liegt 27 m unter der jetzigen Oberfläche der
Erde. —- Am wichtigsten von den ausgegrabenen Häusern ist das
des Argus mit schönem, neu angelegtem Garten (S. 425). Beide
Peristyle weisen schöne Säulengänge auf, der Garten liegt im zweiten.
Die Wandmalereien sind zum Teil recht gut erhalten. Hochinter-
essant ist ein Blick über den gänzlich blossgelegten Teil der Aus-
grabungen, neben dem unmittelbar sich die Häuser des modernen
Resina erheben (S. 428). Dort unten Stätte des längst vergangenen
Geschlechtes, hier oben das Leben in südlicher Glut, mit üppigster
Vegetation, unter tiefblauem Himmel!
Und nun? Eine Spazierfahrt nach Bacoli, dessen Anhöhen
mit ihrer herrlichen Aussicht den Namen der Elysäischen Felder

erhielten, dürfte nach dem Besuch der Totenstädte am besten am
Platze sein, verbunden mit einem Besuch der Piscina mirabilis
(S. 422), den vom Julischen Aquädukt gespeisten kolossalen unter-
irdischen Wasserbehälter, für die Bedürfnisse der Flotte bestimmt,
eine Cisterne von 66 m Länge, 26 m Breite und 6 m Höhe bergend.
Dann aber nach der
Insel Capri.
Ein sehr gutes Panorama der herrlichen Insel bietet sich von
den verschiedensten Stellen derselben (S. 451). Etwas Reizvolleres
als dieses Wundereiland mit den kühn geschwungenen Bergen und
den anmutigen Thalhängen voll frischester Vegetation, rings vom
blauen Meer umflossen, lässt sich kaum denken. Die höchste Er-
hebung ist der 610 m hohe Monte Solaro. In dem Sattel zwischen
ihm und den niedrigeren, aber schroff zum Meer abstürzenden
Bergen der Osthälfte liegt das Dorf Capri, bergaufwärts auf isolierter
Hochebene und früher nur über eine in den kühnsten Windungen den
Fels umziehende Fahrstrasse (S. 422) zugänglich Anacapri. Die
Vegetation der Insel ist eine sehr reiche. Bei Anacapri gedeiht ein
trefflicher Wein, überall auf der Insel, wo nur eine einigermassen
genügende Humusschicht den Felsboden deckt, wachsen Orangen,
Limonen, Feigen u. dergl. Nur Wasserarmut, die überall zur Anlage
von Cisternen zwingt, hindert eine ergiebigere Ausbeutung des
Bodens; Quellen finden sich nur im Thal, das von der Marina
Grande nach Capri hinauf sich zieht. Auch der Oelbaum wird viel-
fach gepflanzt, der Haupterwerb ist jedoch die Fischerei, besonders
auch nach Korallen, und der hier sehr ergiebige Wachtelfang. Die
armen, durch Insektenfang so nützlichen Tierchen werden mit Netzen
zu Tausenden erbeutet, um in Neapel auf den Markt zu wandern,
besonders im September. —- Das Dorf Capri gewinnt immer mehr
einen internationalen Charakter und verliert dabei seine Ursprünglich-
keit, die früher nicht wenig zur Erhöhung seines Reizes beitrug.
Immerhin findet man dieselbe noch stellenweise, besonders bei den
Fischern (S. 445), die, im Gegensatz zu den Neapolitanern, unter
denen die fingerfertigsten Taschendiebe Italiens zu finden sind, einen
fast sprichwörtlichen Ruf wegen ihrer Ehrlichkeit geniessen —- oder
vielmehr genossen, denn der überall die Sitten zerstörende Fremden-
verkehr hat auch hier schon seine unheilvolle Wirkung geübt. Die
Häuser sind meist klein, häufig mit Weinlauben versehen. Die An-
höhen von San Michele und Castello bieten prächtige Aussichten,
und die Strasse nach Anacapri ist an solchen so reich, dass man
vor lauter Schauen kaum hinaufkommt. Auch der kleine Giardino
pubblico bietet solche in vollstem Masse.
Am bekanntesten ist Capri durch die ,,Blaue Grotte“ (S. 441)
geworden. Man erreicht von der Marina aus nach viertelstündiger
Bootsfahrt die Reste der Bäder des Tiberius, von da in einer halben
Stunde die ,,Blaue Grotte“. Nur bei ruhigem Meer und nur auf
besonders flach gebauten Kähnen zugänglich, da der höchste Punkt
des Eingangs nur 1 m über dem Wasserspiegel liegt, bietet sie einen
wahrhaft feenhaften Eindruck. Da die Lichtstrahlen von aussen nur
durch das Meerwasser gebrochen eindringen, erscheint das Wasser
und alles, was ausserhalb desselben sich befindet, tiefblau, desto
dunkler, je weiter man in die 56m lange Grotte hineinkommt.
Was man in das Wasser taucht, scheint dagegen silberweiss, kurz,
es ist ein Bild wie aus „Tausend und eine Nacht“.
Einen eigentümlichen Eindruck machen auch die Fariglioni
(S. 450). Schon von einem der Aussichtspunkte der Insel aus, der
auch die Certosa zeigt (S. 422), einen alten romanischen Bau am
Rand des Thals von Tragara, der jetzt militärischen Zwecken dient,
fallen diese seltsam gezackten Felsklippen auf. Sie liegen unweit der
Ruinen des antiken Hafens. Es sind drei Klippen, von denen die am
weitesten in das Meer hinaus liegende Lo Scopolo ziemlich schwierig zu

erklettern ist, die beiden anderen leichter. Auf der ersten, Monacone
genannt (Mönch), liegen Trümmer, wahrscheinlich von römischem
Grabmal. Den schönsten Blick auf die Fariglioni hat man von der
Punta Tragara, einer Steinbrüstung über der Südostspitze der Insel.
Nicht weit von den Fariglioni ist die „Weisse Grotte“ (S.442),
nicht so eigenartig schön als die „Blaue Grotte“, aber doch sehr
besuchenswert, mit interessanten Bildungen von Stalaktiten und
Stalagmiten (hängenden und auf den Boden aufgewachsenen Tropf-
steinen). — Von der Punta Tragara gelangt man leicht zum Salto
di Tiberio (S. 450), der Stelle, von welcher Tiberius, der das letzte
Dezennium seines Lebens auf Capri verbrachte, die von ihm zum
Tode Verurteilten nach langem Foltern hinabstürzen liess, angeblich
in das Meer, in dem sie dann, mit den Wellen kämpfend, von
Bootsknechten mit Rudern vollends getötet wurden. Falls diese Er-
zählung richtig, müsste der Strand sich unten gehoben haben, denn
jetzt ist es selbst mit einem mit voller Kraft hinausgeschleuderten
Stein nicht möglich, das Meer zu erreichen, obwohl es scheinbar
senkrecht unter dem Salto, einer 240 m hoch ganz steil emporragen-
den Felswand liegt. Wie Tacitus berichtet, baute der stets Ver-
schwörungen fürchtende Tiberius auf Capri, das ihm besonders wegen
seiner isolierten Lage und seiner das Landen nur an zwei leicht zu
bewachenden Punkten gestattenden schroffen Küsten gefiel, nicht
weniger als zwölf herrlich ausgestattete Villen. Am meisten hielt
er sich jedoch stets in der Villa des Jupiter, jetzt Villa Tiberiana
genannt, auf, von der noch jetzt eine Menge Gewölbe und in den
Fels gehauene Gemächer erhalten sind, die meist zu wirtschaftlichen
Zwecken dienen. Äusser einigen Mosaik-Fussböden sind Ueberreste
der Architektur nur in ganz geringem Masse vorhanden; die Aus-
sicht ist eine köstliche. Auch von den übrigen Villen sind teilweise
noch einzelne Zimmer und besonders Kellergewölbe aufgedeckt
worden, ohne — mit Ausnahme der wahrscheinlich dem Neptun
gewidmeten Villa am Kastell Monte Castiglione und des Palazzo
della Marina nahe der Marina Grande — Funde von Kunstwert
zu liefern. — Von der Punta Tragara gelangt man auch leicht zur
Grotte di Mitramonia mit dem Arco Naturale (S. 440). Eben-
falls unfern Santa Croce gelegen, gewährt die Grotte mit ihren wild zer-
klüfteten Felsformationen einen äusserst pittoresken Anblick; in noch
höherem Grade aber ist dies der Fall bei dem von einer Unzahl
spitzragender Felsklippen umgebenen, ein natürliches Thor bildenden
Arco Naturale. Der Blick von hier auf das Meer und die jenseits
desselben sich hinziehende bergige Küste gewährt, namentlich bei
Abendbeleuchtung, einen eigenartigen, unvergesslichen Reiz, ebenso
derjenige von dem in Ruinen liegenden Kastell Barbarossas
(S. 451), das nicht etwa dem Kaiser Friedrich Barbarossa, sondern
dem den gleichen Beinamen tragenden berüchtigten Seeräuber
Chagreddin seine Zerstörung verdankt. Die Entstehung desselben ist
unbekannt, wahrscheinlich ist es sarazenischen Ursprungs. Es findet
sich übrigens bei derartigen Kastellen im Neapolitaner Gebiet nicht
selten, dass ihr Ursprung nicht mehr festzustellen ist, so auch bei dem
Kastell von Ostia moderna (S.445), das dem Giuliano da S. Gallo
zugeschrieben wird, ohne dass sichere Grundlagen hiefür vorhanden
wären. Ernste Geschichtsforschung war nie recht Sache der Neapolitaner.
Ungern, zögernd nur nimmt man Abschied von dem herrlichen
Capri. Die meisten Reisenden besuchen unmittelbar darauf die andern
Inseln, ein sehr unpraktisches Verfahren, da die Gleichförmigkeit
der Eindrücke ein Verwischen derselben befördert. Wir schlagen
einen anderen Weg ein; wir besuchen die

Umgebung Neapels
und zwar zunächst Pozzuoli. Wir kommen zunächst nach Santa
Maria di Piedigrotta, wo alljährlich ein grosses Volksfest gefeiert
wird. Dann thun sich die alte und die neue Grotte von Pozzuoli

447
 
Annotationen