aufgabe den Vortrag wechselt. Der prachtvolle Maskenkopf in Windsor (Kat.n. 237), obgleich
doch nur Studie, steht nach Stoffcharakteristik und synthetisch »malerischer« Wirkung so
wenig den damaligen Geschenkblättern nach, daß der zeitliche Abstand von den Masken-
Concetti in London (Kat.n. 159) sofort deutlich wird. Von völlig anderer Struktur und Mache
ist das Jünglingsprofil in Florenz (Kat.n. 49), das bislang mit den Sixtina-Fresken verbunden,
von Wilde überzeugend als Modellstudie zum Leda-Karton erkannt wurde. In diesem ruhigen,
abgeklärten Kopf steht gleichwertig Form neben Form, ja wie die Detailskizze daneben er-
sehen läßt, fühlte sich der Meister zur Fixierung genauester Einzelheiten verpflichtet. Das
einzigartige Blatt ist ein Zeugnis dafür, mit welcher Formdisziplin Michelangelo die jeweiligen
Aufgaben anging; auch im Bereich des tektonischen Schaffens schien ihm solche Exaktheit ge-
boten. Der Gestaltungsreichtum und die so faszinierende Variation des Vortrags, die den Kom-
positionen der Ehernen Schlange (Kat.n. 195 r), der Auferstehung und den mythologischen Dar-
stellungen für Cavalieri eignen, behauptete sich in unverminderter Lebendigkeit, Verve und
Kraft in den zeichnerischen Entwürfen des Jüngsten Gerichts. Die beiden Concetti in Florenz
(Kat.n. 55) und in London (Kat.n. 333) lassen ersehen, wie auch jetzt dem Kontur eine federnde
Spannkraft innewohnt und energische Drücker die Wölbungen der heftig agierenden Körper
herausholen, nicht minder wie die Studien zu einzelnen Gruppen in Bayonne (Kat.n. 245) und
Windsor (Kat.n. 364), ebenso Einzelfiguren des Codex Vaticanus fol. 88r, 93 r (Kat.n. 226,
229), obgleich vielfach in zartestem Umriß angelegt, nichts von der Aussagekraft des erstreb-
ten Motivs preisgeben. Diesen Konzipierungen im kleinsten Format werden Hunderte von
Detailstudien unter vielfacher Bezugnahme auf das Modell gefolgt sein, doch sehen wir uns
auch in diesem Fall, von wenigen Beispielen (Kat.n. 364 V, 295, 300) abgesehen, denselben
schwerwiegenden Verlusten gegenüber wie bei den Vorarbeiten für die Sixtina-Decke, da der
Meister selbst am Lebensende fast alles zerstört hatte. Immerhin gewährt auch der dürftige
Rest Einblick in die gründliche Auseinandersetzung des Meisters mit den einzelnen Form-
aufgaben und der erneuten Inangriffnahme anatomischer Probleme, wofür nicht allein die
Bein-Kniestudien der Vaticana (Kat.n. 229 v), sondern gleicherweise das Verso des Windsor-
Blattes (Kat.n. 236) und die paar Haarlemer Figuren (Kat.n. 295) Zeugnis ablegen, vollends
die beiden herrlichen Köpfe in London (Kat.n. 333 V), in denen das fein gestufte Modelle und
die präzise Linienführung eine einzigartig gesammelte Ausdrucksprägung erzielen. Schöpfun-
gen solcher Gestaltungshöhe mahnen zur Vorsicht, das Qualitätsniveau nicht auf einen Maß-
stab abgleiten zu lassen, der auch vom routinierten Kopisten zu erwarten ist und zugleich im
Auge zu behalten, welch wichtigen Anteil die Konformität der Vortragsmittel bei den eigen-
händigen Fassungen besitzt. Gerade von dieser Seite her scheint uns der zunächst frappant
wirkende Kopf des sogenannten Bartholomäus in London (Kat.n. 575) als Original verdäch-
tig, da die Gesamtstruktur wie die Einzelheiten eine dem Formengeist Michelangelos fremde
Auffassung offenbaren; die flackrige nervöse Faktur und die Auflösung des Kerns lassen ver-
muten, daß hier weit eher eine Impression des fertigen Fresko abgewandelt wurde, als daß
es sich um eine vorbereitende Studie handeln dürfte. Wo es die Aufgabe verlangte, wich der
Meister weder im Verlauf der späteren dreißiger noch in den vierziger Jahren von der Akzen-
tuierung des Umrisses, der sorgfältigen Durchbildung der Binnenformen und der subtilen
Wiedergabe der Details zurück: das bezeugen uns ebenso die Geschenkblätter für Vittoria Co-
lonna (Kat.n. 329, 378), die hl. Familie beim Duke of Portland (Kat.n. 336), die eingängige
Studie des Cruzifixes in Haarlem (Kat.n. 299), wie auch die an Genauigkeit nichts nachgeben-
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doch nur Studie, steht nach Stoffcharakteristik und synthetisch »malerischer« Wirkung so
wenig den damaligen Geschenkblättern nach, daß der zeitliche Abstand von den Masken-
Concetti in London (Kat.n. 159) sofort deutlich wird. Von völlig anderer Struktur und Mache
ist das Jünglingsprofil in Florenz (Kat.n. 49), das bislang mit den Sixtina-Fresken verbunden,
von Wilde überzeugend als Modellstudie zum Leda-Karton erkannt wurde. In diesem ruhigen,
abgeklärten Kopf steht gleichwertig Form neben Form, ja wie die Detailskizze daneben er-
sehen läßt, fühlte sich der Meister zur Fixierung genauester Einzelheiten verpflichtet. Das
einzigartige Blatt ist ein Zeugnis dafür, mit welcher Formdisziplin Michelangelo die jeweiligen
Aufgaben anging; auch im Bereich des tektonischen Schaffens schien ihm solche Exaktheit ge-
boten. Der Gestaltungsreichtum und die so faszinierende Variation des Vortrags, die den Kom-
positionen der Ehernen Schlange (Kat.n. 195 r), der Auferstehung und den mythologischen Dar-
stellungen für Cavalieri eignen, behauptete sich in unverminderter Lebendigkeit, Verve und
Kraft in den zeichnerischen Entwürfen des Jüngsten Gerichts. Die beiden Concetti in Florenz
(Kat.n. 55) und in London (Kat.n. 333) lassen ersehen, wie auch jetzt dem Kontur eine federnde
Spannkraft innewohnt und energische Drücker die Wölbungen der heftig agierenden Körper
herausholen, nicht minder wie die Studien zu einzelnen Gruppen in Bayonne (Kat.n. 245) und
Windsor (Kat.n. 364), ebenso Einzelfiguren des Codex Vaticanus fol. 88r, 93 r (Kat.n. 226,
229), obgleich vielfach in zartestem Umriß angelegt, nichts von der Aussagekraft des erstreb-
ten Motivs preisgeben. Diesen Konzipierungen im kleinsten Format werden Hunderte von
Detailstudien unter vielfacher Bezugnahme auf das Modell gefolgt sein, doch sehen wir uns
auch in diesem Fall, von wenigen Beispielen (Kat.n. 364 V, 295, 300) abgesehen, denselben
schwerwiegenden Verlusten gegenüber wie bei den Vorarbeiten für die Sixtina-Decke, da der
Meister selbst am Lebensende fast alles zerstört hatte. Immerhin gewährt auch der dürftige
Rest Einblick in die gründliche Auseinandersetzung des Meisters mit den einzelnen Form-
aufgaben und der erneuten Inangriffnahme anatomischer Probleme, wofür nicht allein die
Bein-Kniestudien der Vaticana (Kat.n. 229 v), sondern gleicherweise das Verso des Windsor-
Blattes (Kat.n. 236) und die paar Haarlemer Figuren (Kat.n. 295) Zeugnis ablegen, vollends
die beiden herrlichen Köpfe in London (Kat.n. 333 V), in denen das fein gestufte Modelle und
die präzise Linienführung eine einzigartig gesammelte Ausdrucksprägung erzielen. Schöpfun-
gen solcher Gestaltungshöhe mahnen zur Vorsicht, das Qualitätsniveau nicht auf einen Maß-
stab abgleiten zu lassen, der auch vom routinierten Kopisten zu erwarten ist und zugleich im
Auge zu behalten, welch wichtigen Anteil die Konformität der Vortragsmittel bei den eigen-
händigen Fassungen besitzt. Gerade von dieser Seite her scheint uns der zunächst frappant
wirkende Kopf des sogenannten Bartholomäus in London (Kat.n. 575) als Original verdäch-
tig, da die Gesamtstruktur wie die Einzelheiten eine dem Formengeist Michelangelos fremde
Auffassung offenbaren; die flackrige nervöse Faktur und die Auflösung des Kerns lassen ver-
muten, daß hier weit eher eine Impression des fertigen Fresko abgewandelt wurde, als daß
es sich um eine vorbereitende Studie handeln dürfte. Wo es die Aufgabe verlangte, wich der
Meister weder im Verlauf der späteren dreißiger noch in den vierziger Jahren von der Akzen-
tuierung des Umrisses, der sorgfältigen Durchbildung der Binnenformen und der subtilen
Wiedergabe der Details zurück: das bezeugen uns ebenso die Geschenkblätter für Vittoria Co-
lonna (Kat.n. 329, 378), die hl. Familie beim Duke of Portland (Kat.n. 336), die eingängige
Studie des Cruzifixes in Haarlem (Kat.n. 299), wie auch die an Genauigkeit nichts nachgeben-
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