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VORWORT

Die vorliegende Arbeit geht in ihren Anfängen auf die dreißiger Jahre zurück, als derVerfasser,
mit einer Monographie über Sebastiano del Piombo (Basel 1942) beschäftigt, die meisten unter
Michelangelos Namen kursierenden Blätter auf ihre Echtheit untersuchte. In der Folgezeit war
dann beabsichtigt, eine Auswahl von Originalzeichnungen Michelangelos zu publizieren, doch
stellte sich im Verlauf dieser Vorbereitungen immer mehr die Überzeugung ein, daß bei einer
solchen Beschränkung viele Fragen unerledigt zu bleiben hätten. So wurde das Gesamtgut der
Michelangelo-Zeichnungen erneut einer Prüfung unterzogen, wobei die Sammlungen in Eng-
land, Frankreich und Holland mittels einer Beihilfe der Deutschen Forschungsgemeinschaft
zweimal besichtigt werden konnten, die Blätter in Italien aber, insbesondere jene der Casa
Buonarroti und in den Uffizien, seit 1950 oftmals in Augenschein genommen wurden. Dank
dem freundlichen Entgegenkommen von Comm. Prof. Giovanni Poggi war auch Gelegenheit
geboten, die einzelnen Zeichnungen der Casa außerhalb ihrer Umrahmung zu sehen, doch
konnte diese Einsichtnahme immer nur von Zeit zu Zeit vorgenommen werden und bei einigen
ganz hoch angebrachten Zeichnungen blieb der Versuch, sie von der Wand zu entfernen, er-
gebnislos. Wie in diesem Fall die Rückseiten ungeprüft bleiben mußten, so besteht auch für ein
paar weitere Blätter derselben Sammlung die Möglichkeit, daß die Versi nicht gesehen wurden,
mindestens gilt dies für Casa B.n. 99 A (Kat.n. 129) und n. 104 A (Kat.n. 132), die allerdings
laut Mitteilung der Soprintendenza, Gabinetto Fotografico in Florenz ohne rückwärtige Skiz-
zen sein sollen. Die Einteilung des Katalogs in die Abschnitte gesicherte Zeichnungen, Attri-
butionen und apokryphe Blätter ergab sich aus der Stoffmasse von selbst. Im strengen Wort-
sinn genommen ließen sich freilich nur äußerst wenig Zeichnungen als »gesichert« rubrizieren,
doch wer möchte hier streiten, wo die Aussage des Stils eine absolut zwingende ist. Niemand
dürfte mehr heute mit Morelli die Louvre-Zeichnungen n. 685, 700, 706 (Kat.n. 208, 211,
212) bezweifeln, und dasselbe gilt für eine Reihe anderer Blätter. Wo indes die Grenzen
fließende sind und die Einordnung des betreffenden Blattes in die Gruppe I nicht nach jeder
Hinsicht sich als schlagend erweist, andrerseits doch ein gewisses Wahrscheinlichkeitsmoment
eher für als gegen den Meister sprach, war es angebracht, das Werk für attributiv zu erklären.
Die Durchmusterung dieser zugeschriebenen Blätter gibt zu erkennen, daß der Anspruch auf
eine solche Bestimmung gradmäßig variiert, in manchen Fällen überwiegen die Indizien für
eigenhändig, in anderen ist der Zusammenhang mit den gesicherten Schöpfungen etwas lockerer,
gelegentlich war die subjektive Ansicht leitend. Wenn in dem Abschnitt der Apokryphen eine
Anzahl Zeichnungen Platz gefunden haben, die einigen Forschern auch heute noch als unbe-
denklich gelten, so ist diese Klassifizierung nicht ohne oftmalige Prüfung und Überlegung ge-
schehen; gleichwohl soll damit kein Standpunkt der Orthodoxie vertreten sein. In manchen
Fällen kommen wir über Vermutungen nicht hinaus, weshalb es dem Verfasser geboten schien,
die graduelle Nähe oder Ferne zu Michelangelos gesicherten Blättern anzudeuten. Ob die zu
erwartende Diskussion mehr der positiven oder der negativen Seite zuneigt, wird sich zeigen;

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