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VORWORT DER HERAUSGEBER

Mit den hier zu einem Bande vereinigten Abhandlungen und Vor-
trägen aus Dvoräks letzten Lebensjahren wird die Ausgabe seiner
Gesammelten Schriften eröffnet. Zum großen Teil aus dem schriftlichen
Nachlaß gedruckt, erscheinen sie als die reifste Frucht der Gedanken-
arbeit ihres Autors an erster Stelle; zugleich bilden diese sieben Stu-
dien über die abendländische Kunstentwicklung eine Einheit, der ein
umfassender gemeinsamer Plan zugrunde liegt.
Dieser Plan — wie wir ihn aus mündlichen Äußerungen Dvoräks und
erhaltenen Dispositionsskizzen kennen — besteht darin, die wichtig-
sten Wendepunkte der Kunstentwicklung des Abendlandes seit der
späten Antike herauszugreifen und in einer Reihe von Abhandlungen
ihrem Wesen nach zu charakterisieren, zugleich aber das Wurzeln die-
ser künstlerischen Wandlungen in der allgemeinen Geistesgeschichte
darzulegen. Damit stellt sich die Kunstgeschichte dieselbe Aufgabe,
deren Lösung der moderne Historismus in seinen größten Vertretern
auf verschiedenen Gebieten angestrebt hat. Durch diese Zielsetzung
gesellt sich das vorliegende Werk — wenn auch nur ein Torso — als
Gegenstück zu den ähnlich angelegten Vorwürfen eines Dilthey,
Windelband, Max Weber oder Troeltsch.
Auch in Dvoräks eigener Entwicklung bedeutet dieser Plan, den zu ver-
wirklichen das Ziel seiner letzten Lebensjahre war und dessen Voll-
endung nur an seinem zu frühen Tod scheiterte, ein spätes Sichinne-
werden seiner tiefsten Intentionen. Denn es ist etwas Neues gegenüber
seinen früheren Bestrebungen, wie sie etwa das Hauptwerk seiner ersten
Periode, ,,Das Rätsel der Kunst der Brüder van Eyck“ (1904) auf-
weist, wenn er nicht mehr wie dort eine in sich beruhende, formale Stil-
geschichte vor Augen hat, sondern die Kunstgeschichte als einen Teil
der Geschichte des Geistes betrachtet, und wenn er ferner nicht wie dort
die Entwicklung als eine kontinuierliche Linie, sondern das geschicht-

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