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Heitz, Paul [Hrsg.]
Einblattdrucke des fünfzehnten Jahrhunderts (Band 19): Einzel-Holzschnitte des fünfzehnten Jahrhunderts in der Kgl. Hof- und Staatsbibliothek München — Straßburg, 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.20855#0020
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1. Christus am Kreuz. In der Mitte steht das
Kreuz, am Längsbalken die Schrifttafel. Das Haupt des
Erlösers ist nach links geneigt, die Zipfel des Lenden-
tuches flattern nach links und rechts bis beinahe zum j
Bildrande. Die Füße sind übereinander genagelt. Der
Heiland scheint bärtig dargestellt zu sein, um das Haupt
den Nimbus. Rechts zu Füßen des Kreuzes steht eine
Frauengestalt in langwallendem faltigem Gewände. Der
Schleier läßt nur das Oval des Gesichtes frei, die Hände
sind bis zum Gürtel gesenkt und gefaltet; links steht
eine andere Gestalt, ebenfalls mit dem Nimbus; in der
Mitte ist eine kniende Figur erkennbar, sie scheint den
Kreuzstamm zu umarmen. Nach der traditionellen Dar-
stellung dieser Szene dürfte die Gestalt rechts als Maria,
die links als Johannes, die in der Mitte als Maria von
Magdala zu bezeichnen sein. Das rechte obere Viertel
des Druckes ist bis zum Papier durchgewetzt, ebenso
verschiedene Stellen in der Mitte der linken Hälfte des
Blattes. Bild 94: 57, Blatt 150: 100.

Technik: Der Metallschnitt ist in die ganz dünn
aufgetragene Teigmasse eingedrückt. Der Teig zeigt eine
bräunliche Färbung; an den Stellen, die besser erhalten
sind, ein helleres Rostbraun. Der Druck war augen-
scheinlich mit einer Art von schwarzem Lack überzogen,
am Rande des oberen rechten Viertels und im linken
oberen Viertel des Bildes sind noch Spuren davon. Die
Platte hatte doppelte Randlinien.

Provenienz: Der Teigdruck findet sich auf dem am
vorderen Einbanddeckel festgeklebten Vorsatzblatte des

Cod. Iii 153, welcher 1515-18 von Frater Johannes
Mötzell aus dem Karmeliterorden geschrieben wurde. In
dem Codex steht an erster Stelle Joannis Mariae de
Polluciis mare magnum ordinis Carmelitarum. Er stammt
aus der Bibliothek des Karmeliterklosters in Bamberg. Der
Druck scheint bei Entstehung der Handschrift eingeklebt
worden zu sein, ist also wohl Bamberger Original. Bis-
her unbekannt. Von Leitschuh-Fischer, Katalog der Hand-
schriften I, 307, irrig als Schwefeldruck bezeichnet.

2. Christus am Kreuz mit Maria und
Johannes. (VI A a 1.) Der mit spitzem Kinnbart
dargestellte Heiland ist mit dem Lendenschurz bekleidet.
Das Haupt mit der Dornenkrone ist nach links geneigt
Links steht Maria, rechts Johannes, der das Haupt stark
nach rechts neigt, beide mit großem Glorienschein.

Bild: 40: 31. Das Blatt ist wohl aus einem Buche
ausgeschnitten. Blattgröße 55: oben 47, unten 45.

Technik: Der Metallschnitt ist in die etwa '/., mm
dicke Teigmasse eingedrückt, die Konturen sind so tief,
daß das Papier zum Vorschein kommt, bei der Figur der
Maria ist die Teigmasse abgeschabt. Der Druck ist mn
einem 2 bis 4 mm breiten flüchtig gepinselten zinnoberroten
Rand eingefaßt. Der Druck selbst ist nicht bemalt gewesen,
der Teig scheint schwarzbraun gefärbt worden zu sein.

Provenienz: unbekannt. Der Druck ist erwähnt bei
Leitschuh, Führer durch die Kgl. Bibliothek zu Bamberg,
S. 162 und bei Leidinger, Teigdrucke S. 4. Schreiber 2799.

Um 1480.

B. HOLZSCHNITTE.

A. AUF PERGAMENT.

Die hier reproduzierten Tafeln 3, 4, 5, 6, 7 sind
Teile einer Passion aus der Mitte des 15. Jahrhunderts.
Leitschuh, Führer S. 175 rühmt die charakteristische Dar-
stellung und die Lebhaftigkeit der Bewegung. Tafel
3 und 4 befinden sich auch in der Stadtbibliothek in
St. Gallen, welche außerdem einen Holzschnitt dieser
Serie: Pilatus wäscht sich die Hände (Schreiber 275) be-
sitzt, den wir nicht haben. Die Blätter 5, 6 und 7 be-
sitzt dagegen die St. Gallener Bibliothek nicht. Die Holz-
schnitte, deren Konturen von überraschend zarter Aus-
führung sind, zeigen nichts von jener rohen Derbheit,
wie sie sich sonst in den Erzeugnissen der fränkischen
Schule findet. In den engen Raum sind figurenreiche
malerische Gruppen hineinkomponiert. Die Figuren sind
merkwürdig kurzhalsig. Die Köpfe scheinen besonders
bei Tafel 5 direkt auf die Schultern gesetzt. Leitschuh
nimmt an, die Bilder seien ursprünglich zu einem Büch-

lein vereinigt gewesen und bemerkt «sie wurden in einer
alten Nürnberger Handschrift aufgefunden». Das lebhafte
Kolorit, besonders auch die Verwendung von blau, deutet
auf die fränkische Schule.

Diese und diejenigen der folgenden Blätter, welche
Passionsszenen und Kreuzwegstationen darstellen, haben
alle den Nimbus des Crucifixus mit dem geschweiften
Kreuz darin, wie er seit dem 10. Jahrhundert traditionell
ist. Fast überall ist das Haupt voll Blut und Wunden
mit der Dornenkrone gebildet, welche, der Uebung des
15. Jahrhunderts entsprechend, grün bemalt erscheint.
(Vergleiche dazu Kraus, «Geschichte der christlichen
Kunst«, 2. Bd., 1. Abt., S. 335.)

Die Füße des Heilandes sind bei unseren Blättern
durchgängig übereinander genagelt, zeigen also die An-
nagelung mit nur drei Nägeln, im Gegensatz zu der alten
Kunst, welche die Füße nebeneinander auf einen Unter-
satz stellte und jeden Fuß mit einem eigenen Nagel
durchbohrte, wie es der historischen Wahrheit entsprach.

— io —
 
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