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Heitz, Paul [Hrsg.]
Einblattdrucke des fünfzehnten Jahrhunderts (Band 2): Einzel-Holzschnitte des fünfzehnten Jahrhunderts in der Kgl. Hof- und Staatsbibliothek München / — Straßburg: J.H.Ed. Heitz (Heitz & Mündel), 1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.61935#0029
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Teil des Gewandes. Auf dem Haupt trägt die Heilige über
den lang herabwallenden Haaren eine Krone und einen
Heiligenschein. Mäßig starker Rand, rechts eine zweite
Randlinie, die beschnitten ist. 60: 45.
Schreiber 2950 (1616a).
Bemalung: grün, gelb, ocker, karmoisinlack.
Schwarzer Druck.
Eingeklebt in den oben bei Nr. 1 beschriebenen
Tegernseer Cod. lat. 19 802 auf Bl. 237 r. Die zweite Rand-
linie rechts läßt erkennen, daß das Bildchen an dem
rechten Rand des in der Beschreibung von Nr 1 festge-
stellten größeren Holzschnittblattes angebracht war. Schrei-
ber bezeichnete die dargestellte Heilige als hl. Margareta,
weil der Holzschnitt in dem erwähnten Handschriftenband
zum Texte eines Gebetes an diese Heilige beigeklebt ist;
doch bezweifelte Schreiber selbst schon, ob der Holz-
schnitt die hl. Margareta darstellen sollte, ohne jedoch
anzugeben, welche Heilige denn sonst damit gemeint
sein sollte. Es ist mir nicht zweifelhaft, daß wir in dem
Bildchen eine hochinteressante Darstellung der hl. Küm-
mernis (auch hl. Wilgefortis genannt) vor uns haben. Bei
der großen Verbreitung, welche der Kult dieser Heiligen
in Süddeutschland hatte, ist es begreiflich, daß der Holz-
schneider sie in seine Bildertafel aufnahm. Derjenige,
welcher das Bildchen zu dem Gebet an die hl. Margareta
eingeklebt hat, scheint allerdings die Heilige nicht als
hl. Kümmernis gekannt zu haben; doch kann man das
nicht mit Sicherheit behaupten, weil auch andere Bildchen
in der Handschrift bei Texten eingeklebt sind, welche sich
nicht gerade auf die bildliche Darstellung beziehen.
41. Hl. Matthäus. Der Evangelist steht halb nach
links gewendet da, über dem Untergewand mit Mantel
bekleidet, Heiligenschein auf dem Haupt. Mit seiner rech-
ten Hand hält er eine auf dem Boden aufstehende Helle-
barde, in seiner linken ein schwertähnliches Beil. Doppelte
Randlinien mit Winkellinien. 82 : 59.
Schreiber 2951 (1624a).
Bemalung: grün, gelb, blau, karmoisin, schwarz.
Schwarzer Druck.
Das Bildchen findet sich eingeklebt auf der Innen-
seite des Rückdeckels des Cod. germ. 124; auch die Innen-
seite des Vorderdeckels dieser Handschrift trägt Bild-
schmuck, den unten als Nr. 46 wiedergegebenen hl. Simon.
Beide Apostelbilder, in gleicher Weise geschnitten und
bemalt, gehören offenbar zu einer und derselben Serie
von Aposteldarstellungen. Die mit ihnen geschmückte
Handschrift ist ein deutsches Gebetbüchlein für eine weib-
liche Person und zwar allem Anschein nach für eine
Dominikanernonne. Nähere Herkunft ist unbekannt. Der
Dialekt ist fränkisch. Einband und Schrift gehören der
Mitte der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts an, auch

die Holzschnitte. Eine Hand des 15. Jahrhunderts hat
über Nr. 41 geschrieben: «S. Thatheus», doch ist der
Dargestellte richtiger als der hl. Matthäus zu betrachten.
Meiner Meinung nach gehört zu der erwähnten Serie auch
das Bildchen des hl. Jakobus Minor, welches Schreiber
unter Nr. 1507 verzeichnete und Bouchot als Nr. 113 auf
Planche 60 wiedergab. An den behaupteten lothringischen
Ursprung glaube ich nicht.
42. Hl. Michael. Der Erzengel ist in voller Rüstung
dargestellt, nur das Haupt ist unbedeckt und mit doppel-
randigem Nimbus umgeben. Er setzt seinen rechten Fuß
auf den Leib des vor ihm liegenden Drachen, in dessen
Kopf er mit beiden Händen seine Lanze gestoßen hat.
Der Erzengel trägt große, eigentümlich gezeichnete Flügel.
An seiner linken Schulter trägt er einen Schild, der mit
einem Kreuz belegt ist. Mäßig starke Randlinie. 137 : 74.
Schreiber 1436 und 2952 (1627 a).
Bemalung: grün, hellgelb, blau, karmoisin; der Hinter-
grund ist mit schwarzer Farbe ausgefüllt, worauf 17 aus
je 5 roten Tupfen bestehende Rosetten angebracht sind.
Einzelne Linien des Kopfes sind mit Tinte ergänzt.
Grauschwarzer Druck.
Es ist bis jetzt nicht bemerkt worden, daß Schreiber
diesen Holzschnitt nach zwei verschiedenen Exemplaren
zweimal in seinem Manuel beschrieben hat: einmal als
hl. Georg unter Nr. 1436, das anderemal als hl. Michael
unter Nr. 2952. Man hat es aber zweifelsohne mit dem
gleichen Holzschnitt zu tun, und der Dargestellte ist nicht
der hl. Georg, sondern, da er Flügel (nicht etwa einen
gezaddelten Mantel) hat, der Erzengel Michael.
Darnach ist also auch die Ausgabe der Holzschnitte der
ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts im Königl. Kupferstich-
kabinett zu Berlin von Lehrs zu berichtigen, wo das Bild
unter Nr. 29 noch als hl. Georg bezeichnet worden ist.
Die Wiedergabe des letzteren Exemplars hat den Vor-
zug, daß sie die Zeichnung des Holzschnitts genau er-
kennen läßt, da das Exemplar nur leicht bemalt ist. Ich
gebe aber trotz dieser Reproduktion auch das Münchener
Exemplar wieder als ein typisches Beispiel dafür, wie
sehr durch starke Bemalung und Ergänzung schwacher
Linien mit Tintenstrichen ein Holzschnitt außerordentlich
verändert erscheinen kann. Unser Exemplar ist in der
Tegernseer Handschrift Cod. lat. 18312 auf der Innenseite
des Vorderdeckels eingeklebt, eines Originaleinbandes aus
der Mitte der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Schreiber
hat sowohl das von ihm als hl. Georg beschriebene als
auch das vorliegende bei ihm als hl. Michael erscheinende
Exemplar übereinstimmend in die Zeit von 1440—50 ver-
legt. Bei der Beschreibung des hl. Michael sucht er die
Herkunft in den Niederlanden, während Lehrs seinen
hl. Georg recte Michael als französische Arbeit betrachtet.
Letzteres ist wahrscheinlicher.

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