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Schreiber, Wilhelm Ludwig [Editor]; Heitz, Paul [Editor]
Einblattdrucke des fünfzehnten Jahrhunderts (Band 5): Holzschnitte und Schrotblätter aus der Kgl. Universitäts-Bibliothek in Tübingen — Straßburg, 1906

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https://doi.org/10.11588/diglit.6285#0012
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Diese Darstellung ähnelt der von mir beschriebenen Nr. 760, nur ist das Schweiß-
tuch hier nicht durch in Holz geschnittene Linien wiedergegeben, sondern mit dem Pinsel
in blaßbrauner Farbe angedeutet. Auch hat das Gesicht noch die längliche Form, während
im letzten Viertel des XV. Jahrhunderts die rundliche überwog. Ebenso änderte sich die
Form des Bartes. Bis zum Jahre 146$ etwa pflegte auch die Oberlippe mit Bartwuchs
bedeckt zu sein (wir können dies bei den beiden Königen auf dem Holzschnitt Nr. 1
und auf dem Metallschnitt Nr. ij beobachten), dann aber begann man, der damals
herrschenden Mode gemäß, den Schnurrbart als unschicklich zu betrachten (das vorliegende
Blatt, sowie die Nr. 9 und 14 vertreten diese Uebergangszeit), und der Bart verschwindet
immer mehr aus dem Gesicht, je mehr wir uns dem Ausgange des XV. Jahrhunderts
nähern (vgl. die Nr. 3, 4 und den Heiland am Kreuz auf Nr. 7). Aus diesen Gründen
können wir die Entstehungszeit des Blattes gegen 1470 setzen. Der Schnitt des Stockes
ist zart und scharf; die Kolorierung läßt den schwäbischen Ursprung erkennen.

3. Christus als Schmerzensmann. Auf einem mit Fliesen belegten Boden steht
der Heiland mit entblößtem, von Blut triefenden Körper nach links gewendet neben der
Martersäule. Er hält in der rechten, an den Körper gedrückten Hand die Geißel, in der
andern die Rute. Der Nimbus zeigt ein lilienartiges Muster: unten befindet sich eine
zweizeilige xylographische Erklärung. 18} : 126.

(S. 88$ a.) Holzschnitt aus der Zeit von etwa 1480—85. Kolorit: Gelb, spahngrün,
lackrot, braun. Schwarzer Druck.

Dieses Blatt hat große Aehnlichkeit mit dem von mir unter Nr. 88$ beschriebenen
Holzschnitt. Die hl. Brigitta, von der in der Unterschrift die Rede ist, war eine schwedische
Prinzessin und Stifterin des nach ihr genannten Ordens, zu dem nicht nur weibliche,
sondern auch männliche Mitglieder gehörten. Sie hatte mehrfach Visionen, die sie nieder-
schrieb. Dieses Buch wurde zuerst handschriftlich verbreitet, später aber in vielen Auf-
lagen und Uebersetzungen gedruckt, unter denen sich namentlich die Lübecker Ausgabe
von 1492 und die Nürnberger von i$oo durch ihre Illustrationen auszeichnen (Passavant
hat die letzteren sogar unter die Arbeiten Dürers aufgenommen"). Die vorliegende Szene
aber, die sich darauf bezieht, daß Christus Brigitta erschien und ihr mitteilte, daß er
über 6000 Rutenhiebe erhalten und über 30000 Blutstropfen vergossen habe, war auch
als Einzelblatt viel verbreitet. Die Kolorierung des Blattes deutet auf schwäbischen Ur-
sprung und vielleicht hat das St. Salvator Kloster in Augsburg, eines der berühmtesten
des Brigittenordens, sein Erscheinen veranlaßt.

4. Pieta. Die mit weit ausgebreitetem Kleide am Boden sitzende Maria hält in
ihren Armen den Körper des toten Sohnes. Hinter ihr ragt das T Kreuz mit verkehrter
Inschrift empor, an dessen Arm Rute und Geißel hängen, während an der linken Seite
Schwammstock und Lanze lehnen. Doppeleinfassung. 138 : 87.

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