Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Schreiber, Wilhelm Ludwig [Hrsg.]; Heitz, Paul [Hrsg.]
Einblattdrucke des fünfzehnten Jahrhunderts (Band 6): Holzschnitte des fünfzehnten Jahrhunderts in der Königlichen Landesbibliothek zu Stuttgart — Straßburg, 1907

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.17237#0014
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
einem seiner Holzschnitte (Manuel II, 1851) hat er die Jahreszahl 1479 hinzugefügt,
und auch das vorliegende Blatt dürfte etwa um dieselbe Zeit entstanden sein.

7. Des Teufels und des Engels Spiegel. Typographischer Einblattdruck mit zwei
nebeneinander gedruckten Holzschnitten. Auf dem linken zeigt der Teufel einem
hoffärtigen Paar einen gewöhnlichen Konvexspiegel; auf dem rechten hält ein Engel
einen ähnlichen Spiegel, in dem aber ein Totenschädel sichtbar wird. Je etwa 86 : 86.

(S. i8oja). Kolorit: Gelb, dunkelgrün, blaßbraun, braunrot, rosa. Schwarzer Presse-
druck.

In ähnlicher Weise wie in der Ars moriendi Engel und Teufel um die Seele
eines Sterbenden kämpfen, sucht hier der Teufel ein junges Liebespaar durch Vor-
halten eines Spiegels zur Eitelkeit zu verleiten, während der Spiegel des Engels an
das Ende der Dinge mahnt. Denselben Gedanken, jedoch in wesentlich anderer Auf-
fassung, stellt auch ein Holzschnitt dar (abgebildet Manuel VI, Tf. 15), den, wie ich
ergänzend bemerken möchte, sein früherer Besitzer, Mr. W. Mitchell, inzwischen
dem Kupferstichkabinett des British Museum zum Geschenk gemacht hat. Der Text
unseres Blattes dürfte keine sonderlichen Schwierigkeiten bieten, nur das Wort «gerner»
in der 12. Zeile der zweiten Kolumne ist vielleicht nicht jedem geläufig, und es sei
daher bemerkt, daß Gerner oder Kerner von carnarium abgeleitet ist und das bei den
Kirchhöfen befindliche Beinhaus bedeutet. Unter «Practica» verstand man einen Kalender,
in dem die Ereignisse für das kommende Jahr vorausgesagt wurden und zugleich ange-
geben war, an welchen Tagen gewisse Arznei- und Heilmittel guten oder bösen Erfolg
versprächen; hier ist der Begriff etwas weiter gefaßt und die vorliegende Praktik soll
ein Wegweiser für das ganze menschliche Leben sein. Von besonderer Wichtigkeit ist
aber, daß sich ihr Entstehungsort feststellen läßt. Die Type ist nämlich die größere
Missaltype, deren sich Konrad Kachelofen in Leipzig seit 149$ bedient hat. Im allge-
meinen sind die damaligen Leipziger Bücherillustrationen nicht viel wert, doch kommen
auch einzelne bessere Arbeiten vor, beispielsweise in der Ars moriendi (H. iQjj ff-)
und dem Beichtspiegel (H. 2744 ff.). Anscheinend rühren die beiden Holzschnitte, die
uns beschäftigen, von demselben Meister her, aber sie sind etwas jüngeren Datums,
denn während auf jenen noch die spitzen Schuhe vorwiegen, haben sie hier die breite
Form angenommen, die in den letzten Jahren des XV. Jahrhunderts allgemein in Auf-
nahme kam.

— 10 —
 
Annotationen