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Weinbrenner, Friedrich; Eberlein, Kurt Karl [Editor]
Denkwürdigkeiten aus seinem Leben von ihm selbst geschrieben — Potsdam, 1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.42327#0069
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mann geliehen, allein zum zweitenmal schämte er sich,
Schulden auf Schulden zu machen, und mir verbot mein
Zartgefühl, welches zu borgen.
In unserem Kosthause, bei Madam Weichleben, hatte
ich es zwar übernommen, unsre Wirtin zu bestimmen, daß
sie sich wegen unserer Zahlung noch einen Monat länger
gedulden möchte, weil unser Geld von Haus noch nicht
angekommen wäre, was dieselbe auch mit vieler Artigkeit
zugestand. Zur Bestreitung der Ausgaben, welche wir für
das Abendbrot bar zu machen hatten, war guter Rat teuer,
und als unkluge, unerfahrene Menschen wußten wir auch
nicht den gehörigen Weg deshalb einzuschlagen. Als wir
nun eines Abends unsere gewöhnliche Abendgesellschaft,
die sich wöchentlich ein- oder zweimal bei uns versammelte,
zu erwarten hatten, machte sich Haller gleich nach dem
Mittagessen aus dem Hause, ich arbeitete dagegen bis zur
Dämmerung und entfernte mich dann, um in der Stadt
so lange umherzugehen, bis es spät geworden und ein Be-
such unsrer Gäste nun nicht mehr zu besorgen stand.
Als ich nun aus der Charlottenstraße, in der wir wohn-
ten, herausging und meinen Weg über den Gendarmen-
Platz nahm, rief mir jemand sehr laut nach, und da ich
nicht umzusehen wagte, weil ich mir gleich dachte, daß
dies gewiß einer meiner Freunde und Gäste sei, so ging
mir derselbe nach und fragte mich, wo ich denn noch hin-
wollte, es wäre ja schon spät und er sei soeben im Be-
griff, zu mir in Gesellschaft zu kommen. Zum Glück war
dieses nun mein ehemaliger Reisegefährte von Wien bis
Dresden, Herr Doktor D., ich klagte ihm aufrichtig meine
Not und gestand, daß ich an einen andern Ort zum Abend-

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