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Friedrich, Caspar David; Eberlein, Kurt Karl [Hrsg.]
Bekenntnisse — Leipzig, 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.42326#0070
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sche, menschenferne Einsamkeit dieser Kunst nicht ver-
kennen. Es ist das scheue, schwermütige, vernei-
nende Wesen dieser christlichen Abgewandtheit zu
empfinden, ein Hauch jenes Schopenhauerschen Gei-
stes, der sich immer wieder zu Tier und Pflanze
flüchtet. Es ist der Monolog eines Trostlosen, der
„Klagelaut einer unbefriedigten Existenz", die Not-
wehr eines Besessenen. Es ist trotz aller Gläubig-
keit tabu und tao. Wenn wir uns nun im Bereiche
der Kunst nach einer vergleichbaren Kunst umschauen
wollen, die das Wesen der Dinge mit ähnlicher Ver-
senkung, Entrückung, Hingabe in Stille und Ein-
samkeit bei geheimnisvoller Armut der Mittel ge-
bannt und dargeftellt hat, so bleibt uns nur die
frühe chinesische Landschaftsmalern. Zweifellos er-
innern manche Bilder Friedrichs an solche Gebilde
höchster Kultur und Offenbarung. Waren damals
die Maler wie Zauberer, wie Dämonen mit göttli-
chen Kräften, geehrt und geliebt, so verstand man
dann in Friedrichs Zeit auf der westlichen Halbinsel
Asiens solchen Geist und solche Kunst längst nicht
mehr. Deshalb blieb Friedrich, wie ein krankhafter
Anachronismus, im Tiefsten unverstanden. Auch er,
der dem Geist, nicht der Form, dem Wesen, nicht
den Dingen lebte, konnte wie jener ohne Studien
heimgekehrte Wu-Tao-Tfe sagen: „Ich habe die
Landschaft in meinem Herzen." So tritt uns Fried-
rich als einer jener wenigen Großen entgegen, die
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