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Eberlein, Kurt Karl
Theaterkunst und Kunstwissenschaft — [o.O.], 1930

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.43347#0004
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KURT KARL EBERLEIN
THEATERKUNST UND KUNSTWISSENSCHAFT

Wenn ich hier von Theaterkunst spreche, so meine ich im wesentlichen die
Bühnenkunst, also alles, was der Inszenator schafft, aber auch das, was der bil-
dende Künstler für das Theater schafft. Mit der Theaterkunst befassen sich viele
Provinzen der Wissenschaft, je nachdem, von welchem Standpunkt oder Fragen-
kreis man ausgeht, und jede kann der andern nützlich und hilfreich werden. Von
der Kunstwissenschaft ausgehend, stelle ich vor allem drei Fragen: wieviel hat das
Theater der bildenden Kunst gegeben? Wieviel hat es der bildenden Kunst ent-
nommen? Wie hat es sich in der bildenden Kunst gespiegelt? Um die Beantwor-
tung dieser Fragen haben sich vor allem zwei Wissenschaften bemüht: Kunst-
wissenschaft und Theaterwissenschaft. Beide grenzen sich gegenseitig ab, und doch
kann und sollte keine ohne die andere arbeiten. Wenn ich nun hier versuche, zu-
sammenfassend einen kurzen Überblick über die wichtigsten Forschungen und
Ergebnisse der Kunst- und Theaterwissenschaft für den Zusammenhang zwischen
Theaterkunst und bildender Kunst im alten Okzident zu geben, so kann dies
natürlich nur in Stichproben geschehen und zwar so, daß von der Antike bis zur
Gegenwart der Weg der Betrachtung zugleich mit den Arten der Theaterkunst
zusammengeht, so daß sich eine vorläufige Beantwortung der genannten Fragen
ergibt. Wenn es mir gelingt zu zeigen, was die Kunstwissenschaft zuerst geleistet
hat, aber auch was die Theaterwissenschaft für die Kunstwissenschaft vorgear-
beitet und beigetragen, so ist der sehr gewagte, von einem Einzelnen selbstver-
ständlich nicht ganz erfüllbare Wunsch annähernd erfüllt.
Der Freund der Antike weiß längst, daß der Historiker des antiken Theaters
nicht nur die schriftlichen, sondern besonders die bildlichen Quellen befragen muß,
weil die bildende Kunst nicht nur ein starker Helfer, sondern auch der klare Spiegel
für die aus dem Kult entwachsenen Tragödien und Komödien, Pantomimen und
Volksspiele wie überhaupt für die antike Bühnenkunst war. Das historische Bild
dieser großen Theaterkunst wurde mosaikartig zusammengesetzt, bis Forscher wie
Wieseler, Dörpfeld und Reich, Robert, Wilamowitz, Bieber, Bulle u. a. das Theater-
gebäude, die Bühne, das Bühnenwesen, Kostüm und Maske, Spiel und Sitte mit
mühsamer Genauigkeit wieder anschaulich gemacht hatten. Gehörte der feste
unbewegliche, früheren Vorstufen gefolgte Bühnenbau der Architektur, so gehörten
doch die beweglichen Dekorationen, Versatzstücke, Prospekte der Malerei, schuf

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