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DAS ALTE ALEXANDRIA.

neuen Welt zurück, und in Bezug auf das rafche Erblühen der höheren Güter der Menfchheit: der
Kunft und des Willens, hat keine amerikanifche Stadt ihm auch nur annäherungsweife Aehnliches
zur Seite zu flehen.

Verdankt die grofse Handels- und Gelehrtenftadt ihrer glücklichen Lage folches wunderbar
fchnelle Aufblühen?

Auf den erften Blick will diefs fchwer einleuchten.

Die Külte des nördlichen Aegypten ift flach, einförmig und unfehön, und wenn auch die
Wogen des mittclländifchen Meeres hier im Sonnenfchein nicht weniger blau erglänzen, als an
den von Orangenduft umwehten Ufern von Sorrent und in der förmigen Bucht von Malaga, lo
brechen fie fleh doch im Hafen von Alexandria an zahlreichen, die Schifffahrt gefährdenden
Klippen.

Trotz des weithin ftrahlenden Leuchtfeuers auf dem Pharus von Ras-et-Tin kann und darf
heute noch kein Fahrzeus; bei Nacht in den alexandrinifchen Hafen einlaufen. Ein künftlicher
Kanal, den Mohammed Ali, der Gründer des vizeköniglichen Haufes, anlegte und nach dem damals
regierenden Sultan den Mahmudije-Kanal benannte, kein Mündungsarm des Nil bewäffert das
Weichbild der Stadt und liefert Trinkwaffer, das fleh der nur falzige Quellen fpendende Boden
Aegyptens durch Anlage von Brunnen nicht abgewinnen läfst.

Regnerifch und von Stürmen umweht ift in den Wintermonaten die alexandrinifche Küfte,
und der Himmel, deffen reine Bläue fehon über Cairo nur leiten von Wolken umfchleiert wird,
die in flüchtigen Schauern niedergehen, ift hier in den Wintermonaten nicht weniger häufig
getrübt, als auf den Halbinfeln des füdlichen Europa. Dabei war die Stätte, die Alexander
wählte, um einen Ort auf ihr zu begründen, welcher die Güter Aegyptens und die arabifchen
und indifchen Schätze und Wunder dem Weltverkehr überliefern follte, im äufserften Nordweften
der Deltaküfte, alfo weit entfernt von der Aegypten und Syrien verbindenden Karawanenftrafse
und dem rothen Meere gelegen.

Und dennoch ift der Platz, welchen der geniale Scharfblick Alexander's auswählte, der
einzige in Aegypten, der alle Bedingungen in fich vereinte, die für den Weltort, wie Alexander
ihn dachte und wie er fich thatfächlich feiner Erwartung gemäfs geftaltete, erforderlich waren.

Eine grofse griechifch-ägyptifche Stadt in feinem Sinne hatte die doppelte Aufgabe zu
erfüllen, die Erzeugniffe des Nilthals und die auf dem rothen Meere von Süden her dorthin
gebrachten Waaren in ihrem Hafen zu vereinigen, um fie von dort aus durch hellenifche Händler
in den Weltverkehr überführen und anderfeits das in dem neuen Emporium aufblühende hellenifche
Leben auf Aegypten wirken zu lallen. Erftarrt und regungslos wie feine Mumien hatte er das
alte Reich der Pharaonen gefunden. In Alexandrien follte der griechifche Geilt eine neue Heimat
finden, die Jahrtaufende alten Bande Aegyptens löfen und den Barbarenftaat am Nil zu einem
regfamen Gliede des gewaltigen Körpers jenes griechifchen Weltreichs umgeftalten, deffen
Errichtung er für das Endziel feiner Heldenlaufbahn anfah.

Im Offen der ägyptifchen Küfte lagen die alten Häfen von Pelufium und Tanis an den
gleichnamigen Mündungsarmen des Nil. Er wählte fie nicht zur Anlage des neuen Griechenorts,
denn es war feinem eigenen oder dem Scharfblick der feine Armeen begleitenden Gelehrten nicht
entgangen, dafs die von Welten nach Offen wogende Strömung des Mittelmcers, welche die
ägyptifche Küfte befpült, den mit der Ueberfchwemmung alljährlich in die See geführten Nilichlamm
mit fich führt und die weiter öftlich gelegenen Häfen verdirbt.

Wie recht er gefehen, hat die Zukunft bewiefen, denn während heute noch alljährlich
 
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