Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
38

DAS NEUE ALEXANDRIA.

und doch grofsartig und unvergleichlich als Zeugnifs, wie tief ergriffen und ganz durchdrungen
von religiöfer Empfindung das Leben jener Zeit gewefen ift.

Am berühmteften und folgenfehwerften geworden find die Streitigkeiten über die Frage, ob
Jefus ähnlichen oder gleichen Wcfcns fei mit Gott, und die andere: ob man an zwei Naturen
in Chrifto oder nur an eine (die göttliche) zu glauben habe. Der letzteren, von Eutyches
vertheidigten Anficht fchlofs Geh der Patriarch von Alexandria, Dioskoros, und mit ihm feine
Gemeinde an, während üe auf dem Konzil zu Chalcedon verworfen und verketzert ward. Die
alexandrinifchen Kaifer, welche Aegypten beherrfchten und lieh dem Befchluffe des Konzils
unterwarfen, bekämpften die Irrlehre der Monophyfiten, das heifst derjenigen, welche nur eine
Natur in Chrifto fehen wollten; die Aegypter aber hielten an ihrem Glauben feft und befchimpften
die der orthodoxen Lehre Anhängenden mit dem Namen Melikiten, den wir «Königsknechte»
überfetzen möchten. Heute noch find die einheimifchen Chriften in Aegypten, die wir als
«■Kopien» kennen lernen werden, Anhänger der monophyfitifchen Lehre.

Die Beamten und Truppen der orthodoxen Kaifer verfuhren mit Härte gegen die anders-
gläubigen Unterthancn, die fich dem erzwungenen Wechfel der Bifchöfe widerfetzten, und blutige
Strafsenkämpfe, in denen die Soldaten Sieger zu bleiben pflegten, dezimirten die Bürgerichaft
von Alexandria, zu der als ein neues, ftürmifches, das Leben verachtendes Element die ungeheure
Zahl der hier zufammenftrömenden Diener der Kirche, Mönche und Anachoreten aus allen Theilen
Aegyptens, des seit dem Ende des vierten Jahrhunderts an klöfterlichen Niederlaffungen reichften
Landes der Welt, getreten war.

Es möchte fcheinen, als habe in jener merkwürdigen Zeit die Religion aufgehört, und nur
der Sinn für das Dogma die Gemeinfchaft der Chriften beherrfcht. Doch ift dem nicht fo; es
hat fich nur in den Büchern der Gefchichtsfchreiber, die in jener Zeit fo viel von grofsartigen
Stiftungen und Bekehrungen, von Märtyrerthum und Viüonen, Wort- und Schwertkämpfen für
den Glauben zu erzählen haben, kein Raum gefunden für Befchreibungen des Lebens im Innern
des chriftliehcn Haufes, der chriftlichen Familie und des an äufseren Entbehrungen und gemüth-
lichcn Erhebungen reichen Dafcins der füll und aufrichtig nach Erlöfung und Läuterung ringenden
Einfledler und Büfser, unter denen viele fchweigend den Armen ihre Habe gegeben hatten, um
fern von der Welt unter Gebet und Entbehrungen das Paradies zu erwerben.

Das rechtgläubige Byzanz wurde dem chriftlichen Alexandria gefährlicher, als es das
heidnifche Rom gewefen war; denn es forderte nicht nur das Gut und Blut feiner Bürger,
fondern fuchte auch feinen edelften Ruhmestitel, die Centralftelle der Wiffenichaften zu fein, auf
fich zu übertragen. Aufser den heidnifchen hatten die gröfsten chriftlichen Gelehrten der
Kaiferzeit, ein Clemens, Origencs, Athanafius, hier gelebt. Nun erlofch das höhere geiftige
Leben und Streben in der Alexanderftadt, der kein Unglück erfpart blieb.

Die byzantinifchen Befatzungen waren zu fchwach, die Grenzen Aegyptens vor den Einfällen
räuberifcher Wüftenftämme zu fchützen, die Statthalter zu felbftfüchtig, um für die Bewäfferung
des Landes gehörig zu forgen. Die Ernten und die Kornausfuhr gingen zurück, der Handel ftockte
und die induftrielle Thätigkeit erlahmte. Dazu kamen Peft und Hungersnoth und wüthende
Aufftändc der darbenden, nach jeder Richtung hin beeinträchtigten Bürger. Nur Einzelne hatten den
väterlichen Reichthum zu erhalten gewufst, unter ihnen der edle, zum Chriftenthum übergetretene
Jude Urbib, der mit fürftlicher Freigebigkeit die Leiden feiner darbenden Stadtgenoffen linderte.

Aus Byzanz, von den Melikiten, den Andersgläubigen, kamen die fchwerften Unglüeks-
fchläge, die die Stadt und das Land betrafen. AVas Wunder, dafs, als kurz nach dem Tode
 
Annotationen