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DURCH DAS DELTA.

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um fehr unheiliger Zwecke willen nach Tanta. Angebot und Nachfrage find grofs auf der
Meile, und es ift felbft auf den Pilgerfahrten nach Mekka den Moslimen erlaubt, Handel zu
treiben. Viele Pferde und Kamele, fowie Horn- und Wollviehheerden in Mengen werden hier
zum Verkaufe zufammengetrieben, das Gefchäft in Bodenprodukten foll beträchtlich lein und
innerhalb der Stadt werden in Buden, wie auf unferen Jahrmärkten, allerlei Fabrikate feilgeboten.
Vielfach ficht man hinter dem Verkaufsbrette den Handwerker in voller Thätigkcit. Was hier
feilgeboten wird, will das lagen, kommt aus erßer Hand und der Meifter kann für den AVerth
der eigenen Arbeit flehen. Die Garküchen find dicht befetzt; aber der befcheidencre Mann kauft
fich als Zukoft nur ein Stück Dattelbrod. Diefs letztere befteht aus entkernten zufammengeprefsten
Datteln und übt auf die Fliegen, gegen die fein Verkäufer einen ununterbrochenen Kampf auszu-
fechten hat, eine noch gröfsere Anziehungskraft als auf die Menfchen.

Wie die Sperber den Zugvögeln, fo folgen die Diebe den Befuchern der Meffe, und Niemand,
der hier einen Freund hat, betritt, ohne vor ihnen gewarnt
worden zu lein, den weiten Platz zur Seite des Roismarkts,
bei welchem alle Luftbarkeiten, die das Morgenland kennt,
den Pilgern dargeboten werden.

Aber die Freuden des Molid find keineswegs an dielen
einen Platz gebunden, vielmehr lind alle Kaffeehäufer der
Stadt glänzend erleuchtet, und lchon von ferne tönt uns aus
ihnen Ichrille arabilche Mufik, Caftagnettengeklapper und das
«Ja faläm» (Bravo!) der Zulchaucr und Hörer entgegen.
Alles, was das Nilthal an Tänzerinnen und Sängerinnen
und an geputzten und gefchminkten Dienerinnen der Venus
befitzt, ftrömt hier zulammen. Zu Tanta Iahen wir eine
Ghäzije (Tänzerin) wieder, die wir im Haufe des deutlchen
Koniularagenten zu Lukfor im fernen Oberägypten bewundert
hatten. Nur die berühmteften kairener Almehs oder Sänge-
rinnen halten lieh von dem Jahrmarkte fern; aber auch unter
den lieh hier produzirenden gibt es geichätzte Gröfsen und
Frauen von feltener, eigenthümlicher Schönheit. Sie bilden
einen abgefchloffenen Stamm, der fich durch manche äulsere Merkmale, namentlich in der Gefichts-
bildung, von den eigentlichen Aegypten! unterfcheidet, und haben auch Vorfteherinnen, von denen
wir eine, vielleicht nur lcherzweifc, «Machbuba-Bej» nennen hörten. Wir werden ihnen in Ober-
ägypten wieder begegnen und dort ihre kleidfame Tracht, ihren reichen Schmuck und die Art
ihrer Kunftübung in weniger lauter und drängender Umgebung zu betrachten Gelegenheit finden.
Wohin zur Mclszeit in Tanta das Auge Ichaut, begegnet es ihnen, und zu ihnen gefcllen fich
Tänzer in Frauentracht, Gaukler und Tafchcnfpieler jeder Art, die gewöhnlich im Freien, von
einem am Boden hockenden Zulchauerkreile umringt, ihre Künfte zum Beften geben. Die Naivität
und Gutherzigkeit der Orientalen kommt hier befonders lebhaft zum Ausdruck.

Man mufs es gefehen haben, wie freundlich die Erwachfenen den Kindern Platz machen
und fie in die vorderen Reihen flehen, wie die Gröfseren den Kleineren, die Männer den Frauen
das Schauen erleichtern, wie tiefes Fntictzen lieh in allen Blicken malt, wenn der Tafchenfpieler
den Theaterdolch erhebt, und wie andächtig der ganze Kreis fich verneigt, wenn der Hanswurft
den Namen des Höchften, den Namen «Allah» ausfpricht! Niemals hörten wir herzlicher lachen,
 
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