BIS THEBEN.
261
die Beftimmung gehabt zu haben feheinen, die Regengoffen zu tragen. Sie find gewifs in dem
an feuchten Niederfchlägen reicheren Unterägypten zuerft gebildet worden und von dort in die
faft völlig regenlofen füdlicheren Gaue, zu denen fchon der von Dendera gehört, übertragen
worden. Uebrigens deuten fie auch, was Brugfch zuerft aus den fie umgebenden Infchriften
erkannte, auf das Thierkreiszeichcn des Löwen als Bringer der Ucberfchwemmung.
Dem Laien muis es feheinen, als fei es kaum möglich, fich in den Hunderttaufenden der
diefs Bauwerk von Innen und Aufscn wie ein jeden Stein überfpannendes Netz bedeckenden
Bilder und Hieroglyphenreihen zurecht zu finden, und doch ift diefs weit weniger fehwer, als
es auf den erften Blick feheinen möchte, denn an allen ägyptifchen Tempeln finden fich Dar-
ftellungen und Texte ähnlichen Inhalts an den gleichen Stellen wieder. Wie bei der Anordnung
der Einzelgruppen des Tempels der Architekt, fo war der Bild-
hauer, dem feine Ausfchmückung oblag, an gewiife alte heilige
Regeln gebunden. Wer eins von diefen Heiligthümern genau
kennt, der findet fich leicht in allen anderen zurecht, und aus
diefem Grunde und um Wiederholungen zu vermeiden, haben
wir den Tempel von Dendera fo eingehend behandelt und uns
feiner gleichfam als Mufterbild und Beifpiel bedient. — Die
Pylonen fehlen leider dem Hathortempel. An ihren breiten
geneigten Flächen und den Aufsenwänden wurden die auf die
Siegesthaten des Pharao im Auslande bezüglichen Bilder und
Infchriften fo angebracht, dafs fie auch von dem Volke, dem
der Eintritt in die Wohnung der Gottheit verfagt war, über-
fchaut werden konnten. Für die Betrachtung diefer kriegerifchen
Szenen werden uns die Tempel von Theben die günftigfte Ge-
legenheit bieten; dagegen wird an den religiöfen Bauten aus
der Ptolemäerzeit und auch zu Dendera eine andere Gruppe
von Darftellungen und Infchriften, die fich gleichfalls an den
Aufsenmauern oder in einzelnen Innenräumen in einer von dem
Auge leicht erreichbaren Höhe angebracht finden, ausführlicher
behandelt als anderwärts. Sie haben zum Zweck, die ftaatliche
und religiöfe Eintheilung des Pharaonenlandes in eigenartiger
Weife zur Anfchauung zu bringen und beftehen aus einer
langen Reihe von weiblichen Figuren oder mann-weiblichen Mifchgeftalten, denen der König
(oft auch mit feiner Gemahlin) voranfehreitet und dem ihnen entgegenfehauenden Bilde der
Hauptgottheit des Tempels Gaben darreicht. Jede von diefen Geftalten ftellt einen Gau oder
Nomos dar; welchen? zeigt das Geftell auf ihren Köpfen, das zufammengefetzt ift aus dem
Bilde eines von Kanälen durchfehnittenen Landftücks, einem mit einem Bande verzierten ftandarten-
artigen Träger und dem Thiere oder Dinge, das dem einzuführenden Gau als Wappenzeichen
diente. Neben diefen Figuren werden in mehr oder minder ausführlichen Beifchriften die Unter-
abtheilungen der von ihnen dargeftellten Nomen: ihre Hauptftadt, Kanäle, Aecker und das fo-
genannte Hinterland mit feinen Sümpfen und Teichen behandelt. Aufserdem erfahren wir durch
fie die Namen der Hauptgottheiten des Tempels, des zu ihm gehörenden Ofirisgrabes, der in
diefem beftatteten Glieder des Gatten der Ifis, der Schlangen, Bäume und Barken, die den Göttern
des Nomos geheiligt waren, fowie ihres hohen Prieftcrs und ihrer Priefterinnen. Endlich werden
LOWE VON DENDERA.
Ebers, Aegyptex. II.
66
261
die Beftimmung gehabt zu haben feheinen, die Regengoffen zu tragen. Sie find gewifs in dem
an feuchten Niederfchlägen reicheren Unterägypten zuerft gebildet worden und von dort in die
faft völlig regenlofen füdlicheren Gaue, zu denen fchon der von Dendera gehört, übertragen
worden. Uebrigens deuten fie auch, was Brugfch zuerft aus den fie umgebenden Infchriften
erkannte, auf das Thierkreiszeichcn des Löwen als Bringer der Ucberfchwemmung.
Dem Laien muis es feheinen, als fei es kaum möglich, fich in den Hunderttaufenden der
diefs Bauwerk von Innen und Aufscn wie ein jeden Stein überfpannendes Netz bedeckenden
Bilder und Hieroglyphenreihen zurecht zu finden, und doch ift diefs weit weniger fehwer, als
es auf den erften Blick feheinen möchte, denn an allen ägyptifchen Tempeln finden fich Dar-
ftellungen und Texte ähnlichen Inhalts an den gleichen Stellen wieder. Wie bei der Anordnung
der Einzelgruppen des Tempels der Architekt, fo war der Bild-
hauer, dem feine Ausfchmückung oblag, an gewiife alte heilige
Regeln gebunden. Wer eins von diefen Heiligthümern genau
kennt, der findet fich leicht in allen anderen zurecht, und aus
diefem Grunde und um Wiederholungen zu vermeiden, haben
wir den Tempel von Dendera fo eingehend behandelt und uns
feiner gleichfam als Mufterbild und Beifpiel bedient. — Die
Pylonen fehlen leider dem Hathortempel. An ihren breiten
geneigten Flächen und den Aufsenwänden wurden die auf die
Siegesthaten des Pharao im Auslande bezüglichen Bilder und
Infchriften fo angebracht, dafs fie auch von dem Volke, dem
der Eintritt in die Wohnung der Gottheit verfagt war, über-
fchaut werden konnten. Für die Betrachtung diefer kriegerifchen
Szenen werden uns die Tempel von Theben die günftigfte Ge-
legenheit bieten; dagegen wird an den religiöfen Bauten aus
der Ptolemäerzeit und auch zu Dendera eine andere Gruppe
von Darftellungen und Infchriften, die fich gleichfalls an den
Aufsenmauern oder in einzelnen Innenräumen in einer von dem
Auge leicht erreichbaren Höhe angebracht finden, ausführlicher
behandelt als anderwärts. Sie haben zum Zweck, die ftaatliche
und religiöfe Eintheilung des Pharaonenlandes in eigenartiger
Weife zur Anfchauung zu bringen und beftehen aus einer
langen Reihe von weiblichen Figuren oder mann-weiblichen Mifchgeftalten, denen der König
(oft auch mit feiner Gemahlin) voranfehreitet und dem ihnen entgegenfehauenden Bilde der
Hauptgottheit des Tempels Gaben darreicht. Jede von diefen Geftalten ftellt einen Gau oder
Nomos dar; welchen? zeigt das Geftell auf ihren Köpfen, das zufammengefetzt ift aus dem
Bilde eines von Kanälen durchfehnittenen Landftücks, einem mit einem Bande verzierten ftandarten-
artigen Träger und dem Thiere oder Dinge, das dem einzuführenden Gau als Wappenzeichen
diente. Neben diefen Figuren werden in mehr oder minder ausführlichen Beifchriften die Unter-
abtheilungen der von ihnen dargeftellten Nomen: ihre Hauptftadt, Kanäle, Aecker und das fo-
genannte Hinterland mit feinen Sümpfen und Teichen behandelt. Aufserdem erfahren wir durch
fie die Namen der Hauptgottheiten des Tempels, des zu ihm gehörenden Ofirisgrabes, der in
diefem beftatteten Glieder des Gatten der Ifis, der Schlangen, Bäume und Barken, die den Göttern
des Nomos geheiligt waren, fowie ihres hohen Prieftcrs und ihrer Priefterinnen. Endlich werden
LOWE VON DENDERA.
Ebers, Aegyptex. II.
66