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UNIVERSITÄTS-MOSCHEE EL-AZHAR.

jüngfte Generation

der Studirenden

verfammclt, und der von ihm zu interpretirende Text wird
von einem feiner Schüler vorgelcfen. Der blinde Schech hört aufmerkfam zu und ift mit einem fo
ausgezeichneten GedäcWifs begabt, dals er bei dem geringfügigften Fehler den Stab, den er auch
in feiner fitzenden Stellung nicht aus der Hand legt, in drohender Weife gegen den Schüler erhebt.

Wir wandern nicht nur heute,
fondern viele Tage hinter ein-
ander von Säule zu Säule, hören
den Profefforcn zu und bald
bemerken wir, dafs keiner von
allen in einer Reihe von zu-
fammenhängenden freien Vor-
trägen einen Gegenftand der
Wiffenfchaft fclbftftändig be-
handelt. Diefe unter uns hoch
ausgebildete Lehrmethode ift
den Orientalen fremd gewor-
den, und auch die gröfsten unter
ihren Gelehrten begnügen fich,
feitdem die fchöpferifche Ge-
nialität unter ihnen allmälig
erlofchen, mit der Interpretation
von beftimmten Texten und der
Kommentirung von Kommen-
taren oder gar Superkommen-
taren. Aus der älteren Literatur
fchöpfen üe ihre Nahrung und
an ihr üben fie ihren Scharffmn.
In eintöniger Weife verliest der
Profeffor Text und Kommentar.
Den erfteren macht er durch die
einleitenden Worte: «Es fagt
der Verfaffer; Gott hab' ihn
feiig», den zweiten durch den
Satz: «Es fagt der Erklärer»
kenntlich. Hin und wieder.
unterbricht die fchüchterne
Frage eines Schülers den Vor-
trag. Bei fchwierigen Stellen
fragt wohl auch der Profeffor:
«Gott fei Dank; ich hab' es

KAIRENER GELEHRTER.

empfängt

gewöhnlich zur Antwort:

«Haft Du verftanden?» und
gefafst.»

Anderthalb bis zwei Stunden dauert ein Colleg. Mit den Worten: «Bis hierher, und Allah
möge uns Einficht verleihen» pflegt es abgefchloffen zu werden. Nun erheben fich die Studenten,
nähern fich einzeln ihrem Lehrer, küffen ihm zum Abfchiede die Hand und le<ren ihr Heft in
 
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