Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Ebers, Georg [Honoree]
Aegyptiaca: Festschrift für Georg Ebers zum 1. März 1897 — Leipzig, 1897

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7#0155
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
140 Steindorff, Eine neue Art ägyptischer Kunst.

Stellungen gewonnen, und die uns in eine uralte, vorgeschichtliche Zeit
geführt haben, getäuscht — oder die landläufigen Anschauungen von der
vorgeschichtlichen Kunst der Ägypter sind falsch. Und hier möchte
ich wohl das letztere annehmen. Wie auf griechischem Boden der
hellenischen Kunst schon eine blühende vor! ι ell en i sehe vorausgegangen
ist, wie an den Ufern des Euphrat im dritten und vierten vorchrist-
lichen Jahrtausend schon eine Kunst geblüht hat^ deren Stil dem der
späteren babylonisch-assyrischen Kunst in vieler Hinsicht weit überlegen
war, so ist es nicht unmöglich, dass auch im Nilthal β vor der uns be-
kannten ägyptischen Kunst schon eine ältere, in ihrer Art vollkommene
zur Entwickelung gelangt ist, die stilistisch von jener in manchen Punkten
abwich. Wie in Griechenland die mykenische, in Babylonien die
archaische von Tello, so ist auch sie irgendwie unterbrochen worden
und hat einer anderen Kunstrichtung weichen müssen, die sich in der
historischen Zeit fortgesetzt hat. Dass uns bisher von dieser vor-
historischen Kunst noch nichts bekannt geworden, darf Niemanden
Wunder nehmen '. Wer hätte wohl vor 25 Jahren von der grossen
mykenischen Kunst oder der babylonischen von Tello etwas geahnt?
wer hätte zu behaupten gewagt, dass vor den Agineten schon Werke
wie die Goldbecher von Vaphio, vor der Statue des Asaurnasirpal
schon Statuen wie die Gudea's geschaffen worden sind?

So glaube ich auch, dass, wenn man sieb einmal von den
ziemlich klar zu Tage tretenden „uralten" Eigentümlichkeiten unserer
Beliefs in eine vorgeschichtliche Zeit führen lässt, man sich nicht
wundern darf, hier gewissen neuen Erscheinungen zu begegnen, von
denen man sich früher nichts träumen liess. Der Weg von unseren
Beliefs mit ihren Darstellungen und Schriftzeichen zu den Beliefs des
Amten-Grabs und seinen Hieroglyphen ist kein gerader, aber doch
auch kein verschlungen er er, als der, welcher von der „mykenischen"
zur hellenischen Kunst leitet. Wie viel Zeit dieser Weg in Anspruch
genommen hat, lässt sich natürlich schwer sagen; doch brauchen dafür
nach andern Parallelen nicht lange Jahrhunderte in Ansatz gebracht

' Die in der ägyptischen Altertumskunde schon oft beobachtete Thatsacbe, dass
neuen, zuer.ii cinzii• lia^htnd.rn Kunden schnell andere der gleichen Art folgen,
scheint sich auch jetzt wieder zu bestätigen. Der Auffindung der vorgeschichtlichen
lliii-Siatutiii in Kupios ist du: Kutdeckmip: dm- iimf¡iii£re¡í;¡nr!i T'jietisr:idt bei Ncg/ciu-
die vielleicht auch in die Urzeit reicht, gefolgt, und jetzt lassen die Grabungen io
Abydos sicherem Vernehmen nach neue Funde aus der Periode vor der III. Dynastie
aus Licht treten. Hoffentlich tragen sie dazu bei, die ägyptische Konsteatwicklung
vor dem alten Reiche weiter zu erhellen.
 
Annotationen