Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Eckardt, Ludwig
Wander-Vorträge aus Kunst und Geschichte — Stuttgart: Rieger'sche Verlagsbuchhandlung (A. Benedict), 1868

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.69948#0349
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
335

Aufschwung. Er schuf im Geiste der Zeit, die sich von den Indi-
viduen den Massen, von der politischen der Kulturgeschichte zu-
wendet, ein höheres Gattungsbild; er lehrte, wie man die Indi-
vidualität eines ganzen Volkes erfassen und in grossen Zügen
darstellen könne; sein Landmann der pontinischen Sümpfe, auf den
Stier gestützt, sieht wie ein Cincinnatus aus, der vom Pfluge auf das
Kapitol geholt werden könnte. Unsere Maler geben wol Kostüm-
bilder der einzelnen Stämme; aber eines nationalen Gattungsbildes
im grossen Style Robert’s entbehren wir noch heute. Es liegt viel-
leicht nicht an den Malern, sondern am Mangel eines politischen und
geschichtlichen Hauches in unserem Volkswesen. Wenn sich das
Volk nicht über die Linie der Familie erhebt, wie können wir es
vom Künstler verlangen? —
Noch sei eines Moments in der neueren Bewegung der Malerei
gedacht, des Wieners Karl Kahl, der das Studium der alten
Meister im Kolorit, namentlich der Venetianer neubelebte und ein-
seitig in dieser Reform, in der Farbe schwelgte.
Seine Schule liebte es mit Recht — im Gegensätze zu den
kleinen Geistern, die mit lichten Farben um flüchtigen Beifall
buhlen, — in einem tiefdunklen Grunde einzusetzen und aus ihm
die lichttragende Gestalt um so energischer, plastischer hervortreten
zu lassen.
Lionardo da Vinci ruft: „Maler, wenn Du den Glanz des
Ruhmes begehrst, fürchte die Dunkelheit der Schatten nicht!“

Wir wenden uns zu der Plastik.
Der Grieche sah mit dem Auge des Bildhauers; es ist dieses
plastische, die Formen scharf auffassendc Sehen ein Sehen der Dinge,
wie sie sind, ein klares Erfassen.
Schon um dieser erzieherischen Bedeutung willen verdient die
Plastik »die liebevollste Pflege; sie geht aus kräftigen Geistern,
gesunden oder gesundenden Zeiten hervor; sie kräftigt die Schwester-
künste, sie predigt Styl.
Wenn alle Künste verdürben, und sie bliebe rein und stylvoll;
an ihr würden alle wieder genesen können.
 
Annotationen