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Das Haus und die Freunde, 1830—1840.
dem Hauptgrundsatze ausgingen: „Armuth ist ein Segen; sie regt an
zur Selbstthütigkeit, zum Selbstdenken." — Er duldete auch bei den
Kindern kein müßiges Lungern. Sie mußten sich mit etwas be-
schäftigen. Höchstens im Atelier durften sie als ruhige und stumme
Zeugen der Arbeit über deren Werth und Bedeutung durch die An-
schauung denken lernen, von welcher Erlaubniß gern ehrfurchtsvoller
Gebrauch gemacht ward. — Der Besuch der Eltern fiel mit großer
Regelmäßigkeit in die Jahreswende, welche das Weihnachtsfest mit
dem Geburtstage des Vaters verknüpfte. Dieser persönliche Festtag
vereinigte meistens den Berliner Freundeskreis nut den Familienge-
nosscn. Es kam auch zu kleinen Festspielen, zu deren Dichtung der
Student der Theologie Bartsch sich begeisterte, der durch lange Jahre
auch noch als Doktor der Philosophie und Direktor einer städtischen
Schule der Gelegcnhcitsdichter des Hauses blieb, dem er in unwandel-
barer Verehrung zugcthan war. Daß die Enkel sich den üblichen
Huldigungen durch Leistungen der eigenen Talente nicht entzogen,
theilt uns das einundscchzigjährige Geburtstagskind mit, welches
Eugenie und Marie „mit den Anfängen ihrer musikalischen Studien
erfreuten, indem sie ein sogenanntes guatroumiu spielten." — Der
Verkehr mit entfernteren Verwandten in der Heimath beschränkte sich
immermehr ans Briefwechsel, seitdem der einzige nähere Blutsverwandte,
der Vetter Hofrath vr. Mund henk, gestorben war, für Ranch „ein
zärtlich liebender Bruder von der frühesten Kindheit bis an sein
Ende." — Es blieb nur noch die Familie Engelhardt, durchweiche
Rauch sich fast Jahr für Jahr Bericht über deren sämmtliche Ange-
hörige in Flechtdorf, Bernsdorf, Mengeringhanscn und über sonstige
Jugendbekanntschaften, abstatten ließ, über den Sohn seines Lehrherrn
Valentin zu Helsen, den Tischler Kaulbach und dessen Bruder,
den Goldarbeitcr, dessen Sohn ein „geschickter Maler" in München
geworden. — Die Briefe Rauch's waren in der Regel mit Geld-
sendungen verbunden, deren Verwendung für die Hülfsbedürftigen
häufig den Ortspredigern übertragen ward. Da er aber die ihm zur
Gewohnheit gewordenen Sendungen der hcimathlichen Leberwurst aus
dem Mundhenk'schen Hanse durch bezahlte Bestellungen ersetzen wollte,
Das Haus und die Freunde, 1830—1840.
dem Hauptgrundsatze ausgingen: „Armuth ist ein Segen; sie regt an
zur Selbstthütigkeit, zum Selbstdenken." — Er duldete auch bei den
Kindern kein müßiges Lungern. Sie mußten sich mit etwas be-
schäftigen. Höchstens im Atelier durften sie als ruhige und stumme
Zeugen der Arbeit über deren Werth und Bedeutung durch die An-
schauung denken lernen, von welcher Erlaubniß gern ehrfurchtsvoller
Gebrauch gemacht ward. — Der Besuch der Eltern fiel mit großer
Regelmäßigkeit in die Jahreswende, welche das Weihnachtsfest mit
dem Geburtstage des Vaters verknüpfte. Dieser persönliche Festtag
vereinigte meistens den Berliner Freundeskreis nut den Familienge-
nosscn. Es kam auch zu kleinen Festspielen, zu deren Dichtung der
Student der Theologie Bartsch sich begeisterte, der durch lange Jahre
auch noch als Doktor der Philosophie und Direktor einer städtischen
Schule der Gelegcnhcitsdichter des Hauses blieb, dem er in unwandel-
barer Verehrung zugcthan war. Daß die Enkel sich den üblichen
Huldigungen durch Leistungen der eigenen Talente nicht entzogen,
theilt uns das einundscchzigjährige Geburtstagskind mit, welches
Eugenie und Marie „mit den Anfängen ihrer musikalischen Studien
erfreuten, indem sie ein sogenanntes guatroumiu spielten." — Der
Verkehr mit entfernteren Verwandten in der Heimath beschränkte sich
immermehr ans Briefwechsel, seitdem der einzige nähere Blutsverwandte,
der Vetter Hofrath vr. Mund henk, gestorben war, für Ranch „ein
zärtlich liebender Bruder von der frühesten Kindheit bis an sein
Ende." — Es blieb nur noch die Familie Engelhardt, durchweiche
Rauch sich fast Jahr für Jahr Bericht über deren sämmtliche Ange-
hörige in Flechtdorf, Bernsdorf, Mengeringhanscn und über sonstige
Jugendbekanntschaften, abstatten ließ, über den Sohn seines Lehrherrn
Valentin zu Helsen, den Tischler Kaulbach und dessen Bruder,
den Goldarbeitcr, dessen Sohn ein „geschickter Maler" in München
geworden. — Die Briefe Rauch's waren in der Regel mit Geld-
sendungen verbunden, deren Verwendung für die Hülfsbedürftigen
häufig den Ortspredigern übertragen ward. Da er aber die ihm zur
Gewohnheit gewordenen Sendungen der hcimathlichen Leberwurst aus
dem Mundhenk'schen Hanse durch bezahlte Bestellungen ersetzen wollte,