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Die Meisterschaft, 1815—1830.

befruchtende und fürsorgende Beziehung zur Jugendwelt, wird auf
das klarste dargelegt durch seine Vereinigung mit zwei Kindern zu
einer Gruppe, die in den Linien vollendet schön aufgebaut ist. Die
Geste der in einander greifenden Bewegungen beider Arme deutet, wie
er den Segen von oben auf's Haupt der Kleinen legt.
Die ausgeführten historischen Monumente dieser Periode sind
hiermit erschöpft; denn zu dem für Frankfurt projektirten Goethe-Denkmal
sind nur Skizzen entstanden: ein Standbild und mehrere Sitzbild-
entwürfe, welche unter spezieller Mitwirkung Goethe's, übrigens aber
in vollem Einverständniß Rauch's in durchaus idealer Tracht (Toga
und Tunica) gedacht waren.
Die sogenannte Kostümfrage war einmal in Fluß gekommen, seit-
dem es dem künstlerischen Bewußtsein klar geworden, daß unter allen
Umständen wenigstens die Kombination eines römischen Waffenkleides
mit der Allongeperrücke aufgegeben werden müßte. Die Lösung der
Frage ward durch Schadow Praktisch eingeleitet, durch Rauch mit
prinzipiellerem Bewußtsein weitergeführt. Schadow war der Mann der
That. Nichts lag ihm ferner, als über sein Kunstschaffen zu theore-
tisireu. Dies mißglückte auch beständig, so oft er es versuchen mochte,
und so kam es, daß er selbst über die Bedeutung der That, welche
die Kunstgeschichte als sein eigenstes Verdienst rühmt, soweit dabei die
Kostümfrage in Betracht kommt, nie sich klar geworden ist. Das ab-
schließende Selbstbekenntniß über seine Einführung des historischen
Kostümes geht dahin, daß es für kleine Darstellungen, allenfalls noch
in Lebensgröße zulässig sei, aber in kolossalem Maßstab wird es „wahr-
scheinlich in kurzer Zeit und später bei unseren Enkeln lächerlich er-
scheinen." Dem gegenüber erscheint Rauch als der bewußte Vermittler
zweier Gegensätze, welche damals als faktische Zulässigkeit und theo-
retische Unzulässigkeit des realistischen Kostüms durch Schadow einerseits
und Schinkel andererseits zur Geltung gebracht wurden. Letzterer nämlich
der im übersprudelnden Schaffensdrange seiner raschen Phantasie auch
plastische Denkmäler ersann, hielt ein idealisirendes Kostüm an Stand-
bildern einzig angemessen. Es ist schon auf die Genien am Kreuzberg-
 
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