Rauch's Schule.
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läßt an dem bloßen Anstaunen der technischen Geschicklichkeit oder,
wenn es hoch kommt, an dem an der Oberfläche haftenden Genuß,
der nur den Sinnen schmeichelt und nicht bis zur Empfindung und
zum Herzen dringt.
Man vergegenwärtige sich den Entwickelungsgang Rauch's wie er
hier dargelegt ist und aus seinen Werken in die Augen springt, man
stelle dem zur Seite den Entwickelungsgang Rietschel's und dessen
Verhältniß zu Rauch, wie es neuerdings in deren Briefwechsel*) sich
in seinem Werden und Wachsen entrollt: — wenn die Auffassung
der Kunst und der Plastik die richtige wäre, welche sich zur Zeit als
herrschende fühlt, so wäre die angebliche Entwickelung jener Beiden
zu immer größerer Reife in. ihrer Kunst eine einzige große Lüge.
Beide wären vielmehr von hell leuchtenden Anfängen in der Plastik,
welche die malerische Bewegtheit zur Richtschnur uahm, Schritt für
Schritt den Weg gegangen, dec zum Verfall führen mußte. Sie hätten
eine hohe Kunststufe untergraben und die Blüte der Plastik zu Grabe
getragen, aus dem die Gegenwart sie zu neuem Leben erweckt haben
soll!! —
Freilich schaut man sich im Bereich der Plastik unserer Zeit
vergeblich nach den Kunstgebilden um, welche die Werke Thorvaldsen's,
Schadow's, Rauch's, Rietschel's thatsächlich wie im Bewußtsein des
Volkes in den Schatten stellten. Wohl aber erlebte man vor wenigen
Jahren, als die Jubiläums-Ausstellung der königlichen Akademie der
Künste zu Berlin 1886 auf den Zeitraum der letzten hundert Jahre
zurückgriff, in umgekehrter Weise, daß die Altmeister deutscher Plastik
in ihrer beschränkten Anzahl den Wettbewerb siegreich bestanden gegen
die andrängenden Schaaren der modernen Blldner, welche ihrerseits
den Sieg über die Alten für etwas ganz selbstverständliches gehalten
hatten.
Aber Schadow, Tieck, Rauch, Rietschel, Drake, selbst die beiden
*) Eggers: Briefwechsel zwischen Rauch und Rietschel. 2 Bde. Berlin.
1890. 1891.
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läßt an dem bloßen Anstaunen der technischen Geschicklichkeit oder,
wenn es hoch kommt, an dem an der Oberfläche haftenden Genuß,
der nur den Sinnen schmeichelt und nicht bis zur Empfindung und
zum Herzen dringt.
Man vergegenwärtige sich den Entwickelungsgang Rauch's wie er
hier dargelegt ist und aus seinen Werken in die Augen springt, man
stelle dem zur Seite den Entwickelungsgang Rietschel's und dessen
Verhältniß zu Rauch, wie es neuerdings in deren Briefwechsel*) sich
in seinem Werden und Wachsen entrollt: — wenn die Auffassung
der Kunst und der Plastik die richtige wäre, welche sich zur Zeit als
herrschende fühlt, so wäre die angebliche Entwickelung jener Beiden
zu immer größerer Reife in. ihrer Kunst eine einzige große Lüge.
Beide wären vielmehr von hell leuchtenden Anfängen in der Plastik,
welche die malerische Bewegtheit zur Richtschnur uahm, Schritt für
Schritt den Weg gegangen, dec zum Verfall führen mußte. Sie hätten
eine hohe Kunststufe untergraben und die Blüte der Plastik zu Grabe
getragen, aus dem die Gegenwart sie zu neuem Leben erweckt haben
soll!! —
Freilich schaut man sich im Bereich der Plastik unserer Zeit
vergeblich nach den Kunstgebilden um, welche die Werke Thorvaldsen's,
Schadow's, Rauch's, Rietschel's thatsächlich wie im Bewußtsein des
Volkes in den Schatten stellten. Wohl aber erlebte man vor wenigen
Jahren, als die Jubiläums-Ausstellung der königlichen Akademie der
Künste zu Berlin 1886 auf den Zeitraum der letzten hundert Jahre
zurückgriff, in umgekehrter Weise, daß die Altmeister deutscher Plastik
in ihrer beschränkten Anzahl den Wettbewerb siegreich bestanden gegen
die andrängenden Schaaren der modernen Blldner, welche ihrerseits
den Sieg über die Alten für etwas ganz selbstverständliches gehalten
hatten.
Aber Schadow, Tieck, Rauch, Rietschel, Drake, selbst die beiden
*) Eggers: Briefwechsel zwischen Rauch und Rietschel. 2 Bde. Berlin.
1890. 1891.