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DICHTUNGEN

Erster Bürger: Sehr selten. Ich dachte gar nicht; fast wie
„und Gott sprach“.
Zweiter Bürger: So wuchs ihm aus dem Mund das Kreuz.
Erster Bürger: Ein nettes Plakat.
Zweiter Bürger: Er behauptete, uns erlösen zu wollen.
Erster Bürger: "Wovon denn erlösen? Woran denn leiden wir,
abgesehen an der Grube?
Zweiter Bürger: Eben hiervon.
Erster Bürger: Soso, ich habe keine Zeit mehr.
Johannes: Ihr sollt geistig auferstehen. Die Gehenna wird
euch nichts antun. Gott wird euch um seinetwillen vergeben;
eure Sünden werden um seines Blutes willen nicht gezählt.
Zweiter Bürger: Du bist sicher?
Johannes: "Wir werden sicher sein.
Zweiter Bürger: Wie das?
Johannes: Der Rabbi wird auferstehen.
Zweiter Bürger: Merkwürdig.
(Die Berge nebeln im Stöhnen des Gekreuzigten. Brand hitzt
den Fluß. Jesi Schreie spitzen das tödliche Kreuz.)
Jesus: Ich hänge in meinem Blut. Mein Durst blendet die
Sonne. Allein. Mein Schmerz soll anderen nützen, sie ver-
wandeln?, wo sie mein Blut begrinsen, in die klaffende Hüfte
prüfend die schmutzigen Finger legen, die Tiefe des Lochs
zu messen. Das glauben die flinken Jünger kann erlösen. Wer
kann wen erlösen? Niemand keinen. Jeder hängt am eigenen
Kreuz. Dazwischen sperren Qual, Hohn, Elend und Witz.
Niemand sieht keinen von der Spitze des Kreuzes. Schmerz
erklärt. Losgelöst für mich, sehe ich. Niemand keinen. Hin-
unter und ungesehen weg. Erkennen und der Kelch geht vor-
über. Jeder schlucke seinen eigenen Trank Jammer und sterbe
daran. Warum ich für die anderen? Wo bliebe Gott? Ist er
so schwach, daß er meines Kreuzes bedarf? Ist er schwach,
ist er nicht Gott.
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