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Erman, Adolf
Die ägyptische Religion — Handbücher der Königlichen Museen zu Berlin: Berlin: Georg Reimer, 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.61143#0060
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48

Zweites Kapitel.

nicht zuteil geworden sein, wenn Memphis nicht die Haupt-
stadt der vierten Dynastie gewesen wäre. Unter der fünften
Dynastie aber, die aus Heliopolis stammte, ward der dortige
Sonnengott zum Patron des Königshauses, dem jeder Herrscher
einen neuen Tempel bei seiner Residenz erbaute; diese Könige
nennen sich als erste Sohn des Re, und bei der Thron-
besteigung nehmen sie einen Namen an, der sich auf Re
bezieht. Man kann denken, wie diese Umstände das An-
sehen des Re gesteigert haben werden; die merkwürdigen
Doppelgötter, wie Amon-Re, Sobk-Re, Chnum-Re, die wir
seit dem mittleren Reiche antreffen, werden in dieser Zeit
entstanden sein, damit Amon, Sobk, Chnum dem Mode-
gotte näherkamen.
Das hier gegebene Bild der ägyptischen Religion wäre
nicht vollständig, wenn wir nicht noch zum Schlüsse eines
heiligen Wesens gedächten, das nach unseren Begriffen frei-
lich nicht zu den Göttern gehört, das aber die offizielle
ägyptische Anschauung von alters her zu ihnen gerechnet
hat. Wer in einer Inschrift des alten Reiches liest, daß
jemand für seine Verdienste von seinem Gotte gelobt worden
sei, der wird zunächst denken, daß damit etwa der Gott
gemeint sein werde, dem der betreffende Mann von Haus
aus gedient habe; dem ist aber nicht so, denn gemeint ist der
König. Und wer eine Grabschrift der zwölften Dynastie
durchsieht, der hat vollends das Gefühl, daß den Vornehmen
dieser Zeit der König ein wesentlicherer Gott sei als alle
die Himmlischen; unermüdlich preisen sie ihn und bekunden
ihre Ehrerbietung vor ihm, der Götter gedenken sie selbst
im Grabe nur nebenbei. Aber es sind nicht erst diese Zeiten
höchster Entwicklung, die diesen Gipfel des Byzantinismus
erklommen haben; die Göttlichkeit des Herrschers gehört
in Ägypten zu dem uralten Herkommen. Nur in zwei Punkten
unterscheidet sich der König von den wirklichen Göttern.
Während Re oder Osiris oder Thoth das Beiwort eines großen
Gottes tragen, muß der Pharao sich, so lange er lebt, mit dem
Titel eines guten Gottes begnügen, und erst im Tode erhält er
auch jenes Prädikat. Und auf einen offiziellen geregelten
Kultus, wie ihn andere Götter haben, hat er bei Lebzeiten
keinen Anspruch; nur ausnahmsweise Ehrungen dürften es
sein, wenn unter König Snofru vornehme Leute, dessen ver-
schiedenen Namen als Priester dienen 34), oder wenn jemand
sich später als Priester des lebenden Ka (d. h. der Seele) des
Königs bezeichnet 35).

34) Kairo 1390; 1741. 35) Morgan, Dahchour n (mR);
auch im n R betet man vor dem Ka des regierenden Königs, z. B.
Berlin 2093
 
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