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Die Entwicklung des Götterglaubens in älterer Zeit. 4 g
Trotz alledem wäre es schwerlich richtig, wenn wir diese
Vergötterung der Könige zu ernst nehmen wollten; auch
die älteste Zeit hat gewiß den Herrscher nicht wirklich für
die Verkörperung eines Gottes gehalten. Vielmehr wird
diese ganze Verirrung lediglich aus der hündischen Schmeiche-
lei entstanden sein, die dem Orientalen im Blute liegt und
die auch in den Vergleichen der ägyptischen Poesie uns bis
zum Überdruß vorgesetzt wird. Da ist der König der irdische
Sonnengott, sein Palast ist der Horizont-, wenn er sich zeigt,
geht er auf-, stirbt er, so geht er unter. Als Diadem trägt er
die feuerspeiende Schlange, die der Sonnengott an seiner Stirn
führt, und die seine Feinde vernichtet. Und wieder gleicht
der König dem Horus, dem Sohne des Osiris, denn wie
dieser ist er seinem Vater auf dem Throne gefolgt als der
Erste der Lebenden. Daher heißt er dann Horus, der Herr
des Palastes, und sein Palast selbst heißt die Einsamkeit,
weil Horus in der Einsamkeit aufgewachsen ist. Wenn dann
weiter der König seit der fünften Dynastie der Sohn des Re
heißt, so möchte man zunächst glauben, daß damit nur
gemeint sei, daß das Herrscherhaus in letzter Linie von den
Göttern und damit auch von Re abstamme. Aber es ist
mehr gemeint. In zwei Tempeln aus dem neuen Reich ist
uns ein altes Buch mit Bildern erhalten 36),. das uns zeigt,
wie man diese Sohnschaft sich als loyaler Ägypter denken
sollte. Wenn die neue Königin in der Schönheit ihres Hauses
sitzt, so naht ihr der höchste Gott, der die Gestalt ihres Gatten
angenommen hat. Sie erwacht von dem Wohlgeruch, der ihn
umgibt, und lacht den Gott an. Er tritt zu ihr und zeigt sich
ihr in seiner göttlichen Gestalt und sie frohlockt über den An-
blick seiner Schönheit. Und nach diesem, wenn dieser Gott
alles, was er wollte, mit ihr getan hat, so verheißt er ihr, daß
sie einen Sohn gebären werde, der König sein werde über
Ägypten. Übrigens hat dieser Wahnwitz bekanntermaßen
auch in der hellenistischen Fürstengeschichte sein Analogon.
Diese Göttlichkeit des Königtums hat denn auch alle
seine Insignien und Attribute beeinflußt. Der König trägt
wirklich eine Schlange als Diadem; seine verschiedenen
Kronen gelten als heilige Wesen, die göttliche Kräfte in sich
bergen, und der oberste Beamte des königlichen Schmuckes
dient ihnen als Priester 37).
Wie die Vergötterung des Königs sich dann auch in
den Tempeln zeigt, wo er als der alleinige Vertreter der Welt
den Göttern gegenübersteht, wird im folgenden Abschnitt
geschildert werden.
36) Gayet, Louxor pl. 71; Naville, Derelbahri pl. 47; das Buch
mag für die Könige der Dyn. 5 verfaßt sein. 37) Brit. Mus. 574.

Erman, Die ägypt. Religion.

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