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Der Erzähler: Gratis-Sonntags-Beilage mit dem humoristischen Repräsentanten " Der deutsche Michel" — 1893

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https://doi.org/10.11588/diglit.44550#0113
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100

Der „deutsche Michel".



's is heit
Widder en
poetischer
Dag, wie
iwerhaupt
die ganz
letscht Woch,
nee, ich will
sage, unser
ganzi gege-
wärtigi Zeit
in dem
dcitsche
Dressur
schtaat
poetisch is,
sell veran-
laßt mich
aach Widder
zu ere
poetische
Schlimm-
ung. Wann
ihr awer
denkt, ich
will mich
heit widder

e Zeit.

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mit dem politische Durchenanner befasse, wo deß gute,
Reinigt" bitt ich, e bissl
l beglicke dhut, der is uff'm
Hambach beim beschte Wille
r vorne un hinne is, norr
raut- un Rüwe-Salat, so
,e Schtaat. Wann ich in
ectsrummel e Heldethat
ich als deitscher Michel
tntisemiteknippl un leddert
chlappe im deitsche Land
un drei Nächt im blitzeblooe
Awer, ich kann norr sage,
n un ich denk, mgg's no
r schief gehe. Schlechter wie
nit gut werre, denn wann's
giebt's Revolution, 's is
worre iwer die Ursache vun
ne seggt so, d'r Annere
windl abg'sehe, will ich
eemol — un zwar, wie
imung — mci Meenung

:m Munde,
i Zeit,
ine Wunde
weit.
-»erzogen,
Reichen klagen —
nah und weit —
Ze"-
mann L Dörr, Heidell'erg.



Was hast du eigentlich begangen,
Du Tochter der Unendlichkeit,
Daß so viel Kläger dich belangen
Bezichtigend der Schlechtigkeit?
Es sei von deinen Uebelthaten
Das Hauptkapitel zu errathen,
Ein Viertelstündchen Dir geweiht,
Du vielverschrie'ne üble Zeit.
Vernichtest du die Frucht der Felder?
Entzündest du mit Sonnenbrand
Die Städte, Gärten, Dörfer, Wälder?
Ziehst Du, Zerstörung in der Hand
Durch dieses Erdensterns Bezirken
Umher, wo thät'ge Menschen wirken?
O, nein, wie sonst bist du doch heut
Nur ein Gedanke, Mutter -seit.
Die Menschen stnd's, aus deren Herzen
Das angeklagte Unheil sprießt;
Ihr Geist ist jener Quell der Schmerzen,
Aus dem der Strom der Klage fließt,
Die Habsucht und das tolle Wagen,
Das Vornehmthun und Vornehmtragen,
Die Trägheit und der arge Neid
Erzeugen diese schlechte Zeit.
Statt ihren Haushalt schön zu zieren,
Statt dem Geschäfte vorzusteh'n,
Geh'n Frau'n und Töchter promeniren,
Will der Gemahl in's Wirthshaus geh'n.
Und welch ein Jammer, welche Klage,
Hat man zu jedem Feiertage,
Nicht auch ein nobles, neues Kleid,
Wie schimpft man über Dich, o Zeit!
Theater, Bälle unv Kirchweihen,
Kaffee und Punsch, Liqueur und Grog,
Genußsucht, Putz und Tändeleien,
Das feinste Tuch zum Alltagsrock;
Da muß so manche Mark wohl springen,
Und ist die nicht mehr zu erschwingen,
O Jammer und o Herzeleid,
Dann klagt man über schlechte Zeit.
Die Arbeitslust ist ganz verschwunden,
Die Einfachheit ganz außer Mod',
Bei Wenigen wird Fleiß gefunden
Und die sind noch vom alten Schrot.
Sich über seinen Stand erheben,
Sich vornehm tragen, vornehm leben,
Das bringt Euch Wucher, Lug und Trug
Und größ're Lasten noch genug.
Drum höret lieber auf zu klagen
Und seid des Bessern Euch bewußt.
Wie jetzt, war's auch in frühem Tagen,
Nur damals wen'ger Hang zur Lust.
Zerbrochne Töpfe gab es immer
Und Klagen macht die Sache schlimmer.
Der Mangel an Genügsamkeit
Ist Fabrikant der schlechten Zeit.
Für die Redaktion verantwortlich: H. Dörr in Heidelberg.
 
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