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Falke, Otto von; Lessing, Julius
Kunstgeschichte der Seidenweberei: eine Auswahl der vorzüglichsten Kunstschätze der Malerei, Sculptur und Architektur der norddeutschen Metropole, dargestellt in einer Reihe der ausgezeichnetsten Stahlstiche mit erläuterndem Texte (Band 1) — Berlin, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.19016#0124
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vielen Pavimenten der römischen Kaiserzeit zu verfolgen, wie aus den Flechtbandeinfas*
sungen der Mosaikbilder eine Flächenteilung aus verschlungenen Kreisen sich herausbildet.
Das bekannteste Beispiel einer solchen Flächenmusterung ohne Ende geben die Gewölbe?
mosaiken des Mausoleums S. Costanza in Rom aus der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts. Zwei
Felder1) bestehen aus dicht aneinander gereihten Kreisen, mit Brustbildern, Sternen und
Figuren als Füllung; bei zwei anderen2) sind die Kreisbänder an den vier Achsen so mit
einander verschlungen, daß kleine Zwischenkreise entstehen, also bereits ein dem Verkün?
digungsstoff ähnliches System. Aus den Pavimenten sind die verschlungenen Kreisfelder
in die Wirkerei hellenistischen Stils übergegangen. Diese Technik war nicht auf die Muster
ohne Ende angewiesen und verwendete die verknüpften Kreise daher noch tektonisch, wie
es an Abb. 16 zu sehen ist 5)- Von solchen Wirkereien zum Verkündigungsstoff ist nur ein
kleiner Schritt. Diesem antiken, von persischen Einwirkungen noch völlig unberührten Denk?
mälerbestand hat der Orient lediglich die beträchtlich jüngeren sassanidischen Seidenstoffe
mit Kreisteilung gegenüber zu stellen. Und diese Gewebe bezeugen selbst, daß die per?
sische Weberei die Kreismusterung aus dem Westen, vermutlich von den alexandriner Stoffen
entlehnt hat. Da sie, die Kreisteilung, anerkanntermaßen und nach Ausweis der Mosaiken
aus dem Flechtband entstand, so müssen in der Weberei die an den Achsen noch verfloch?
tenen oder verschlungenen Musterformen die ältesten sein. Das trifft in Alexandria zu;
verschlungene Kreisbänder haben nur die ältesten Stücke, der Verkündigungsstoff und die
zwei Einzelreitermuster derselben Werkstatt. Bei allen jüngeren Arbeiten aus der 2. Hälfte
oder der Wende des 6. Jahrhunderts sind die Kreise durch eine über die Berührungsstelle
gelegte Scheibe verbunden oder von einander gelöst. Den Sassanidenstoffen dagegen ist
die frühe Form der Kreisverschlingung überhaupt unbekannt; das Hippokampenmuster des
Chosroesdenkmals (s. T. 19, Abb. 91) aus der Zeit um 600 und der gleichzeitige Hahnenstoff
im Vatikan (s. T. 21, Abb. 98) zeigen lose Kreise, andere Stücke (Reiterstoff in Berlin s.T. 27,
Abb. 107; Hippokampenstoff s. T. 20, Abb. 96; Entenstoff im Vatikan s. T. 22 a, Abb. 99)
haben mit den spätalexandrinischen Stoffen die Verbindung durch aufgelegte Scheiben ge?
mein. Danach kann auch für das zweite Merkmal des frühmittelalterlichen Seidenstils die
Priorität des Orients nicht aufrecht erhalten werden.

Noch ist die Herkunft der dem hellenistischen und dem persischen Formenschatz ge?
meinsamen Reitermuster zu untersuchen, für die Strzygowski der allgemeinen Ansicht fol?
gend sassanidischen Ursprung voraussetzt.

Für die altorientalische Kunst ist seit chaldäischer Zeit die Darstellung königlicher
Jagdtaten, insbesondere der Löwenkampf, als ein mythisch?religiöser Vorgang von viel grö?
ßerer Bedeutung gewesen, als für die an Gedanken und Ausdrucksformen unvergleichlich
reichere Kunst der Hellenen. Von den in den assyrischen Steinreliefs des 7. Jahrh. vor Chr.
zu hoher Vollendung gebrachten Typen der Tierkämpfer zu Fuß, zu Wagen und zu Roß
hat das achämenidische Persien vornehmlich die Reiterbilder fortgesetzt und der neuper?
sischen Sassanidenkunst vererbt. In den achämenidischen Gemmen4) sind im wesentlichen
schon alle Varianten vorhanden, die uns auf den Silberschalen sassanidischen Stils5) wieder
begegnen. Die älteste babylonisch?assyrische und achämenidische Form des stehenden
Kämpfers") taucht nur vereinzelt noch auf.7) In der Regel ist der Herrscher reitend darge-

0 Venturi I fig. 97, 98.

2) Venturi I fig. 99, 100.

:i) Noch besser bei Dreger T. 22.

0 Furtwängler, Antike Gemmen T. XI fig. 1, 2, 3; T. XII fig. 10, 12.
5) Smirnow Nr. 53, 54, 56, 57, 59, 60, 61, 63, 287, 308, 309.
(;) Vgl. Sarre*Herzfeld, Iranische Felsreliefs S. 137.
v) Smirnow Nr. 82 u. 308, Schale mit Schapur II.

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