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Falke, Otto von; Lessing, Julius
Kunstgeschichte der Seidenweberei: eine Auswahl der vorzüglichsten Kunstschätze der Malerei, Sculptur und Architektur der norddeutschen Metropole, dargestellt in einer Reihe der ausgezeichnetsten Stahlstiche mit erläuterndem Texte (Band 1) — Berlin, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.19016#0125
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stellt, mit Lanze, Schwert oder Pfeilen
die Löwen, Eber und Tiger bekämp?
fend. Der in den ägyptischen Seiden?
Stoffen vorherrschende Typus eines
Jägers, der rückwärts gewendet vom
Roß herab seinen Pfeil entsendet, ist
in den persischen Denkmälern') auf?
fallend selten, obwohl er der antiken
Vorstellung von den Parthern am
meisten entspricht. Aus der langen
Reihe der von Smirnow veröftent?
lichten Silbergefäße bringt diesen Ty?
pus nur eine Schale (Abb. 78), die
trotz der Pehlewi?Inschrift zu den spä?
testen Stücken der ganzen Gattung
zählt. Die Sassanidenkunst kannte
wie ihre Vorgängerin nur eine Auf?
gäbe: Die Verherrlichung der Macht
und Hoheit des Königs der Könige.
Diesem Gedanken dienen die Jagd?

Abb. 78. Persische Silberschale, frühes Mittelalter. Nach Smirnow. Hlder, denen Zugleich ein religiöser

Sinn innewohnt, da der mit den Sas?
saniden wieder auflebende zoroastrische Kultus das Töten reißender Tiere als eine verdienst?
volle Handlung ansah.

Die griechische Kunst, der die Löwenjagd ein sagenhafter Vorgang war, hat die Dar?
Stellung des Reiters im Löwenkampf, um die es sich bei unseren Seidenstoffen handelt, erst
zur Zeit Alexanders des Großen von Persien übernommen, als hellenische und orientalische
Sitten im Weltreich des Eroberers sich mengten. Das von Krateros nach Delphi gestiftete
Reiterdenkmal Alexanders auf der Löwenjagd ist verloren; doch lehrt das Jagdrelief des
sidonischen Alexandersarkophags, auf dem Griechen und Perser vereint dem Löwen zu
Leibe gehen, zur Genüge, daß das Motiv trotz seines rein griechischen Stils dem persischen
Vorstellungskreis entlehnt war. Soweit hat es mit dem persischen Ursprung der reitenden
Löwenjäger seine Richtigkeit. Bloß ist damit für die Herkunft der Seidenmuster noch gar
nichts bewiesen. Denn das Motiv blieb weiterhin der hellenistisch?römischen Kunst erhal?
ten. Ohne daß eine erneute Anregung von Persien nachzuweisen wäre, wächst seine Be?
liebtheit außerordentlich während der Kaiserzeit, wahrscheinlich gefördert durch die Lei?
denschaft für die Tierkämpfe der Arena. Geschnittene Steine und Sarkophagskulpturen
bringen Beispiele in Mengen und die Kaisermünzen sicherten ihm die weiteste Verbreitung.
Von Nero und Trajan bis zu Konstantin und Jovian (•}• 364) sind Münzen erhalten, die den
Kaiser als Löwenjäger darstellen, mit flatterndem Mantel auf steigendem Roß, Wurfspeer
oder Lanze auf den Löwen unter dem Pferd herabstoßend. Jahrhunderte hindurch wird
der Löwenjäger, auch als mythologische Figur2) wie eine feststehende Formel wiederholt;
jede Erinnerung an den persischen Ursprung ist längst erloschen.

Aus dem Reitermotiv an sich, da es der römisch?griechischen Kunst spätantiker Zeit
ebenso geläufig geworden wie der persischen, läßt sich somit für die nähere Bestimmung
der Seidenstoffe nichts entnehmen. Erst die Art, wie es dargestellt wird, der Stil wird ent?

') Eine achämenidische Gemme mit diesem Typus bei Furtwängler T. XII fig. 12.

2) Auf einem spätgriechischen Mosaikpaviment aus Halikarnaß im Britischen Museum sind Meleager
und Atalante in der Haltung der alexandrinischen Reiterstoffe dargestellt.

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