Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Falke, Otto von; Lessing, Julius
Kunstgeschichte der Seidenweberei: eine Auswahl der vorzüglichsten Kunstschätze der Malerei, Sculptur und Architektur der norddeutschen Metropole, dargestellt in einer Reihe der ausgezeichnetsten Stahlstiche mit erläuterndem Texte (Band 1) — Berlin, 1913

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.19016#0181
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
innen und außen gerichteten kufischen Inschriften auf Rankengrund dem Greifenstoff aus
dem Kaukasus anreiht. Da auch die feine Zeichnung des Gefieders mit dem Greifenflügel
übereinstimmt, ist an der persischen Herkunft des Adlerstoffes nicht zu zweifeln. Die Ära?
beske hat sich hier im westsarazenischen Sinne ihrer Auf gäbe der vollkommenen Flächenfüllung
soweit bemächtigt, daß der in den vorausgehenden reiniranischen Stoffen durchweg noch
gewahrte Gegensatz zwischen Grund und Muster aufgehoben wird. Wie weit die An?
näherung zwischen Ost und West schon gediehen ist, lehrt ein Vergleich der Adler mit dem
adossierten Vogelpaar eines arabisch*spanischen Stoffes in Salamanca (vgl. Abb. 190), und
der zwischen den zwei Inschriften umlaufenden Ranke aus zwei sich kreuzenden Wellen
mit dem gleichfalls andalusischen Sphinxenstoff auf Tafel 43 (Abb. 189).

Der Adlerstoff aus dem Grab Kaiser Heinrichs VI (1190—1197) auf Tafel 35 a gehört
offenbar trotz dem Fundort Palermo zur gleichen persischen Gruppe. Sizilianische Merk*

male sind nicht vorhanden, wogegen die Palmetten in den Kreis*
ranken und vor allem in den Zwickeln der beiden Adlerstoffe
stilistisch vollständig zusammengehen. Damit ist für beide Stücke
eine Datierung auf die zweite Hälfte des 12. Jahrh. gegeben, wofür
das vor 1188 entstandene Gewebe in Salamanca eine weitere Be*
stätigung erbringt.

Bei der geringen Zahl ostislamischer Textilien mag trotz seiner
Unvollständigkeit ein Pfauenstoff im Kathedralarchiv von Canter*
bury als Beispiel für die ornamentale Verwertung der arabischen
Schrift — im Stamm und Herzstück der Palme — erwähnt werden
(Abb. 155). Hier kommen noch einmal die Schärpen zum Vor*
schein als lose verschlungene Halsbänder, ähnlich der Verzierung

Abb. 156. Von einem persischen ° °

Silbereimer, lo.-ii. Jahrhundert, eines persischen Silberbeckens (Abb. 156) in Petersburg1).

B. Irakenische und Seldschukische Stoffe.

Den Übergang zum westsarazenischen Kunstbereich vermitteln die Arbeiten aus
Mesopotamien und den islamischen Teilen Kleinasiens. Politisch mitsamt dem benachbarten
Syrien während des 12. und 13. Jahrh. ein unendlich zerklüftetes Gebiet, in dessen Kunst*
Schöpfungen byzantinische und syrische, persische und irakenische Strömungen sich kreuzten
und vermengten. Als nach dem Tod des Großsultans Malik Schah (*J* 1092) das gewaltige
Seldschukenreich sich allmählich wieder auflöste, rang von Mossul ausgehend der Zen*
gide Nureddin (1146—1174) in Syrien mit den christlichen Kreuzfahrerstaaten und türki*
sehen Emiraten um die Vorherrschaft. Während Syrien schließlich unter Ejubiden und
Mamluken mit Ägypten vereint blieb als ein wichtiger Teil des westislamischen Kunst*
gebiets, faßten den Kern des bis ins 11. Jahrh. byzantinischen Kleinasiens mit griechisch*
armenischer Bevölkerung die Seldschuken zu dem Reich von Rum zusammen, das während
der ersten Hälfte des 13. Jahrh. unter Kaikobad I (1219—1237) zu bedeutender Macht
sich aufschwang und zu einer Kunstpflege, von der die Bauten der Hauptstadt Ikonium
noch rühmliches Zeugnis ablegen2). Im Norden Mesopotamiens hebt sich aus der Klein*
staaterei des 12. Jahrh. das in Kaifa und Amida, Mardin und Nisibis seßhafte Geschlecht
der Ortokiden empor, dem es gelang, durch alle Wirren und Gefahren der Mongolen*
zeit hindurch einen Teil seines nordirakenischen Besitzes bis zum Anfang des 15. Jahrh.
festzuhalten.

') Smirnow T. 75.

2) Vgl. Sarre, Reise in Kleinasien.

104
 
Annotationen