Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Falke, Otto von; Lessing, Julius
Kunstgeschichte der Seidenweberei: eine Auswahl der vorzüglichsten Kunstschätze der Malerei, Sculptur und Architektur der norddeutschen Metropole, dargestellt in einer Reihe der ausgezeichnetsten Stahlstiche mit erläuterndem Texte (Band 1) — Berlin, 1913

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.19016#0126
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
scheidend. Hierin kommt in der Tat der Unterschied zwi?
sehen hellenistischem und orientalischem Kunstvermögen
mit aller wünschenswerten Deutlichkeit zum Ausdruck.

Als Beispiel der griechischen Auffassung mögen die
in den alexandriner Stoffen überwiegenden Bogenschützen
dienen, obwohl dieser Typus den persischen Darstellungen
näher steht, als die der Antike viel geläufigeren Lanzenreiter.
Die Amazonenbilder von Säkkingen (s. T. 8, Abb. 70) und
Achmim (s. T. 10 b) sind nur der dürftige Abklatsch eines
alten, ursprünglich plastisch gedachten Motivs, das hier
schon zum Ornament geworden ist. Aber weder die ge?
sunkene Zeichenkunst der absterbenden Antike, noch die
mechanische Wiederholung als Flächenmuster haben die
künstlerischen Vorzüge ganz verwischen können. Jede Be?
wegung von Mensch und Tier ist wohl motiviert und darauf

I i iTT i ii i ii-i Abb. 79. Konstantinsgemme des 4. Jahrh.

berechnet, den Vorgang zu beleben und zu verdeutlichen. in Paris.

Das Roß jagt nicht, wie es auf persischen Gemmen und

Silberschalen nach assyrischer Tradition oft zu sehen ist, in fliegendem Galopp dahin, son?
dern es stockt im Lauf, um dem Reiter Zeit zu gewähren, seinen Pfeil zu entsenden oder
den Lanzenstoß wohlgezielt anzubringen. Die steigende Stellung des Pferdes, das über dem
Löwen auf gleichgestellten oder breit auseinandergesetzten Hinterbeinen sich hoch auf?
bäumt, die Vorderfüße in verschiedenem Winkel emporgeworfen, ist für die griechische
Kunst durchaus typisch. Ebenso die Beinhaltung des Reiters, der in der Richtung seiner
Aktion eine Wendung im Sattel vollführt: Immer ist das Bein auf der Schauseite im Knie
stark eingebogen und an den Bauch des Pferdes heraufgenommen, während das andere
— auf den Seidenstoffen nicht sichtbare — Bein gradaus nach vorn gestreckt wird. Dadurch
wird sowohl die zur Aktion dienliche Wendung des Reiters wie das Anhalten und Herein?
nehmen des Pferdes vollkommen zum Ausdruck gebracht.') Niemals fehlt der hinter den
Schultern hochfliegende Mantel, der die Bewegtheit des Vorgangs verstärkt und den Um?
riß der Gruppe bereichert.

Dieser griechische, in langer künstlerischer Zuchtwahl festgestellte Typus eines kämp?
fenden Reiters in flatternder Chlamys, mit der stark divergierenden Beinhaltung, auf stei?
gendem Roß, reicht mit der Grabstele des Dexileos2) in die klassische Zeit attischer Plastik
zurück. Dann führt ihn vom Alexandersarkophag aus Sidon eine lange Kette von grie?
chischen und römischen Denkmälern, Marmorwerken, Kaisermünzen und Gemmen bis zur
Spätantike herab (Abb. 79; Konstantin II, Onyxgemme in Paris, nach Babelon). Als cha?
rakteristische Beispiele aus der großen Skulptur sind die schönen Rundreliefs am Konstan?
tinsbogen in Rom anzuführen, die den Kaiser Trajan auf der Eber? und Bärenjagd dar?
stellen,') ferner aus dem 4. Jahrh. nach Chr. der Eberjäger auf dem oströmischen Marmor?
Sarkophag aus Selefkieh im Museum zu Konstantinopel.1) Auch in die römische Provinz?
kunst des Nordens ist derselbe Typus vorgedrungen: Im 3. Jahrh. nach Chr. und weiter
wurde in den gallischen und germanischen Standlagern der römischen Legionen der bis

') Als Beispiele aus der Rundplastik vergleiche man die Alexanderstatuette im Museum von Neapel,
Collignon, 11ist. de la sculpt. grecque II Hg. 228; \\ oermann, Kunstgeschichte I S. 365; oder die Amazonen«
Statuette aus Herkulanum, Woermann I S. 311.

Nach 594 v. Chr., abgeb. Collignon II Hg. 89.
) Phot. Anderson, 2528 u. 2550.
') Abgeb. Strzygowski, Orient oder Rom S. 4Y

63
 
Annotationen