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Falke, Otto von; Lessing, Julius
Kunstgeschichte der Seidenweberei: eine Auswahl der vorzüglichsten Kunstschätze der Malerei, Sculptur und Architektur der norddeutschen Metropole, dargestellt in einer Reihe der ausgezeichnetsten Stahlstiche mit erläuterndem Texte (Band 1) — Berlin, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.19016#0143
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V. Die ältesten Seidenstoffe des Orients

Der arabische Schriftsteller Masudi (um das Jahr 900) erzählt, daß König Schapur II,
als er um 360 nach Chr. die römischen Provinzen Mesopotamien und Syrien siegreich durch?
zog, als Kriegsbeute geschickte Seidenweber dieser Länder entführte und zwangsweise nach
Persien verpflanzte. Auf diese Arbeiteransiedlungen führt Masudi den Ursprung der Sei?
denweberei in Susa, Tuster (Sosirate) und anderen Orten der Persis zurück.1) Das braucht
sich nicht notwendig auf den Beginn der persischen Seidenverarbeitung überhaupt zu beziehen ;
bei der altgewohnten Übung des Orients in den textilen Künsten ist es vielmehr wahrschein?
lieh, obschon nicht ausdrücklich überliefert, daß in anderen Gegenden des Sassanidenreichs
die Weber selbständig den chinesischen Rohstoff zu verwerten gelernt hatten. Noch im
6. Jahrhundert, als Justinians Handelsmonopol das Seidengewerbe in Syrien lahm legte,
haben griechische Arbeiter in Persien Aufnahme gefunden, obwohl damals die Seidenkunst
des Landes zweifellos schon auf eigenen Füßen stand. Schwerlich aber reicht sie bis in das
Partherreich der Arsakiden zurück. Denn der Aufstieg Persiens zur Großmacht des Orients
und zu einer Kunstpflege, die den Nachbarn im Westen und Osten Achtung abgewann,
vollzog sich erst unter der vierhundertjährigen Herrschaft der Sassaniden. Im Jahre 226
nach Chr. hatte Ardeschir aus dem alten Satrapengeschlecht der Persis, dem Herzen des
Landes, den letzten Partherkönig entthront und schon vor dem Tod Jesdegerds III (651)
war die Herrlichkeit der iranischen Großkönige wieder zu Ende, nachdem die Araber das
seit dem Tode Chosroes' II (628) der Anarchie verfallene Reich in raschem Siegeslauf über?
rannt hatten.

Aus dieser kurzen Spanne Zeit ist eine recht beträchtliche Zahl von Kunstwerken über?
liefert, obwohl das Land selbst außer den verfallenen Bauresten und den in die Bergwände
gehauenen Monumentalskulpturen nichts bewahrt hat. Nur von dem Bruchteil kunstge?
werblicher Erzeugnisse, der schon frühzeitig zur Ausfuhr gelangte, rühren die heute vor?
handenen Denkmäler her: Die Silbergefäße sind zumeist in Rußland ausgegraben, die Sei?
denstofte stammen aus Rom, vom Rhein und aus Frankreich, die Chosroesschale aus S. Denis.
Mit den Werken der Spätantike verglichen, steht die Kunst der Sassaniden auf niederer Stufe.
Der Vorstellungskreis ist eng beschränkt: die göttliche Belehnung des Herrschers, einige
kriegerische Großtaten, wie die Gefangennahme Valerians, die Königsjagden, damit ist der
Inhalt der großen Plastik umschrieben. Es war in der Malerei nicht anders. Ammianus
Marcellinus, der an den Feldzügen Kaiser Julians teilgenommen hatte, berichtet, daß die
Römer am Tigris bei Seleucia ein persisches Jagdschloß fanden, dessen sämtliche Wände
mit Gemälden bedeckt waren, die den Perserkönig in der Ausübung verschiedener Jagden
darstellten. Und Ammian setzt hinzu: Nec enim apud eos pingitur vel fingitur aliud praeter
varias caedes et bella.2) Die Silbergefäße und Seidengewebe spinnen das Jagdmotiv weiter
und verwenden sonst in ausgedehntem Maß die Tierbilder. Das pflanzliche Ornament ist
trotz mancher Anleihen bei der römischen Kunst wenig entwickelt. In einigen Werken,
vor allem in der gewappneten Reiterfigur Chosroes II zu Takibostan, erhebt sich die Kunst

0 Heyd, Levantehandel I S. 21; Karabacek, Benennungen mittelalterlicher Gewebe S. 20.
-) Sarre^Herzfeld, Felsreliefs S. 212.

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