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Falkenhausen, Susanne von
KugelbauVisionen: Kulturgeschichte einer Bauform von der Französischen Revolution bis zum Medienzeitalter — Bielefeld, 2008

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https://doi.org/10.11588/diglit.20550#0025
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Die Koordinaten des Problems

Die Kugel -

Vom Herrschaftszeichen zum Baukörper der Einheit

Nicht erst mit dem Einsetzen der Moderne war die Kugel zum Zeichen
geworden. Die Antike kannte die Kugelmetapher als Darstellung ihrer
Vorstellungen vom Kosmos, die mit Begriffen des Vollkommenen, des
Göttlichen und des Unendlichen verknüpft waren.20 Der Reichsapfel
verweist als altes Herrschaftszeichen auf die Gestaltanalogie der
Kugel mit der Erde.21 Das Kugelmotiv findet sich als Emblem in der
Heraldik und als Attribut von allegorischen Personifikationen un-
terschiedlichster Bedeutung. In der Architektur der Spätrenaissance
und des Barock gehört es zur Bauornamentik, besonders in den ephe-
meren Festdekorationen des 17.und 18. Jahrhunderts, in der Garten-
architektur, den Grabmonumenten und den Architekturcapricci.22
Dort ist die Kugel in der Regel aber ein Element unter anderen. Mit
den Architekturvisionen Boullees, Ledoux' und Lequeus jedoch gerät
diese Form zum Baukörper selbst und rückt so aus der Peripherie ins
Zentrum der Bedeutungsproduktion.

Mit der Französischen Revolution begann für die Kugelmetapher
eine neue politische Karriere. Mit der Abschaffung der Monarchie
und der Ausrufung des Volkes zum neuen Souverän war ein gefähr-
liches Vakuum politischer Symbolik entstanden. Die Suche nach Bil-
dern politischer Zentralität, die den König zu ersetzen in der Lage
gewesen wären, erwies sich jedoch als ungeheuer schwierig.23 Für das
Abstraktum der Volkssouveränität musste ein symbolischer »Körper«
gefunden werden, der ähnlich prägnant staatliche Einheit bezeich-
nen konnte, wie dies beim Körper des Königs der Fall gewesen war.

20 Zur Geschichte der Kugelmetapher in der griechischen Philosophie seit Pia-
ton vgl. Otto Brendel: Symbolik der Kugel. Archaeologischer Beitrag zur Geschichte
der älteren griechischen Philosophie, in: Mitteilungen des Deutschen Archaeologi-
schen Instituts, Roemische Abteilung Band 51,1936,1-2, S. 1-95.

21 Grundlegend dazu Percy Ernst Schramm: Sphaira. Globus. Reichsapfel. Wande-
rung und Wandlung eines Herrschaftszeichens von Caesar bis zu Elisabeth IL, Stutt-
gart 1958.

22 Werner Oechslin dokumentiert die ornamentale und ikonographische Spann-
weite für ihre Verwendung in Malerei und Architektur in: Pyramide et sphere. Notes
sur l'architecture revolutionaire du XVIIIe siede et ses sources italiennes, in: Gazet-
te des beaux-arts, 77, 1971, S. 201-238, bes. 218 ff.

23 Vgl. zu diesem Wechsel des politischen Einheitssymbols die historische Un-
tersuchung von Lynn Hunt: Symbole der Macht - Macht der Symbole. Die Französi-
sche Revolution und der Entwurf einer politischen Kultur, Frankfurt/M. 1989.

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