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138 Die Z

I ften Liebesworte; man deklamirt, man lacht, man tanzt, man
singt, die Decke des Zimmers ist gesprengt, und herab lächeln
wohlgefällig die Engel des Himmels, die immer ihre Freude
daran haben, wenn Glück, Frieden und Verträglichkeit unter
| den Menschen herrschen.

In jüngster Zeit ist man jedoch noch weiter gekommen,
man ißt und trinkt nicht mehr, um zu essen, zu trinken und
guter Dinge zu sein, man ißt einer Idee zu Ehren, und hat
diesen Mahlzeiten den Namen von Zweckeffen gegeben, d. h.
man ißt zu einem Zweck, obgleich Andere behaupten, man
schütze einen Zweck vor, um zu essen, und man sollte daher
von Effenzwecken statt Zweckeffen sprechen. Was man jedoch
von solchen Verläumdungen zu halten habe, das wiffen Die-
' jenigen am Besten, die einer Idee, einem Zwecke das große
Opfer bringen, ein brüderliches Mahl zu halten, und den Gau-
men, der von den vielen Toasten und Lebehochs trocken zu wer-
den droht, mit Wein anzufeuchten.

Der Zweckeffer unterscheidet sich von sehr vielen seiner
Mitmenschen, namentlich aber von allen Leinwebern, durch ein
auch im gewöhnlichen Leben vollmondartig strahlendes Antlitz,
durch vergnüglich und menschenfreundlich blickende Aeuglein,
durch ein zierlich, reputirlich und appetitlich gewölbtes Bäuch-
lein, zuweilen selbst durch ein Näslein, welches, statt in eine
Spitze, in eine etwas röthlich gefärbte Kugelform ausläuft.
Im Sprechen schnalzt er unwillkührlich mit der Zunge, als
untersuche er die Bestandtheile einer delikaten Speise, oder
Jahrgang, Stoff und Werth einer vorzüglichen Weinsorte. Daß
die Zweckeffen ihm auf's gedeihlichste anschlagen, ist fteilich
hieraus ersichtlich, aber er ist es sich selbst schuldig, durch Trank
und Speise seinen Leib zu stärken und zu kräftigen, der ja sonst
den vielen Zwecken und Ideen, denen sich der Zweckeffer opfert,
auf die Dauer keinen Widerstand leisten könnte. Zweck und
Idee zehren bekanntlich am menschlichen Körper, daher sind die
Zweckeffen erftinden, damit der Schaden, den der Zweck für sich
allein am Körper anrichtet, durch das Effen wieder ausgegli-'
chen werde.

Der Zweckeffer ist eben so gut wie der Journalist, Pub-
licist und polüische Zeitungsschreiber darauf angewiesen, den
Gang der Zcitereigniffe genau zu verfolgen, um möglichst alle
acht Tage einen Zweck und somit auch zu Gunsten des Zwecks
ein Effen zu haben. Er schlägt in der Welt-, Kunst- und Li-
teraturgeschichte nach. Auf den künftigen Montag fällt der Ge-
burtstag irgend eines berühmten Dichters, Componisten, Ge-
lehrten, Philosophen, Künstlers, Erfinders u. s. f. Man er-

eckesser.

innert im Tagblatt daran, wie sehr dieser Tag verdiente, durch
ein Zweckeffen gefeiert zu werden, ja wie man damit die Ab-
sicht verbände, dem gefeierten Verstorbenen ein Denkmal zu er-
effen und zu ermahlzeiten. Man fertigt eine Subscriptionsliste
an und schickt sie den Berufenen und Ausgewählten in's Haus.
An Zweckeffern fehlt es gegenwärtig in keinen: Städtchen
Deutschlands. Das Zweck-, Ehren- und Erinnerungsmahl fin-
det am Montage wirklich statt. Toast folgt auf Toast. Rede
auf Rede, Gedicht auf Gedicht. Man ißt freilich nicht wenig,
aber man trinkt auch um so mehr, weil die schwere Pflicht
gebietet, nach jedem Toast, nach jedem Spruch, nach jedem
Lebehoch anzuklingen und das Glas zu leeren. Die Köpfe wer-
den heller, die Herzen wärmer, man wird sich des großen
Zwecks, für den man schmaust, immer deutlicher. Der Vor-
sitzende ergreift den geeigneten Moment, man bringt die Er-
richtung einer Statue in Vorschlag, womit sich die Gesellschaft

eben so sehr, als den Gefeierten ehren würde. Allgemeine Zu- !
stimmung. Man schlägt ein Comite vor, zu deffen Wahl, wel- -
ches aus den tüchtigsten Zweckeffern besteht, auch alsogleich ge-
schritten wird. Ein in das Comitö Gewählter klingt mit dem
Meffer an das Glas — allgemeine Stille. „Meine Herren!"
beginnt er, „im Namen des Comitö's danke ich Ihnen für !
das Vertrauen, womit Sie uns beehrt haben. Wir werden
uns unsres Auftrags nach bestem Einsehen und Gewiffen zu
entledigen suchen, und wie der große Mann, deffen Andenken
wir heute feiern, stets aus dem Wege des Lichts seiner Zeit Z
und allen Zeiten vorangeschritten ist, so soll man auch uns l
stets auf dem Wege des Fortschritts finden. Soll aber das mir
Ihrem Vertrauen beehtte, mit Ihrer Vollmacht ausgerüstete !
Comitv segensreich wirken, so werden wir, angesehen die hohe
Wichttgkeit des Gegenstandes, an einen noch größeren Verein
von Kräften, als bei der Kürze der Zeit heute zu versammeln
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Die Zweckesser"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Plastik <Motiv>
Speise <Motiv>
Denkmal <Motiv>
Getränk <Motiv>
Karikatur
Stiefelknecht
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 1.1845, Nr.18, S.138
 
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