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' 170 Dir Kön

Als dir Zeit kam, wo die Kleine getauft werden sollte,
i nahmen Vater und Mutter den Kalender zur Hand, um den
allerschönsten Namen für dieselbe herauszusuchen; der Vater
! hätte ihr gern einen romantischen Namen gegeben, allein er be-
quemte sich, den Bitten seiner Frau nachzugeben, und das kleine
! Fräulein H j e l m erhielt bei der Taufe in der Egvadkirche, nach
der Mutter der Baronesse den Namen Cäcilia."

Aus dem Heimwege nun fuhren sie durch das Dorf
Vostrup, wo auf einmal eine zahlreiche Schaar Bauern ihre
Aufmerksamkeit erregte. Der Baron lieh halten, in dem
Glauben, daß diese Versammlung ihm zur Ehre geschehe, der
gute Mann hatte sich jedoch geirrt; es lag etwas ganz Anderes
zu Grunde.

Vor der Hütte armer Taglöhnersleute war ein neugebor-
ner, schwächlicher Knabe, in Lumpen eingewickelt, gesunden
worden. Ta die Leute, denen er gelegt wurde, zu arm waren,
um ihn selbst zu ernähren, brachten sie den Knaben zum Vogte,
damit er auf Communkosten erzogen werde. Dieser schlaue
Mann wußte nun keinen besiern Rath, als die Leute des Kirch-
j spiels zulammenrusen zu lassen und den Elternlosen auf dem
Wege der Versteigerung an den Wenigstnehmenden loszuschlagen.
Das Geschäft war eben im vollen Gange; ein Bauer machte
* das Gebot, die Verköstigung für achtzehn Schillinge Monatgeld
übernehmen zu wollen, als Hjelm aus dem Wagen stieg, um
dieser Licitation eigener Art zuzusehen. Da schleppte sich ein
altes Weib, aus einen Stock gestützt, zu ihm hin, und legte
ihre Hand auf seine Schulter. Unwillig über eine solche Ver-
traulichkeit wandte sich der Baron gegen sie, die Alte ließ sich
jedoch durch seine zürnende Miene nicht abschrecken.

„Denk' Er an das, was ich Ihm gesagt habe," raunte
sie ihm in die Ohren; „heute ist es seit jenem Abend, wo die
Kleine geboren ward, das erste Mal, daß Er über einen Weg
fährt, und hier ist Gelegenheit zu einer guten Handlung."

So redend verschwand Lisbeth; Hjelm fand sich von
> ihren Worten getroffen, er ging zum Vogte hin, der ihm aus
seine Zusage, das Kind unentgeltlich aufzuziehen, dieses gern
überließ. Die Baroncsie rümpste freilich die Nase, als ihr Ge-
mahl mit dem kleinen, schmutzigen Knaben auf den Armen, zum
Wagen hintrat, aber der Baron war Herr im Hause, Alles
ward geordnet, und acht Tage später ließen sie den Knaben
taufen, und unter dem Namen „Theodor," was so viel als
„Gottesgabe" bedeutet, in das Kirchenbuch von Egvad ein-
z tragen.

Als nun die beiden Kinder größer wurden, gaben sich
auch ihre verschiedenen Sinnesanlagen zu erkennen. Theodor
hatte eine auffallende Unlust zu jeder sitzenden Beschäftigung;
i er bildete den vollkommensten Gegensatz zur kleinen C i l i, wie
man sie nannte. ES war unmöglich, ihm etwas zu lehren,

igin.

was mit Nachdenken verbunden war und Ausdauer erforderte;
dagegen war er ein trefflicher Schütz und ganzer Jäger. Er
konnte schwimmen wie ein Fisch, lies mit dem Sturmwinde
um die Wette, und wenn er zuweilen Cili mit auf seine
Streifzügc verlockte, fand man sie Beide am Damme außen, in
einem losgebundenen Boote sich herumtrcibend, oder der ver-
wegene Knabe stieg auf eine von den Tannen, die an der
Rückseite des Schlaffes standen, während das zarte Mädchen im
Garten stehend zu ihm hinauf sah, und in kindlicher Freude in
die Händchen klatschte, wenn sie den liebe» Bruder so hoch
oben sah.

Je älter die Kinder wurden, desto fester ketteten sie sich
an einander, merkwürdig genug, da C i l i, wie gesagt, den voll-
kommensten Gegensatz zu Theodor bildete; es war umsonst,
daß ihr die Baroncffe bei jeder Gelegenheit einschärfte, wel-
cher Unterschied zwischen ihr und dem Bruder herrsche; und
eben so wenig half es, daß sie ihr erzählte, was die alte Frau
über ihr künftiges Schicksal geweissagt habe. Mutter Lisb'
kam ja selbst, wenn sie so auf den Feldern außen spazieren
gingen, ohne daß Jemand darum wußte, sehr oft zu ihnen,
liebkoste Beide und bat sie allezeit: sich lieb zu haben. — So
wurden die Kinder dreizehn Jahre alt, Theodor konnte mit
genauer Noth lesen, desto bester verstand er aber mit seiner
Büchse umzugehen. Er hatte sich einen großen Hund abge-
richlet, der nun sein beständiger Begleiter aus allen seinen
Ausflügen ward. Zuweilen mehrere Tage von Lönborg ab-
wesend , wußte Niemand, wo er sich die Zeit über aufhielt;
die lange, dunkelbraune Haide war sein Tummelplatz und lieb-
ster Aufenthaltsort; er kannte die Gegend auf einen Umkreis
von vielen Meilen eben so gut, wie der Hase sein Lager kennt.
Sein Charakter erlitt bedeutende Veränderungen, oder richtiger,
die verborgenen Keime deffclben entwickelten sich immer mehr
und mehr, aber das Verhältniß zwischen ihm und Cili blieb
immer dasselbe. Es schien, als ob sie sich noch fester an
den Jungen anschließe; innig und herzlich, wie wenn Beide nur
eine Seele hätten.

Um diese Zeit ereignete es sich, daß die Schwester der
Baroncffe nach Lönborg kam und den Wunsch äußerte, das
junge Fräulein mit nach Copenhagen zu nehmen, um dort
deren Erziehung zu vollenden. Frau Hjelm war über dieses
Anerbieten sehr erfreut, weil sie darin einen Ausweg sah, die
Kinder von einander zu trennen, was sie bis jetzt vergeblich
versucht hatte. Cili selbst schien daran Gefallen zu finden,
sie erzählte es Theodor, und noch am nämlichen Abend will
man sie im Garten unten mit der alten Lisb' in eifrigem Ge-
spräche gesehen haben. Theodor fuhr fort zu singen und zu
jubeln wie vorher, am nächsten Morgen aber, als der Wa-
gen der Schwester vor der Thüre hielt, suchte man ihn und
Cili vergebens, — sie waren spurlos verschwunden, auch
der Hund des Jungen war fort. Der Baron ließ die ganze
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